EU: Anbau von Genmais entzweit Mitgliedsstaaten
Neuer Anlauf zur Genehmigung des Anbaus weiterer transgener Maissorten vorerst gescheitert
Am 27.1.2017 stimmten die EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen einer Zusammenkunft des Ständigen Ausschusses für Tiere, Pflanzen, Lebensmittel und Futtermittel über den Anbau neuer genetisch veränderter (GV) Nutzpflanzen in Europa ab. Es ging dabei um die ersten Anbaugenehmigungen seit 1998, wenn von Ausnahmen wie der Anbauzulassung für die Amflora-Kartoffel der BASF Plant Science im Jahre 2010 abgesehen wird.
Die Kartoffel sollte als nachwachsender Rohstoff für die Stärkeproduktion etabliert werden. Zu diesem Zwecke wurde die Produktion von Amylose in der Kartoffel abgeschaltet, die manipulierten Erdäpfel produzierten von nun an nur noch das in einigen Industriezweigen gefragtere Amylopektin. Doch das Gericht der Europäischen Union zog die Zulassung 2013 zurück.
Im Mittelpunkt stand der Anbau von Syngentas Bt11 und DuPont Pioneers 1507. Beide Maissorten sind für Import und Weiterverarbeitung in der EU bereits zugelassen. Außerdem stand die Wiederzulassung von Monsantos MON810 auf dem Programm. Diese Sorte wird bisher vor allem in Spanien angebaut. In den Sorten Bt 11 und Bt 1507 sind die Toleranz gegenüber dem Herbizid Glufosinat und die Resistenz gegenüber Schmetterlingen und Motten (Maiszünsler inbegriffen) kombiniert. Bei MON810 wird die eingebaute Schmetterlings-Resistenz vermarktet.
Transgene Nutzpflanzen, die während der gesamten Vegetationsperiode ihre eigenen insektiziden Gifte mit Hilfe von übertragenen Genen aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt) produzieren, sind seit ihrer kommerziellen Einführung 1996 ein wichtiges Instrument zur Insektenbekämpfung in der Landwirtschaft, vor allem in den USA. 2015 machten Bt-Kulturen dort 81% der 35.6 Millionen angebauten Hektar Mais und 84% der 3.6 Millionen Hektar der angepflanzten Baumwolle aus. Zum Vergleich: 2015 wurden in der Europäischen Union 116.870 Hektar Bt-Mais angebaut, mit rückläufiger Tendenz. Hauptanbauland ist mit 92% Spanien, daneben wird transgener Mais auch auf Feldern in Portugal, in der Tschechischen Republik, in der Slowakischen Republik und in Rumänien kultiviert.
Mit dem weit verbreiteten Einsatz von Bt-Pflanzen gilt eine mögliche Insektenresistenz als größte Bedrohung für ihren nachhaltigen Anbau. Feldversuche zeigten erst jüngst eine signifikant höhere Anfälligkeit und reduzierte Kontrollwirksamkeit solcher Maissorten gegenüber dem Baumwollkapselbohrer, einem bedeutenden Maisschädling.
Erst im Sommer 2016 hatte die EU-Kommission Import und Verwendung von Monsantos Roundup Ready 2 Xtend-Sojabohnen in Lebens- und Futtermitteln zugelassen, ebenso die gleichfalls genetisch veränderte Sojasorte MON 87705 x MON 89788 sowie FG72, eine Sojasorte von Bayer Cropscience.
2012 importierte die EU bereits 30 Millionen Tonnen genetisch veränderte Feldfrüchte für die Verwendung als Tierfutter. In der EU sind gegenwärtig 55 GV-Pflanzen zugelassen: zehn GV-Baumwollsorten, 25 GV-Maissorten, vier GV-Rapssorten, 15 GV-Sojabohnensorten und eine GV-Zuckerrübensorte.
Der Photosynthesehemmer Glufosinat ist ein natürlich vorkommendes, systemisch wirkendes Breitbandherbizid. Außer Mais wurden bisher auch Raps, Baumwolle und Sojabohnen durch gentechnische Veränderungen mit einer Toleranz gegenüber Glufosinat ausgestattet. Es wird zur Unkrautkontrolle versprüht oder zur Abreifebeschleunigung eingesetzt.
Das Herbizid gilt als persistent in der Umwelt. Es wurde beispielsweise in Pflanzen festgestellt, die 120 Tage nach einer Anwendung des Herbizids gepflanzt wurden. Je nach Bodeneigenschaften und organischem Stoffgehalt kann seine Halbwertzeit im Boden zwischen 3 bis 70 Tagen schwanken. Rückstände in gefrorenen Lebensmitteln können bis zu zwei Jahren verbleiben. Bild: Bernd Schröder
EFSA ist für Zulassung und spielt Risiken herunter
Die Europäische Kommission hatte den Sachverständigen der Mitgliedstaaten im Vorfeld drei Verordnungsentwürfe vorgelegt, die auf die Anbaugenehmigung der gentechnisch veränderten Maissorten bzw. deren Erneuerung abzielten.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist für die Bewertung der gesundheitlichen und umweltrelevanten Auswirkungen von neuen gentechnisch veränderten Pflanzen zuständig. Sie hat der Zulassung der beiden neuen GV-Maissorten trotz erheblicher Datenlücken zugestimmt. Über die Genehmigung ist die EFSA ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, in deren Augen die damit verbundenen Gefahren nicht sachgemäß eingeschätzt wurden, außerdem weigere sich die Behörde, neue Indizien von Risiken für die Biosicherheit zur Kenntnis zu nehmen.
Tierversuche deuten an, dass insbesondere Bt-Mais-Kulturen ein erhöhtes Risiko für die Auslösung von Immunsystemproblemen und Allergien darstellten. Und 2014 hatte eine Forschungsgruppe empirische Daten über die Verbreitung von Maispollen auf 215 Standorten über einen Zeitraum von 10 Jahren veröffentlicht - bis dato die umfangreichste jemals zum Thema durchgeführte Studie. Sie kam zum Schluss, dass sich die Maispollen über mehrere Kilometer verbreiten können.
Die Mitgliedsstaaten definieren ihre Abstands-Regeln gemäß EU-Gentechnikrecht zwar selber. So sollen in Deutschland mindestens 150 Meter zwischen einem konventionell bewirtschafteten und einem GV-Maisfeld liegen, bei ökologisch bewirtschafteten Feldern 300 Meter. Einzelne Bundesländer können darüber hinaus Mindestabstände zu Naturschutzgebieten festlegen. Bulgarien bevorzugt einen Abstand von zehn Kilometern zu Bienenstöcken und sieben Kilometern zu Biobauernhöfen. Doch bei der EFSA werden Pufferabstände zwischen angebautem Bt-Mais und den geschützten Lebensräumen extrem sensibler Schmetterlingsarten von bis zu 30 Metern als ausreichend angenommen. Auch in anderen Fällen spielt die EFSA evidenzbasierte Erkenntnisse herunter, die ihre bisherigen Einschätzungen in Frage stellen könnten.
Kritiker sehen genügend Gründe, um den Anbau genetisch modifizierter Pflanzen in der EU nicht zuzulassen. Biotechnologien ermöglichten so die Privatisierung von Saatgut und von Nahrungsmitteln durch die Agrarindustrie. Außerdem steigere der Anbau genmanipulierter Pflanzen die aufgewendeten Mengen von Pestiziden und bedrohe durch Genkontamination agrarökologische Systeme, wie etwa die biologische Landwirtschaft. Des Weiteren böten GV-Pflanzen keine Vorteile in Bezug auf Preis oder Qualität. Die meisten Biotech-Unternehmen hätten ihre Anträge für die Anpflanzung von GV-Pflanzen in der EU vor einigen Jahren zurückgezogen. Immer mehr europäische Landwirte hätten das Interesse am Anbau von gentechnisch verändertem Mais verloren, da sich GV-Mais in Europa nur als Tierfutter verwenden ließe.
Geplante Anbauzulassungen treffen auf Widerstand
Die beiden GV-Maissorten Bt11 und 1507 führten seit dem Erstantrag auf eine Anbaugenehmigung im Jahre 2006 zu Kontroversen zwischen EU-Mitgliedsstaaten. Im Jahr 2009 schlug die zuständige EU-Kommissarin vor, diese Maistypen zurückzuziehen, bekam dafür jedoch keine Mehrheit.
Die EU-Kommission versuchte im Februar 2014 erneut, 1507-Mais zu genehmigen. Neunzehn Regierungen lehnten ab, nur fünf unterstützten die Entscheidung, während die anderen sich der Stimme enthielten. Darüber hinaus forderte das Europäische Parlament seine Ablehnung. Doch der Ministerrat konnte trotz dieser klaren Mehrheit keine nötige qualifizierte Mehrheit erreichen, um die Anbauzulassung zu verweigern.
Seitdem hat sich die EU auf eine Ausstiegsklausel geeinigt, der den Regierungen neue Instrumente gibt, um den Anbau von GV-Pflanzen auf ihren Territorien zu verbieten. Daraufhin verboten im Herbst 2015 17 EU-Staaten und vier Regionen in zwei weiteren Staaten den Anbau verschiedener GV-Maissorten.
Das Europäische Parlament hatte bereits im Oktober 2016 gegen die drei vorliegenden Zulassungsvorschläge Einspruch erhoben. Die Verordnungsentwürfe wurden im Dezember 2016 von den Sachverständigen der Mitgliedstaaten erörtert und sollten nun am vergangenen Freitag angenommen werden.
Das Abstimmverhalten zeigt eine gespaltene Europäische Union: Dreizehn EU-Mitgliedsstaaten stimmten für die Ablehnung der neuen GV-Kulturen, während acht dafür waren. Zwölf stimmten für einen Anbaustopp von MON810 auf den EU-Feldern, zehn Länder beharren darauf. Trotz der überwiegenden Ablehnung neuer Kulturen kam es zu keiner qualifizierten Mehrheit. Nun liegt es an der Europäischen Kommission zu entscheiden, welche nächsten Schritte folgen. Deutschland enthielt sich in allen Fällen der Stimme.