EU-Kommission: Wer kriegt was und für wen?
Italien hat angeblich das Wettbewerbsressort erhandelt und Frankreich könnte einen Ex-Grünen zum Klimakommissar machen
Voraussichtlich am 16. Juli wird das Europaparlament über Ursula von der Leyen als neue Chefin der EU-Kommission abstimmen. Damit sie dort auch sicher eine Mehrheit bekommt, wenn nicht alle Sozialdemokraten für sie stimmen, hat der scheidende EU-Ratspräsident Donald Tusk angeregt, dass in ihrem neuen Team auch ein Grüner vertreten ist. Das könnte Medienspekulationen nach der belgische Europaabgeordnete Philippe Lamberts werden. Nur ein ehemaliger Grüner ist dagegen der Franzose Pascal Canfin, der auf Emmanuel Macrons Rennaissance-Plattform ins Europaparlament gewählt wurde. Er wird als möglicher Klimakommissar gehandelt.
Zuständig dafür, ob eine Person tatsächlich nominiert wird, sind aber die Staatsführungen der einzelnen Mitgliedsländer. Dabei kann jede Staatsführung einen Kommissar nominieren. Da Großbritannien zum 31. Oktober voraussichtlich ausscheidet und Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidenten bereits den deutschen Platz einnimmt, sind das 26 Posten.
Von der Leyen könnte Nominierte zurückweisen
Den Informationen des Portals Euractiv nach haben sich bei den Verhandlungen des EU-Rats über den neuen Kommissionspräsidenten mehrere Staats- oder Regierungschefs bestimmte Ressorts zusichern lassen, bevor sie ihr licet für Ursula von der Leyen abgaben. Einer davon dürfte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte gewesen sein, der kurz darauf verlautbarte, das Wettbewerbskommissariat werde zukünftig italienisch geführt. Bekommt Italien diesen Posten, müsste von der Leyen für die bereits erneut von Dänemark nominierte bisherige Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager ein neues Ressort suchen.
Zur Person, die als italienischer Wettbewerbskommissar infrage kommt, meinte Conte, er erwarte, dass die Lega darüber bestimmt, nachdem sie bei den EU-Parlamentswahlen mit Abstand stärkste italienische Kraft wurde. Wählt sie einen Vertreter aus, der von der Leyen nicht passt, kann diese ihn ablehnen. Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machte das nach eigenen Angaben 2014 mit sechs Kandidaten, wie er fünf Jahre später in einem Interview mit der polnischen Rzeczpospolita offenbarte. Aus welchen Ländern diese Kandidaten kamen, wollte Juncker nicht sagen. Polen und Ungarn seien aber nicht darunter gewesen.
Taktisches Lob von Kurz?
Einige Regierungschefs haben bereits offen gesagt, welche Ressorts sie gerne in der neuen EU-Kommission hätten. Für den slowenischen Ministerpräsidenten Marjan Šarec ist das die EU-Erweiterung. In der stehen als nächstes die Westbalkanstaaten an, die (bis auf Albanien) früher Teile Jugoslawiens waren. Ebenso wie Slowenien, weshalb Šarec meinte, man sei mit der Situation dort vertraut und könne deshalb mehr beitragen als andere Länder.
Bislang heißt der Erweiterungskommissar Johannes Hahn und ist Österreicher. Wäre die Regierung Kurz nicht an der Ibiza-Affäre zerbrochen, stünde möglicherweise schon fest, dass statt ihn die enge Ex-Kanzler-Vertraute Karoline Edtstadler nach Brüssel geschickt wird. Nun ist die FPÖ, die vorher mit Kurz koalierte, das Zünglein an der Waage und könnte stattdessen einen SPÖ-Kandidaten wie den ehemaligen Eurogruppenleiter Thomas Wieser oder den Fernostdiplomaten Dietmar Schweisgut unterstützen. Denn nominiert wird der österreichische Kandidat zwar von der parteilosen Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein - aber nicht ohne vorherige Mehrheit im Hauptausschuss des Nationalrats.
Darauf, dass Sebastian Kurz auch ohne aktuelles Amt noch in der Lage sein könnte, Strippen zu ziehen, wies er indirekt heute früh hin, als er von der Leyen in Berlin besuchte. Vorher verkündete er, die deutsche Verteidigungsministerin werde ihre neue Aufgabe "ausgezeichnet erfüllen". Ob er mit der Politikerin aus der Albrecht-Dynastie, die von der Sun als "ultra-federalist who wants 'United States of Europe'" und vom Express als "German EU superstate fanatic" charakterisiert wird, seine Vorstellungen von mehr Subsidiarität verwirklichen kann, ist aber - vorsichtig formuliert - fraglich (vgl. EU-Reform: Juncker vs. Kurz).
In Kroatien, das ebenso wie Slowenien ein Teil Jugoslawiens war, hat man bislang noch keine offizielle Präferenz geäußert. Inoffiziell soll der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković auf das für die Mittelzuteilung nicht uninteressante Kommissariat für Regionalpolitik schielen, auf dem bislang die Rumänin Corina Crețu sitzt. Den tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš interessieren zwei andere Ressorts: das Handelskommissariat und das für den Binnenmarkt. Handelskommissarin ist bislang die Schwedin Cecilia Malmström, Binnenmarktkommissarin die Polin Elżbieta Bieńkowska.
Manche Regierungschefs waren so zufrieden mit Person und Ressort, dass sie nichts daran ändern wollen. Das gilt zum Beispiel für den bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow und die bulgarische Digitalkommissarin Marija Gabriel, die in ihrem Amt tatsächlich eine etwas bessere Figur machte als ihr Vorgänger Günther Oettinger.
Während Borissow und Gabriel zur selben EVP-Gliederung GERB gehören, stammen der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und der griechische Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos aus verschiedenen Gruppierungen. Tsipras Syriza gehört im Europaparlament zur Linksfraktion, Avramopoulos Nea Dimokratia zu den Christdemokraten. Trotzdem soll Tsipras den Informationen von Euractiv nach darauf gedrängt haben, dass Avramopoulos Migrationskommissar bleibt, weil er angeblich nicht möchte, dass die Nea Dimokratia nach einem Wahlsieg am Sonntag den ehemaligen griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras als Energiekommissar nach Brüssel schickt.
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