EU-Berichte zur Rechtsstaatlichkeit: Unvergleichlich mangelhaft

Ungarns Justizministerin Judit Varga (Fidesz) kritisiert fehlende Vergleichskriterien in den EU-Berichten zur Rechtsstaatlichkeit. Archivbild: kormany.hu

Der Bericht der EU-Kommission zum Stand der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten enthält bei Polen und Ungarn nicht viel Freundliches. Viel erstaunlicher ist, wie positiv der Bericht etwa über Deutschland ausfällt. Das bestätigt die Kritiker, die den Bericht insgesamt für untauglich halten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Sie wolle Polen und Ungarn wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit "aushungern", sagte die ehemalige Bundesministerin der Justiz und heutige Europa-Abgeordnete Katarina Barley (SPD) dem Deutschlandfunk. Ihr Parteifreund Michael Roth, Europastaatsminister im Auswärtigen Amt, hatte bereits Wochen vorher mit einem Interview unter der Überschrift "So soll es Polen und Ungarn an den Kragen gehen", für einen diplomatischen Eklat mit Budapest gesorgt, der in der Einbestellung des deutschen Botschafters gipfelte.

Während die Protagonisten des so genannten Rechtsstaatlichkeitsmechanismus zu einer immer martialischeren Sprache gegenüber den vermeintlichen Sündenböcken greifen, üben sich dessen Kritiker in eher sachlicher Kritik an den Berichten und dem Mechanismus. Allen voran die ungarische Justizministerin Judith Varga, die wie ihr Ministerpräsident Viktor Orbán (beide Fidesz) vor allem kritisieren, dass es der EU an konkreten Kriterien fehle, anhand derer man die Rechtsstaatlichkeit messen wolle. Konzeption und Methodik des Kommissionsberichts seien fehlerhaft, die Auswahl der Quellen intransparent und voreingenommen. Der Bericht werde von keinen objektiven Referenzwerten bestimmt, die auf alle Mitgliedsstaaten gleichermaßen angewendet werden könnten, kritisierte Varga den Bericht laut Budapester Zeitung vom vergangenen Donnerstag. Ministerpräsident Orbán kündigte noch am selben Tag an, sein Land werde notfalls aus dem kürzlich beschlossenen Wiederaufbaufonds der EU aussteigen, wenn es bei diesem Rechtsstaatlichkeitsmechanismus bleiben sollte.

Mängel im Bericht über Deutschland

Dass an der Kritik der Ungarn an diesen Berichten (Übersicht hier) etwas dran ist, zeigt weniger ein Blick auf die Berichte der im Fokus des Rechtsstaatlichkeitsverfahrens stehenden Länder. Sehr viel deutlicher offenbart der Bericht über Deutschland die erheblichen Schwächen des Verfahrens, die Varga wie eingangs erwähnt zu Recht kritisiert.

So fällt für Kenner der deutschen Justiz sofort auf, dass ein wunder Punkt überhaupt nicht gewürdigt wird: die extrem langen Verfahrensdauern besonders in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. In diesem Zweig steht regelmäßig der Bürger einer Behörde gegenüber, mit deren Entscheidung er nicht einverstanden ist. Baugenehmigung oder Führerschein, Informationszugang oder Auskunftsrecht der Presse, das alles muss im Zweifel vor den Verwaltungsgerichten erstritten werden.

Die Verfahren in der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind in Deutschland extrem lang, Tendenz weiter steigend

Unter einem Jahr kommt man an keinem Gericht in der ersten Instanz zu einem Ende. Das ist aber nur ein Durchschnittswert in denen alle Arten der möglichen Beendigung eines Verfahrens einfließen. Manche erledigen sich einfach, weil der Kläger aufgibt. Oder sie werden per Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entschieden, deren Durchführung eigentlich ein Grundrecht aus der Europäischen Menschenrechtscharta (EMRK) ist. Wer darauf besteht und seine Sache durch ein Urteil entschieden wissen will, darf vor allem an großen Verwaltungsgerichten gern zwei Jahre warten oder mehr.

Bis vor wenigen Jahren gab es gar keine Möglichkeit für Betroffene, sich gegen eine Verschleppung ihrer Sachen durch die Justiz zur Wehr zu setzen. In insgesamt 24 Fällen wurde die Bundesrepublik Deutschland wegen überlanger Gerichtsverfahren vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bis zum Jahr 2008 verurteilt. Erst dann wurde das Rechtsmittel der Rüge der Verfahrensdauer eingeführt. In der Praxis erweist sich das mit hohen Hürden versehene Verfahren aber eher als zahnloser Tiger. Es hat jedenfalls nicht zu einer wesentlichen Verkürzung der allgemein hohen Verfahrensdauern der Verwaltungsgerichte geführt.

Die EU-Kommission schreibt in ihrem Bericht zu diesem Thema: "Die Verwaltungsgerichte arbeiten weitgehend effizient, insbesondere in der dritten Instanz, wo die für die Entscheidung der Fälle benötigte Zeit erheblich geringer ist als in den Vorinstanzen. Bei den Verwaltungsgerichten ist jedoch die Zahl der eingehenden Fälle vergleichsweise hoch‚ was sich auch in einer vergleichsweise hohen Zahl anhängiger Verfahren widerspiegelt."

Als Quelle wird das so genannte Justizbarometer genannt, eine statistische Übersicht, die die Kommission regelmäßig, zuletzt im Frühjahr 2020, herausgibt. Dort fehlen aber wichtige Zahlen ausgerechnet zu Deutschland. Was die Kommission dabei verschweigt, ist die tatsächliche Dauer. Verfahren in der dritten Instanz, also am Bundesverwaltungsgericht, kommen demnach knapp unter einem Jahr zu Abschluss. Das ist sehr viel kürzer als in der ersten Instanz, aber auch nicht kürzer als zum Beispiel in Polen oder Ungarn. Dort sind die Verfahren in der ersten Instanz aber sehr viel kürzer, werden im Schnitt schon nach einem halben Jahr abgeschlossen. Nur schnelles Recht ist gutes Recht, sagt man in Justizkreisen.

Belastung wurde durch die Flüchtlingskrise 2015 verschärft

Verschärft wurde die Belastung durch eine Weisung des Bundesministeriums des Inneren an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Syrern in aller Regel nur noch subsidiären Schutz anstelle einer Anerkennung als Flüchtling zu gewähren. Zuvor hatte man den Familiennachzug zu den subsidiär Schutzberechtigten aus dem Gesetz gestrichen, die Zustimmung der SPD hatte die Union mit dem Argument ergattert, Syrer seien davon ja nicht betroffen.

In der Folge gingen die nahezu ausnahmslos mit so genannten Upgrade-Klagen vor die Verwaltungsgerichte, mit Erfolgsquoten von über 50 Prozent. Das ist ganz erheblich, denn im Schnitt haben nur etwa 20 Prozent der Klagen vor den Verwaltungsgerichten Erfolg. Schon eine geringfügig höhere Erfolgsquote rechtfertigt den Schluss, dass Verwaltungsentscheidungen systematische Mängel aufweisen. Die Schwemme der Asyl- und Upgrade-Klagen seit 2015 haben die Verwaltungsgerichte faktisch lahm gelegt. Politik und Verwaltung haben kein Interesse, ausgerechneten jenen Zweig der Justiz zu stärken, der ihnen selbst auf die Finger schauen soll. Zuletzt klagte gar der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts über eine erhebliche Überlastung seines Gerichts. Von alledem findet sich in dem Bericht der Kommission kein Wort.

Erosion der richterlichen Unabhängigkeit

Angriffe auf die Unabhängigkeit der Richter, die es in den letzten Jahren in Deutschland seitens der Politik durchaus gegeben hat, spart der Kommissionsbericht ebenfalls vollständig aus. Zu nennen wäre etwa die Abordnung von Verwaltungsbeamten als Richter an die Verwaltungsgerichte zur Linderung der dortigen Personalnot. Kritik daran wurde unter anderem vom Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts geäußert, das Bundesverfassungsgericht hat den Beamten-Einsatz allerdings als verfassungsgemäß bestätigt und die Kritiker aus der Justiz damit zum Schweigen gebracht.

Ebenso unbemerkt von Öffentlichkeit und auch von den Beobachtern aus Brüssel vollzieht sich jedoch eine viel subtilere Unterwanderung der richterlichen Unabhängigkeit in Deutschland: das Abschmelzen ihrer Besoldungen. Seit der Verfassungsreform von 2002 ist sie nicht mehr an die Besoldung der Bundesbeamten gekoppelt, sondern den Ländern überlassen. Und einige davon haben aufgrund ihrer klammen Kassen besonders drastischen Gebrauch von der neunen Sparmöglichkeit gemacht. Allen voran Nordrhein-Westfalen und Berlin.

Dabei hatte kein geringeres als das Bundesverfassungsgericht erst im Mai verkündet, dass die "Richterbesoldung im Land Berlin in den Jahren 2009 bis 2015 in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen" sei. Dabei markiert das Jahr 2015 nicht etwa das Ende des verfassungswidrigen Zustands, sondern lediglich den Beginn des Verfahrens, das also 5 Jahre gedauert hat. Über die Jahre 2016 bis heute hatte das BVerfG folglich nichts zu befinden. Nennenswerte Korrekturen hat es im rot-rot-grün regierten und notorisch klammen Berlin auch in den letzten Jahren nicht gegeben.

Der anhaltende Geiz der Exekutive bei der Richterbesoldung wirkt sich freilich auf die Qualität der Justiz aus. So hatte etwa Berlin aufgrund von erheblichen Problemen bei der Gewinnung von Nachwuchs die Einstellungskriterien für den Justizdienst senken müssen, was das Bundesverfassungsgericht in besagter Entscheidung ebenso kritisiert hatte, wie vor ihm das Bundesverwaltungsgericht in ähnlichen Verfahren Berliner Richter.

Eine zu geringe Besoldung erhöht nicht nur die Korruptionsanfälligkeit, die in Deutschland ohnehin recht gering ist. Sie untergräbt die Unabhängigkeit gerade jener Richterinnen und Richter, deren Entscheidungen erhebliche Auswirkungen auf die Kassenlage eines Bundeslands haben können. Vor der Reform konnten Verwaltungsrichter ganz gelassen auf Hinweise der Verwaltung reagieren, man habe zur Umsetzung einer bestimmten Entscheidung kein Geld. "Wenn ich mein Urteil gesprochen habe, dann werden Sie das Geld haben", lautete die Antwort selbstbewusster Verwaltungsrichter noch in den 1990er Jahren.

Wenn man die unterwürfigen Briefe liest, die etwa der Verein der Berliner Verwaltungsrichterinnen und -richter e.V. an den Justizsenator der Bundeshauptstadt zum Thema Besoldung und die kaltschnäuzigen Antworten liest, darf man zweifeln, ob es mit dieser Unabhängigkeit noch weit her ist. Und ausgerechnet diese notorisch unteralimentierte Richterschaft ist aufgrund des Regierungssitzes zuständig für die meisten Bundesministerien, die Bundestagsverwaltung und das Bundeskanzleramt.

Entsprechend knausrig zeigt man sich dort auch bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe, die ja zu Lasten der Landeskasse geht. So musste erst das Bundesverfassungsgericht den Berliner Verwaltungsrichtern ins Stammbuch schreiben, dass rechtliche Fragen zum Beispiel der Online-Petition des Bundestages durchaus grundsätzlicher Art sind und nicht mal soeben in einem Prozesskostenhilfeverfahren ad acta gelegt werden können. Das Verwaltungsgericht selbst hatte sogar die Klagen seiner Richterkollegen aus den Zivilgerichten wegen ihrer Besoldung durchweg abgewiesen, die Karlsruhe zuletzt wie erwähnt als verfassungswidrig beurteilt hat.

Bei der Digitalisierung der Justiz hinten dran

Ein ebensolches Trauerspiel bietet die deutsche Justiz in Sachen Digitalisierung und auch hierin bildet die der Bundeshauptstadt das traurige Schlusslicht. Die IT des vor einem Jahr von einem Emotet-Angriff lahngelegten Kammergerichts (entspricht Oberlandesgericht) ist noch immer nicht vollständig wiederhergestellt. Die Gerichte sind noch immer nicht in der Lage, auf elektronischem Wege mit den Verfahrensbeteiligten zu kommunizieren. Elektronisch eingehende Schriftsätze werden drei Jahre nach Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs in den Verfahrensordnungen zu Beginn des Jahres 2018 noch immer ausgedruckt. Und zwar in mehreren Ausfertigungen, eine für das Gericht und weitere, die man den anderen Beteiligten zustellt. Per Schneckenpost versteht sich.

Dabei müssen Behörden, Rechtsanwälte und Notare ebenfalls seit 2018 über elektronische Posteingänge verfügen, an die man elektronische eingehende gegnerische Schriftsätze einfach weiterleiten könnte. Kaum ein Gericht in der Republik ist dazu in der Lage, schon gar nicht jene in der Bundeshauptstadt. Sein altehrwürdiges Verfassungsgericht hat der deutsche Gesetzgeber gleich ganz vom elektronischen Rechtsverkehr ausgenommen.

Wo man etwa Ungarn für seinen hohen Digitalisierungsgrad in der Justiz lobt, heiß es zu Deutschland beschönigend: "Die Digitalisierung der Gerichte schreitet voran, bleibt aber eine längerfristige Herausforderung." Am 1. Januar 2018 trat das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs in Kraft. Es verpflichtet Gerichte und Staatsanwaltschaften, die Gerichtsakten spätestens ab dem 1. Januar2026 elektronisch zu führen. Dass derzeit Akten aus USB-Sticks und privaten Laptops der Richterschaft herumgeschleppt werden, was im Hinblick auf den Datenschutz und die Sicherheit der IT-Infrastrukturen immerhin bedenklich scheint, dazu steht in dem Bericht nichts.

Veröffentlichungspraxis lückenhaft

Was die Maschinenlesbarkeit der Gerichtsentscheidungen anbelangt, so übersieht der Bericht, dass es in Deutschland bis heute keinen konsequente und einheitliche Veröffentlichungspraxis der Rechtsprechung im Internet gibt und auch in absehbarere Zeit nicht kommen wird. Wie in Zeiten, als die Veröffentlichung in (gedruckten) Entscheidungssammlungen und deren thematische Auswahl und Zusammenstellung noch erhebliche Ressourcen erforderte, wählen die Richterinnen und Richter noch heute an vielen Gerichten ihre Entscheidungen zur Veröffentlichung selbst aus. Diese erfolgt zum Teil nur in kostenpflichtigen Datenbanken wie Juris.

Angeblich wäre die Entscheidung über die Veröffentlichung der eigenen Entscheidung Teil der richterlichen Unabhängigkeit, heißt es dazu etwa aus dem VG Berlin. Dafür spricht nichts, denn jeder Richter muss seine Entscheidungen bekannt geben und zum großen Teil sogar öffentlich, dazu zwingen ihn die Gesetze, die Verfahrensordnungen, an die er trotz aller Unabhängigkeit recht strikt gebunden ist.

Die Frage, welche Entscheidungen sie veröffentlichen will, ist eigentlich eine schlichte Verwaltungshandlung der Gerichtsverwaltungen. In vielen anderen Ländern innerhalb und außerhalb der EU beantwortet man sie schlicht mit "alle" und stellt alle Gerichtsentscheidungen automatisch in eine frei zugängliche Datenbank, wo sie über entsprechende Suchfunktionen systematisch auffindbar sind. Das sorgt für mehr Transparenz und Gleichberechtigung unter den Beteiligten. Denn alle Entscheidungen zu einem bestimmten Thema kennt mitunter in Deutschland nur die Behörde und das jeweilige Gericht. So verhält es sich etwa mit den Entscheidungen im Visumsrecht des Verwaltungsgerichts Berlin, die dem Auswärtigen Amt - und nur ihm - vollständig bekannt sind.

Eine systematische Analyse anhand einer Verfahrensstatistik des Amtes hat zudem gezeigt, dass die Richterschaft dazu tendiert, einseitig nur solche Entscheidungen in die Berliner Datenbank zu geben, die dem Amt Recht geben. Urteile, die zu Gunsten der Kläger ausgingen, fehlten hingegen überproportional häufig in der Datenbank.

Angesichts der notorischen Überlastung der Verwaltungsrichter kann es jedoch ein unschätzbarer Vorteil sein, den Richter in einem Verfahren auf ein bereits kürzlich ergangenes Urteil eines Kollegen hinzuweisen, welches er im Grunde nur zu kopieren braucht. Die Neigung solch unter permanenter Überlastung leidender Gerichte wie dem VG Berlin, auch Sachen grundsätzlicher Art durch Einzelrichter anstelle einer ganzen Kammer aus drei Berufs- und zwei Laienrichtern zu entscheiden, begünstigt diese zweifelhafte Art der Rechtsprechung am Fließband zusätzlich.

Unklare Quellenlage

Von alledem findet sich in dem Bericht der Kommission in Punkto Qualität überraschender weise absolut nichts. Und so ließen sich noch viele weitere Details und Beispiele für seine Unzulänglichkeit zur Beurteilung und vor allem für Vergleiche der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU anführen.

Ein weiterer Kritikpunkt, der unter anderem von Ungarns Justizministerin Varga angeführt wird, ist seine unklare Quellenlage. Ein Blick in den Bericht für Deutschland bestätigt dies. So wird als Quelle für den Stand der Digitalisierung in Deutschland nur genannt: "Informationen, die im Rahmen des Länderbesuchs und des Konsultationsprozesses für den Bericht eingegangen sind, z.B. schriftliche Beiträge des Deutschen Anwaltvereins." Die Anwaltschaft hatte sich mit ihrer Pannenserie beim "besonderen elektronischen Anwaltspostfach" in Sachen Digitalisierung ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert und dürfte sich mit Kritik an den Gerichten deshalb auch eher zurück gehalten haben. Genaues weiß man darüber jedenfalls nicht, da die Quellen nicht konkret genannt und auch nicht veröffentlicht wurden.

Welche Quellen das genau sind, weist der Bericht nicht aus. So können etwa ungarische Politiker wie Varga behaupten, der ungarische Abschnitt des Berichts sei in Wahrheit von 12 Zivilorganisationen verfasst, worden, die eine abgestimmte politische Kampagne gegen Ungarn führten. Elf von ihnen würden finanzielle Unterstützung von den Open Society-Stiftungen von George Soros erhalten.

Inwieweit das stimmt, lässt sich nur schwer überprüfen. Auffällig ist, dass der Bericht kaum konkrete Quellen nennt, mit Ausnahme des Justizbarometers, die von der Kommission selbst auf Basis der von den Mitgliedsstaaten überlieferten Zahlen erstellte Statistik. Woher die qualitativen Einschätzungen und - wie am Beispiel Digitalisierung zu sehen ist - Beschönigungen im Falle Deutschlands stammen, bleibt an vielen Stellen unklar.

Wie auch immer man den Zustand der Rechtsstaatlichkeit, der Medienlandschaft oder der Demokratie insgesamt in den einzelnen Mitgliedsstaaten beurteilen mag, eines ist sicher: Solche Berichte wie die der Kommission sind kaum geeignet, um den Ausschluss von vertraglich vereinbarten Strukturhilfen oder gar den Entzug von Stimmrechten zu rechtfertigen, schon weil es ihnen an messbaren Kriterien und mithin an Vergleichbarkeit mangelt.