Durchbruch bei der Gewinnung von Energie aus Wasserstoff?
Alternative Ansätze zur Energiegewinnung
Peak Oil ist jetzt, stellt die Energy Watch Group fest, und 2030 könnte in Deutschland der Rohölimport zum Erliegen kommen. Andere fossile Energieträger wie Kohle verbrennen nicht sauber und die Spaltung von Uran ist riskant. Erneuerbare Energien und Kernfusion sind Hoffnungsträger als Energiequellen. Wasserstoff wird oft als Energieträger betrachtet. Windparks und Solaranlagen produzieren Elektrizität zur Gewinnung von Wasserstoff aus Wasser. Dieser wird zum Ort des Verbrauchs transportiert und dort sauber verbrannt. Doch das US-Unternehmen BlackLight Power behauptet, aus Wasserstoff könne hundertmal mehr Energie als durch Verbrennung gewonnen werden. Ein Prototyp produziere bei Bedarf 50 Kilowatt Wärmeleistung. Diese Behauptung ist nun von einer US-Universität überprüft und bestätigt worden. Ist Wasserstoff nicht nur ein Energieträger, sondern auch eine Energiequelle?
Wenn man dem Glauben schenken darf, was BlackLight Power im Mai mitteilte dann hat man dort ein revolutionäres Verfahren entwickelt, mit dem sich außergewöhnlich viel Energie aus Wasserstoffgas gewinnen lässt. Ein Teil der Energie reiche aus, um Wasserstoff aus Wasser zu gewinnen. Normales Wasser wäre damit ein Treibstoff. Ein Prototyp produziere aus einem Wasserstoffgemisch „auf Knopfdruck“ 50 Kilowatt Wärmeleistung. Ebenfalls in Planung seien Einheiten zur Bereitstellung von Wasserstoff an Tankstellen.
„Wir denken, dass wir den Prozess innerhalb von 24 Monaten soweit hochskaliert haben werden, dass ein Kraftwerk so viel Wasserstoff produziert, um so viel Benzin zu ersetzen, wie an einem Tag an einer Tankstelle gezapft wird“, sagt der Firmengründer Randell Mills. Dieses wäre der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Aber ist die Behauptung zu gut, um wahr zu sein?
Die Firma BlackLight Power hat ihren Sitz im amerikanischen Bundesstaat New Jersey, und sie hat 25 Angestellte, davon elf Wissenschaftler. „In den nächsten zwei Jahren werden wir auf 500, vielleicht 1000 Angestellte wachsen. Dann könnten wir den Großteil des weltweiten Energiebedarfs abdecken und die Nachfrage wird groß sein“, sagte Mills gegenüber CNNMoney.com. Der gelernte Harvard-Mediziner mit Elektrotechnikstudium am MIT hat die Firma 1991 gegründet und ist seitdem Vorstandsvorsitzender, Präsident und Geschäftsführer. Interviewanfragen per E-Mail sind von der Pressestelle nicht beantwortet worden. Angeblich beträgt das Stammkapital 60 Millionen Dollar, alles privat. Mehr werde zurzeit nicht benötigt, Pressearbeit ist demzufolge nicht nötig.
Ein Blick in den Aufsichtsrat zeigt BlackLights Präsenz im Finanzsektor, der Energieindustrie und dem Militär. Dort finden sich u.a. Shelby Brewer, Unterstaatssekretär für Kernenergie in der Reagan-Administration, der frühere Kommandant der Zweiten Flotte Vizeadmiral Michael Kalleres, der ehemalige Stabschef der Air Force Merrill McPeak, der frühere Finanzvorstand der Credit Suisse Investment Bank Neil Moskowitz, sowie Michael Jordan, ehemals Geschäftsführer des Energieunternehmens Westinghouse, jetzt von Electronic Data Systems. In der Pressemitteilung wird Jordan zitiert, der „Durchbruch“ werde sich als „wichtigster Fortschritt in der Energiebranche der letzten 50 Jahre“ erweisen. Der Investor Jim Lenehan, Berater beim Hedge Fond Cerberus, teilte CNNMoney.com mit, BlackLight sei kein riskanter Teil seines Investmentportfolios mehr.
Bereits 2006 hatte der pensionierte Morgan-Stanley-Investor David Goodman dem Wall Street Journal gesagt es sei „sehr wahrscheinlich, dass [Dr. Mills] eine neue Form der Wissenschaft“ habe. Nun wird kaum verwundern, dass Investoren ihre Investments loben. Beobachter der 19-jährigen BlackLight-Geschichte erinnern, dass es immer wieder spektakuläre Ankündigungen gegeben hat, auf die dann ein Finanzierungsschub folgte. Schwer wiegt die Aussage von Mills in einem Infinite Energy-Interview von 1997, man stünde sechs Monate vor dem Bau eines 100-Kilowatt-Aggregats. Also was hat BlackLight Power wissenschaftlich vorzuweisen?
Hydrino-Theorie schreckt viele Wissenschaftler ab
Mills und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter haben mehr als 60 Aufsätze in begutachteten wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht. Darunter fallen theoretische wie empirische Arbeiten, meistens aber ist Beides verbunden. Viele Aufsätze finden sich auf der Webseite. Mills hält sich also an die Spielregeln der normalen Wissenschaft – außer an diese: seine Ergebnisse sind konventionell nicht zu erklären und seine Theorie widerspricht der etablierten Quantenmechanik. Mills Theorie ist in seinem Buch The Grand Unified Theory of Classical Physics beschrieben. Sie basiert auf dem Prinzip, dass die physikalischen Gesetze von der atomaren bis zur kosmischen Skala gleich sein sollten. Ausgehend von den Maxwell’schen Gleichungen und den Newton’schen Bewegungsgesetzen behauptet Mills, quantenmechanische Phänomene und sogar die Gravitationskonstante treffsicher herleiten zu können. Viele Formeln sind anhand von Excel-Tabellen nachvollziehbar.
Bekanntermaßen besteht ein Wasserstoffatom aus einem Proton im Kern und einem Elektron. Der Quantenmechanik nach ist das Elektron im Grundzustand des Wasserstoffs dem Kern am nächsten. Näher kann es nicht kommen. Wenn dem Atom Energie hinzugefügt wird, springt das Elektron auf ein höheres, präzise berechenbares Energieniveau. Wenn es wieder auf ein niedrigeres Niveau fällt, wird Licht und damit gespeicherte Energie frei. Mills sagt nun, dass es unterhalb des Grundzustands noch 137 weitere Energieniveaus gäbe. Falle ein Elektron auf eins dieser Niveaus, werde entsprechend mehr Energie frei. Wasserstoffatome unterhalb des Grundzustands bezeichnet er als „Hydrinos“. Da diese stabil seien, werde aus Wasserstoff effektiv und dauerhaft Energie gewonnen. Er wäre damit nicht nur Energieträger, sondern auch -quelle.
Im sogenannten BlackLight-Prozess werde Wasserstoff gezielt dazu verleitet, Hydrino-Zustände einzunehmen. Dazu würden spezielle Katalysatoren als Energie-Senken verwendet. Solche müssten die vom Wasserstoff transferierte Energie genau aufnehmen können, weswegen nicht alle Elemente in Frage kämen. Wenn aber funktionierende Katalysatoren eingesetzt würden, entstehe ein unerwartetes Plasma und mehr Energie in Form von Wärme, als ins System hineingesteckte worden sei. Wichtig ist, dass es laut Quantenmechanik überhaupt kein unterschiedliches Verhalten bei unterschiedlichen Katalysatoren geben dürfte.
Der im Mai verkündete „Durchbruch“ beruhe auf der Entwicklung eines neuen zyklischen katalytischen Prozesses. Die Ankündigung eines marktreifen 50-Kilowatt-Prototyps ist erstaunlich, da die Leistungsentstehung in vorherigen Veröffentlichungen üblicherweise tausendmal kleiner war. Im August wurde jedoch ein detaillierter Forschungsbericht veröffentlicht, in dem von einer einzelnen Zelle die Rede ist, die „eine Leistung jenseits von 50 kW“ produziert habe. In zahlreichen Patenten haben sich Mills und seine Mitarbeiter ihr geistiges Eigentum sichern lassen.
Mehrere experimentelle Bestätigungen
Mittlerweile haben Wissenschaftler der Rowan University in New Jersey die 50-kW-Behauptung überprüft und bestätigt. Zur Produktion der entsprechenden Wärmemenge (1 Megajoule) seien 1,5 Kilogramm einer katalytischen Substanz verwendet worden. „Diese Ergebnisse sind von konventioneller Chemie her unerwartet und könnten bestätigen, dass BLP-Wissenschaftler tatsächlich eine neue Technologie zur Gewinnung von Energie aus dem Wasserstoffatom entwickelt haben“, wird in einem kürzlich veröffentlichten Zwischenbericht gefolgert. Kontrollierte Experimente sind von Studenten unter der Leitung des Engineering-Professors Peter Jansson in Rowan-Laboren unter anfänglicher Beratung von BlackLight-Wissenschaftlern durchgeführt worden. Die erfolgreichen Experimente zeigten Jansson zufolge, „dass die BlackLight-Ergebnisse von unabhängigen Wissenschaftlern reproduziert werden können.“ Noch ist nicht klar, ob es sich um eine von BlackLight beauftragte Studie handelt.
Bereits 2002 hatten Rowan-Wissenschaftler Behauptungen von BlackLight Power im Auftrag der NASA überprüft und „einen eindeutigen, wiederholbaren Unterschied“ zwischen katalysierten und Kontrollexperimenten festgestellt. Bei bestimmten Wasserstoff-Plasmen gäbe es „tatsächlich etwas Einzigartiges“.
Um für sich mehr Gewissheit zu erlangen, hatten Greenpeace und andere Umweltorganisationen 2005 eine unabhängige Einschätzung bei der University of North Carolina in Auftrag gegeben. Der Chemiker Richard Maas und der Physiker Randy Booker erhielten fünf Tage lang uneingeschränkten Zugang zur BlackLight-Einrichtung und führten ihre eigenen Messungen durch. „Wir sind mit gesunder Skepsis an die Sache herangegangen“, sagte Maas gegenüber dem Guardian, „doch wir finden Dr. Mills Daten sehr überzeugend.“ In ihrem Bericht schrieben sie, „alle unsere Messungen brachten Ergebnisse, die mit den von Mills et al. zuvor berichteten übereinstimmen“. Greenpeace-Forschungsdirektor Kert Davies zeigte sich daraufhin „vorsichtig optimistisch“. Man glaube, der Prozess habe „das Potenzial, unsere Abhängigkeit vom Öl zu beenden“.
Kritiker wenden ein, dass solche Bestätigungen nicht wirklich als „unabhängig“ zu bezeichnen sind, weil BlackLight Power entweder beraten hat oder Experimente in deren Labor stattgefunden haben. Beides hat der Greifswalder Physikprofessor Johannes Conrads vermieden. Der Plasmaforscher interessierte sich persönlich für diese Arbeit, doch sein Jahrzehnte langer Arbeitgeber, das Forschungszentrum Jülich, fürchtete einen Imageschaden, wenn er experimentell tätig werde. Ein offenes Ohr fand er 2001 an der Ruhr-Universität Bochum, unter der Bedingung, dass es nicht um Mills „wilde Theorie“ gehen würde. Doch Mills Plasmalampe brannte. „Ich erinnere mich noch gut an den Sonnenbrand einen Tag später“, sagt der involvierte Bochumer Physiker Thomas Wrubel. Die BlackLight-Reaktion produziert intensives ultraviolettes Licht. „Eine solche extreme ultraviolette Strahlung ist nicht erwartet“, kommentiert Gerrit Kroesen von der Technischen Universität Eindhoven, der den BlackLight-Prozess derzeit selber studiert. „Man muss sich sehr verbiegen, sie zu erklären.“
Conrads und Wrubel versuchten dem mysteriösen Leuchten mit fundierten und anerkannten Methoden auf den Grund zu gehen. Dazu modifizierten sie sogar das Experiment. Ein Jahr lang arbeiteten sie immer mal wieder an dem Experiment. Aber Erklärungen für das Plasma haben sie nicht gefunden, denn „die Mindestenergie war eigentlich dafür nicht vorhanden. Entweder haben wir eine neue chemische Reaktion, die wir nicht so tief analysieren konnten, oder es ist sonst irgendetwas Komisches“, sagt Wrubel rückblickend. Zur Veröffentlichung der Ergebnisse 2003 wurde Mills als Koautor hinzugenommen, weil er das Reaktionsgefäß zur Verfügung gestellt hatte. Wrubel arbeitet heute nicht mehr in der Forschung.
Für jedes Contra ein Pro
Den mittlerweile emeritierten Leiter des Bochumer Instituts Hans-Joachim Kunze haben die Behauptungen von Mills bis heute nicht losgelassen. „Was in der Physik seit 100 Jahren Standard ist, gilt bei Mills überhaupt nicht.“ Letztes Jahr veröffentlichte er einen Kurzkommentar zu angeblichen Hydrino-Messungen. Das verwendete Messgerät sei im verwendeten Messbereich nicht sensitiv genug gewesen. Mills Hydrino-Spuren müssten also Artefakte sein. Befürworter erwidern jedoch, die fehlende Sensitivität werde durch die Stärke des Signals ausgeglichen.
Auch unter Theoretikern ist eine angeregte Debatte aufgeflammt. Der ESA-Wissenschaftler Andreas Rathke hält Mills Rechenfehler vor. Bei neuen Theorien sei das jedoch meistens so, erwidert der belgische Physikprofessor Jan Naudts, der Argumente gefunden hat, die zu einer Hintertür für Hydrinos in der etablierten Quantentheorie führen könnten.
Und so findet sich für jeden Kritiker, der das bestehende Paradigma hochhält, auch einer, der Mills zur Seite kommt. Naudts Kollege Norman Dombey meint, die Hintertür wäre „nichtphysikalisch“, während der Physiker Ronald Bourgoin sagt, sie führe womöglich genau zu den von Mills angeführten 137 Hydrino-Zuständen. Mills Erwiderung auf Rathke zählt 165 Seiten.
Noch lassen sich Viele aus theoretischen Erwägungen davon abhalten, die Aussagen von BlackLight Power ernstzunehmen. Sollte das US-Unternehmen aber tatsächlich eine Technologie entwickelt haben, mit der Wasser letzten Endes zu einem Treibstoff würde, wäre die Theorie zweitrangig.
Viele Blicke richten sich nun auf die Arbeit des niederländischen Physikprofessors Kroesen. „Vollkommen unabhängige“ Experimente haben gerade begonnen, und er möchte nichts veröffentlichen, was nicht absolut gesichert ist. „Von einem Wissenschaftler wird immer erwartet, dass er sorgfältig und sauber arbeitet. Aber bei diesem Thema ist es sogar noch notwendiger.“ Doch auch diese Forschung läuft langsam, ohne ein eigenes Budget, mit Studenten und hier und dort geliehenem Equipment. „Manche Kollegen glauben, das sei alles Quatsch. Aber manche mögen es, auch wenn sie es nicht zugeben“, sagt Kroesen. Kunze jedenfalls begrüßt, dass Kroesen sich der Sache angenommen hat. „Er ist ein guter Physiker. Was er herausbekommt, wird stimmen.“
Mike Carrell hat zu diesem Bericht beigetragen.