Drohnen vor Libyen und Tunesien
Libyen und Italien haben nach Medienberichten ein neues Abkommen zur besseren Überwachung der Seegrenzen geschlossen. Tripolis will auch beim EU-Grenzüberwachungssystem EUROSUR mitmachen
Die libysche Küstenwache wird die Seegrenzen des Landes mehr kontrollieren. Am Montag hat die Regierung hierzu ein Abkommen mit Italien unterzeichnet, das Unterstützungsmaßnahmen vorsieht. Dies meldet die italienische Tageszeitung Il Manifesto. Demnach hat Italien bei dem Treffen in Tripolis zugesichert, Grenzbeamte für maritime Missionen auszubilden. Zuständig ist die Guardia di Finanza.
Laut dem sizilianischen Ableger der TageszeitungCorriere hat Italien auch Patrouillenboote repariert, die nach der Revolution zunächst nach Tunesien geschafft worden waren. Die Beamten auf den Schiffen werden von italienischen Behörden geschult. Auch an Tunesien hat Italien bereits mehrere Patrouillenboote geliefert.
Die Anstrengungen sind laut den Berichten gegen unerwünschte Migration gerichtet und stünden damit im Kontext der EU-Flüchtlingspolitik. Beide Artikel erklären aber nicht, zu welchem Ministerium die ausgebildeten Grenzbeamten gehören. Die Zuständigkeit für die libyschen Seegrenzen ist zersplittert: Aufgaben werden sowohl von der polizeilichen als auch der militärischen Küstenwache übernommen. Auch der Zoll ist für die maritime Aufklärung verantwortlich.
Auch deutsche Polizisten bilden aus
Fast alle Grenzübergänge Libyens werden vom Militär kontrolliert. Im Rahmen einer EU-Mission wird nun eine Gendarmerie aufgebaut, die zwar ebenfalls dem Militär untersteht, aber Aufgaben im Innern übernehmen darf. Die Gendarmen sollen zunächst an den südlichen Landgrenzen stationiert werden. Ihre Ausbildung erfolgt im italienischen Vicenza, wo die Europäische Gendarmerietruppe EUROGENDFOR ihr Hauptquartier und ein Trainingslager betreibt (Deutsche Polizei hilft bei militärischer Grenzsicherung in Libyen).
Die EU lässt sich die Mission EUBAM Libyen pro Jahr 30 Millionen Euro kosten, die Hälfte des Geldes wird für gepanzerte Fahrzeuge der über 100 EU-Polizisten sowie für private Sicherheitsunternehmen ausgegeben. Um das Militär zukünftig zu entlasten, werden gleichzeitig Polizeiangehörige ausgebildet. Deutschland hat 20 Polizisten hierfür nach Libyen entsandt.
Eine italienische "Expertengruppe" hatte bereits kurz nach dem Bürgerkrieg den Bedarf für Modernisierungen der libyschen Grenzüberwachung ausgelotet. Das Abkommen vom Montag knüpft an die Flüchtlingspolitik an, die im italienisch-libyschen "Freundschaftsvertrag" von 2010 zwischen den Regierungschefs Berlusconi und Gaddafi vereinbart wurde (Mehr Benzin, weniger illegale Einwanderung). Italien versicherte, 3,4 Milliarden an "Wiedergutmachung" zu zahlen. Ein Großteil des Geldes muss aber in Italien reinvestiert werden. Zum "Freundschaftsvertrag" gehörte auch, mit der schon 2007 vereinbarten, aber nie umgesetzten gemeinsamen Überwachung des Mittelmeers zu beginnen.
Verabredet wurde auch die Errichtung eines Überwachungssystems für die libyschen Grenzen. Nutznießer war mit der italienischen Firma SELEX ein Konzern der Finmeccanica-Gruppe. Die Rede ist von Kosten in dreistelliger Millionenhöhe. Auch Schiffsüberwachungssysteme und Radaranlagen an der libyschen Küste werden modernisiert. Die Seegrenze wird unter anderem von Helikoptern überwacht, die von Agusta Westland hergestellt werden. Die italienische Firma nutzt für die Fertigung einen Standort in Libyen.
Zwar wurden die sicherheitspolitischen Verabredungen des "Freundschaftsvertrags" vom libyschen Bürgerkrieg durchkreuzt. Eilig hatte sich der amtierende italienische Außenminister Frattini deshalb im Sommer 2011 nach Benghasi aufgemacht, um die Rebellen nach ihrer Haltung zu den bilateralen Abkommen zu fragen. Er kam nicht mit leeren Händen zurück: Die Aufständischen versprachen, im Falle eines Sieges würden alle Verträge ihre Gültigkeit behalten (Rüstungskonzerne wittern Milliardenaufträge für Grenzsicherung in Libyen).
Libyen soll an Frontex beteiligt werden
Die aufpolierte libysche Grenzüberwachung wird in Kapazitäten der EU eingebunden: Im letzten Sommer hatte die damalige Regierung als erstes afrikanisches Land erklärt, sich an der EU-Grenzüberwachung zu beteiligen (Libyen wird polizeilicher Vorposten der EU). Dabei geht es um das Netzwerk "Seahorse Mediterraneo", das derzeit im Mittelmeer von Spanien errichtet wird. Es basiert auf zivilen und militärischen Aufklärungskapazitäten und wird in EU-Grenzüberwachungssystem EUROSUR überführt.
EUROSUR wird bereits seit Jahren vorbereitet, jedoch hat sich erst heute das EU-Parlament in erster Lesung damit befasst und eine entsprechende Verordnung verabschiedet. Die Plattform besteht aus nationalen Kontrollzentren in jedem Mitgliedstaat, auch Libyen soll über Kommandozentralen in Tripolis und Bengasi angeschlossen werden. Erstmals würde auf diese Weise ein afrikanisches Land direkt an Operationen der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX beteiligt.
Die EU hat entsprechenden Druck auch auf Tunesien, Ägypten und Algerien ausgeübt - anscheinend erfolgreich. Nach Medienberichten wollen die Länder ab 2014 ebenfalls an der EU-Überwachungsplattform teilnehmen. Vor der libyschen und tunesischen Küste könnten dann größere Drohnen eingesetzt werden, wie sie bislang nur vom Militär geflogen werden. Das ist das Ergebnis eines EU-Forschungsprogramms, das die technische Umsetzung von EUROSUR beforscht hat (EU-Grenzen zu Nordafrika und Osteuropa sollen mit Drohnen überwacht werden). Es geht dabei nicht um die Rettung Schiffbrüchiger: In Projektbeschreibungen ist lediglich von der Bekämpfung "illegaler Migration" und "Schmuggel" die Rede.