Drohnenangriffe sind für Pakistaner Terrorakte

Der ehemalige Leiter der für gezielte Tötungen zuständigen CIA-Rechtsabteilung gibt ein wenig Einblick in die Praxis der mit Drohnen exekutierten Todesurteile

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Seit Jahren führen die US-Streitkräfte einen von der pakistanischen Regierung geduldeten Drohnenkrieg im afghanisch-pakistanischen Grenzkrieg, um mit gezielten Angriffen Taliban- oder al-Qaida-Kämpfer mit Hellfire-Raketen zu töten. Zweck des rechtlich umstrittenen Drohnenkriegs, der aber auch von den anderen, an ISAF beteiligten Staaten wie Deutschland gedeckt wird, ist, den Aufständischen den Rückzugsraum streitig zu machen und so diese in Afghanistan zu schwächen. Rechtlich umstritten sind die Angriffe, weil nicht klar ist, ob es sich um völkerrechtlich legale militärische Handlungen in einem von den Vereinten Nationen gebilligten Krieg handelt oder um extralegale Exekutionen, die in einem Land stattfinden, mit dem sich die USA nicht in einem Krieg befinden (Gezielte Tötungen mit Kampfdrohnen verletzen zunehmend internationales Recht).

Unter Bush wurde 2004 der Drohnenkrieg mit einzelnen Angriffen begonnen, mit Obamas Amtsantritt und der Aufstockung der Truppen wurde er intensiviert. Nach der New American Foundation, die versucht, die Drohnenangriffe aufzulisten, sind seit 2004 bis Ende Januar bis zu 2.189 Menschen getötet worden, davon sollen zwischen 1.097 und 1.754 Militante sein und 32 mutmaßliche Führer.

Da weder die Amerikaner noch die in dieser Frage seit Jahren herumeiernde pakistanische Regierung Interesse an Transparenz haben, bleibt im Dunklen, wie erfolgreich die Drohnenangriffe wirklich sind und wie viele Zivilisten oder Unbeteiligte ihnen zum Opfer fallen. Die CIA geht davon aus, dass kaum Zivilisten sterben. Die New American Foundation sagte, dass die Zahl der Opfer unter den Zivilisten stark zurückgegangen sei und 2010 nur noch 8 Prozent betragen habe. Beschossen werden vor allem Häuser und Fahrzeuge. Angriffe und Tote haben sich Jahr für Jahr verdoppelt.

Wie die Todesurteile zustande kommen

Ein Bericht in Newsweek verspricht Einsicht in die "Killing Machine". Die Kampfdrohnen werden bekanntlich in den USA von jeweils zwei Piloten bedient. Berichtet wird hier die schöne Geschichte, wie ein Fahrzeug eines angeblich hohen Taliban-Kämpfers verfolgt wird. Man wartet, bis das Fahrzeug anhält und der Mann aussteigt. Erst dann wird gefeuert, die anderen Insassen des Fahrzeugs werden nicht getroffen. So genau also sollen die gezielten Tötungen mit den Drohnen sein, die allerdings dann eher einem Mordanschlag aus der Ferne gleichen.

Offenbar, so heißt es wenigstens in dem Newsweek-Artikel, würden die Tötungen durch eine "vielschichtige und methodisch arbeitende" Bürokratie von zivilen Angestellten verwaltet bzw. juristisch legitimiert. Dies hat die Journalistin von John Rizzo erfahren, der bis vor kurzem als Chef der Rechtsabteilung bei der CIA arbeitete, die für die Drohnenangriffe zuständig ist. Nicht nur die CIA, auch das Militär hat ein eigenes Drohnen-Tötungsprogramm. Vermutet wird, dass man unter Obama nicht mehr Verdächtige fangen und inhaftieren will, weil bei Verhören nicht mehr gefoltert werden soll. Daher zieht man die Tötung der Festnahme vor. Rizzo selbst verteidigt gewissermaßen die Folter bei den Verhören. Diese hätten die Menschen nämlich meist überlebt, ein mit einer Drohne exekutiertes Todesurteil aber nicht.

US-Präsident Obama will offensichtlich mit den Exekutionen nichts zu tun haben und überprüft auch nicht die Personen auf der Todesliste. Irgendwie suchen CIA-Agenten diejenigen aus, die man neutralisieren will, und legen die Gründe dafür in einem Dokument dar: "Es gibt Menschen, nach denen wir suchen. Und wir dachten, es ist besser, jetzt diese Gefahr zu neutralisieren", schildert Rizzo den Prozess, bei dem er letztlich das "Todesurteil" für einen Verdächtigen Tausende von Kilometern entfernt unterschrieben hat, wenn es für ihn ausreichend begründet war. Niemals seien während seiner Zeit mehr als 30 Namen auf der Liste gestanden: "No. 1 and No. 2 on the hit parade are still out there, you-know-who and [Ayman al-] Zawahiri." Sonderlich "methodisch" und präzise klingt das alles nicht, wenn über den Tod eines Menschen entschieden wird.

Die Pakistaner lehnen die Drohnenangriffe ab

Die Menschen in den pakistanischen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan lehnen die permanente Bedrohung über ihren Köpfen ab. Nur 16 Prozent glauben nach einer Umfrage, dass damit wirklich gezielt Militante getroffen würden. 48 Prozent gehen davon aus, dass überwiegend Zivilisten zum Opfer werden, ein Drittel meint, sowohl Militante und Zivilisten würden getötet. 75 Prozent lehnen die Drohnenangriffe ab, es finden immer wieder Proteste gegen sie statt. Der Drohnenkrieg dürfte mithin die antiamerikanische und auch die antiwestliche Stimmung erhöhen und eher die Islamisten stärken, die auch die Duldung seitens der pakistanischen Regierung für sich nutzen können.

Eine von der Washington State University und der pakistanischen Lahore University of Management Sciences durchgeführte Umfrage unter 395 pakistanischen Journalisten, deren Ergebnisse in der New York Times veröffentlicht wurden, bestätigt die Ablehnung. Für 67 Prozent der Journalisten, die die öffentliche Meinung im Land mit prägen, sind die Drohnenangriffe Terrorakte. 87 Prozent wollen nicht, dass US-Truppen in ihrem Land operieren, 84 Prozent vertreten die Meinung, dass sich die USA ungerechtfertigt in die Politik Pakistans einmischen. Gleichwohl ist die Mehrzahl keineswegs antiamerikanisch, sondern schätzt die USA und noch eher die Amerikaner, man kritisiert aber die US-Außenpolitik.

Sie sehen auch in der US-Politik nicht die größte Gefahr für ihr Land, sondern vor allem im Terrorismus, in der politischen Instabilität und in der wirtschaftlichen Situation. Interessant ist auch, dass die Journalisten die Identität als Muslim höher stellen als die als Journalist oder als pakistanischer Bürger. Der Glaube durchdringt das Selbstverständnis, die Bewertung fällt aber nicht einheitlich aus. So meinen Dreiviertel, dass der Glaube an Gott wichtig für moralische Entscheidungen sei, und fast die Hälfte sagt, dass Politiker, die nicht an Gott glauben, nicht im Amt sein sollten. Für 53 Prozent sollen die Geistlichen nicht versuchen, die Wahlen zu beeinflussen, 59 Prozent sagen, die Regierung dürfe keine Gesetze gegen die Scharia erlassen. Eine Trennung von Staat und Religion scheint also selbst den Journalisten nicht sonderlich wichtig oder attraktiv zu sein.