Drohnenkrieg erschüttert die SPD
Sozialdemokraten blockieren geplante Bewaffnung von unbemannten Flugzeugen der Bundeswehr. Verteidigungspolitiker Felgentreu zieht sich zurück, Drohnengegner erringen Teilerfolg
Die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr ist vorerst vom Tisch. Nachdem SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans ein Veto gegen die Position der Verteidigungspolitiker seiner eigenen Bundestagsfraktion eingelegt hat (Drohnenbewaffnung: Erst einmal vom Tisch!), war eine Blockade der Sozialdemokraten gegen das Rüstungsvorhaben von CDU-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer absehbar. Seit der Fraktionssitzung am gestrigen Dienstag nun ist das Nein der SPD zum Aufrüstungsvorhaben (Verteidigungsministerium veröffentlicht Fahrplan zur Drohnenbewaffnung) offiziell, eine Entscheidung wird es in diesem Jahr und womöglich in der 19. Wahlperiode nicht mehr geben (Bundestag soll Beschaffung von EU-Kampfdrohnen beschließen). Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion legte daraufhin sein Amt nieder.
Das Thema hatte für heftige Auseinandersetzungen in der SPD und ihrer Bundestagsfraktion gesorgt, nachdem einzelne Abgeordnete nach einer Anhörung Anfang Oktober ihre Zustimmung zu der Drohnenbewaffnung signalisiert hatten. Dann aber griffen Walter-Borjans und andere Gegner des Vorhabens ein, das von Militärs und Transatlantikern schon in den Koalitionsverträgen 2013 und 2018 festgeschrieben wurde.
Darin aber wurde eine "ausführliche völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Prüfung" vereinbart. Die Union sah die Debatte als erledigt an, die Sozialdemokraten offenbar nicht. So wurde Felgentreu zum ersten Opfer deutscher Drohnen.
Er müsse sich "öffentlich und gegenüber der Bundeswehr von meiner Fraktion und Partei" distanzieren, teilte der Berliner Bundestagsabgeordnete auf Twitter mit. Da ihn dies in Konflikt mit der nötigen "Loyalität" gegenüber der Fraktionsführung und der Mehrheit in der Fraktion bringe, lege er sein Amt als verteidigungspolitischer Sprecher nieder.
Nach Angaben von Fraktionsgenossen war der Konflikt absehbar. "Ich hatte einen deutlichen Unmut in meiner Fraktion und Partei wahrgenommen, nachdem aus meiner Fraktion Zustimmung zu einer möglichen Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen signalisiert worden ist", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Rene Röspel gegenüber Telepolis.
Zuvor hatte er einen Aufruf gegen das Aufrüstungsvorhaben unterzeichnet. Er denke, dass es zu dem Thema einen "deutlich erweiterten Klärungsbedarf gibt", so Röspel, vor allem in Anbetracht eines kürzlich veröffentlichten Berichtes über Autonome Waffensysteme des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag.
Entfernung von friedenspolitischen Positionen der Basis
Der politische Drohnen-Krieg in der SPD ist auch das Ergebnis eines ungelösten Konfliktes - nicht nur mit der Union als Koalitionspartner, sondern auch intern. Mehrere Aufrufe und Appelle von Aufrüstungsgegnern in den vergangenen Tagen und Wochen haben gezeigt, wie weit sich Abgeordnete von den friedenspolitischen Positionen der sozialdemokratischen Basis entfernt haben.
Diese Basis pochte nur auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, in dem in Ermangelung eigener entsprechender Waffensysteme das Leasen der Drohne Heron TP vereinbart wurde. Über die Beschaffung von Bewaffnung werde der Deutsche Bundestag nach oben erwähnter Debatte entscheiden.
"Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten", heißt es in dem Vertrag. Zudem seien die konzeptionellen Grundlagen für den Drohneneinsatz zu schaffen. "Völkerrechtswidrige Tötungen lehnen wir kategorisch ab, auch durch Drohnen", so der erkennbarer Nachsatz aus SPD-Feder.
Kampfdrohnen weltweit (13 Bilder)
Doch die ethische Folgenabschätzung ist nie erfolgt. Dies oblag schließlich dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag, das sich mit entsprechenden Fragen auseinandersetzte. Das Ergebnis war eindeutig: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Entwicklungsstand in den relevanten Bereichen (KI, Robotik, Sensorik etc.) bei Weitem noch nicht ausgereift genug, um ethisch vertretbare bzw. völkerrechtskonforme AWS, also Autonome Waffensysteme, zu konstruieren."
Zudem sei unklar, ob und inwiefern die Tötung von Menschen durch Autonome Waffensysteme mit der Menschenwürde vereinbar sei. Schließlich sei die Frage der Verantwortung bei zunehmend autonomen Tötungsentscheidungen zu stellen.
All das klingt deutlich komplexer als der vor allem aus der Union und der Bundeswehr immer wider angeführte Schutz der eigenen Soldaten. Das Argument verfängt ebenso wenig wie eine angeblich saubere Kriegsführung.
Das US-Militär etwa hält Zahlen über zivile Opfer zwar unter Verschluss. Doch laut der britischen Nichtregierungsorganisation Bureau of Investigative Journalism (TBIJ) wurden zwischen 2004 und 2011 mindestens 291 Einsätze durchgeführt bei denen zwischen 2.292 und 2.863 Menschen starben. Bis zu 775 Unbeteiligte seien getötet worden, darunter 164 Kinder. Diese Statistik wird vom TBIJ fortgeführt.
"Das wollen wir Sozialdemokraten nicht"
Nach Informationen der Zeitungen der Funke-Mediengruppe unterstützte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich am Dienstag Walter-Borjans Kritik an der Drohnenbewaffnung. Die im Koalitionsvertrag geforderte "ausführliche und breite Debatte" habe es bis heute nicht gegeben. Zwar könnten die unbemannten Bomber Soldaten im Einsatz schützen. Es sei aber auch bekannt, dass bewaffnete Drohnen die Hemmschwelle militärischer Gewalt senke.
Eine zentrale Rolle spielte vor diesem Hintergrund der jüngste Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach (Der Krieg um Berg-Karabach - oder: Warum "Neutralität" Parteinahme ist), der in einem erheblichen Maß mit Drohnen ausgefochten wurde. Darauf wie gegenüber Telepolis auch der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner hin, der dem Verteidigungsausschuss angehört: "Wenn wir sehen wie in Berg-Karabach gerade der Krieg mit Drohnen geführt wurde, muss ich klar sagen: Das wollen wir Sozialdemokraten nicht."
Im Interview mit Telepolis war Anfang der Woche auch der KI-Experte Jakob Foerster den Vorhaben des Verteidigungsministeriums entgegengetreten ("Statt von Kampfdrohnen sollte von Killerdrohnen gesprochen werden"). Foerster äußerte die Befürchtung, dass eine Aufrüstung mit bewaffneten Drohnen im nächsten Schritt zur bereits diskutierten Anschaffung des Future Combat Air Systems führe, "eine neue Flotte von Kampfflugzeugen, die mit Begleitschutz durch autonom fliegende Drohnen den Luftraum verteidigen und Angriffe ausführen sollen" (Liebe SPD-Abgeordnete, stoppen Sie das Töten mit Drohnen jetzt!).
"Dieses bereits konkret geplante Rüstungsprojekt zeigt damit genau die Gefahren bzw. die sich bereits in Gang befindliche Entwicklung", so Foerster: Bewaffnete Drohnen würden die Voraussetzung für teil- und vollautonome Waffensysteme schaffen.
Nach dem Veto der SPD-Fraktionsmehrheit und der Niederlage Felgentreus wird es diese Woche dennoch die Möglichkeit geben, das Thema im Bundestag zu diskutieren. Am Donnerstagabend (17.02.2020) geht es dabei um zwei Anträge der Opposition. "Keine Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen", heißt der Antrag der Linken. Die Grünen stellen das Papier "Keine Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr" zur Debatte.