EU-Kommission gibt Pläne für Sanktionen gegen russischen Nuklearsektor auf
Im neuen Sanktionspaket wird der russische Staatskonzern Rosatom vermutlich nicht enthalten sein. Ungarn und Frankreich opponierten gegen die Pläne. Das sind die Gründe.
Die Staaten der Europäischen Union arbeiten an einem neuen Paket von Sanktionen gegen Russland. Ein Ergebnis steht offenbar bereits fest: Gegen den russischen Nuklearsektor und seine Vertreter wird nicht vorgegangen. Entsprechende Pläne habe die Europäische Kommission aufgegeben, berichtete Politico am Donnerstag.
Ursprünglich hatte die EU-Kommission mitgeteilt, dass man versuchen würde, Sanktionen gegen den zivilen Nuklearsektor Russlands auszuarbeiten. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte kürzlich, dass die Europäer entschlossen gegen den russischen Atomsektor vorgehen, insbesondere gegen den staatlichen Konzern Rosatom.
Dass diese Forderung auf Widerstand stoßen würde, war vorherzusehen. Rosatom ist für die europäische Energieversorgung zu wichtig, als dass man einfach Sanktionen verhängen könnte, ohne selbst massiv Schaden zu nehmen.
Ungarn stellte sich offen gegen diese Pläne. Premierminister Viktor Orban hatte Ende Januar damit gedroht, dass man keinem Sanktionspaket zustimmen werde, welches Rosatom beinhalte. Der russische Staatskonzern baut derzeit in Ungarn an einer Erweiterung des Atomkraftwerks Paks.
Politico berichtet nun, dass es Überlegungen gab, wie das ungarische Veto ausgehebelt werden könnte. Demnach wurde innerhalb der EU erwogen, lediglich einzelne Mitarbeiter von Rosatom auf die Sanktionsliste zu setzen. Doch letztlich habe man von diesen Plänen abgesehen.
Ungarn stand mit seiner Position nicht allein, auch Frankreich opponierte gegen diese Pläne – nur nicht auf offener Bühne. Französische Beamte hatten gegenüber Politico deutlich gemacht, dass viele Kernkraftwerke auf russische Brennelemente angewiesen sind.
Im Vergleich mit Ungarn hat Frankreich ein größeres Gewicht innerhalb der EU. Deshalb lasse sich gegen ein Veto aus Paris kein Sanktionspaket schnüren, stellte Welt kürzlich fest.
Bereits im September hatte eine Gruppe von fünf EU-Ländern angeregt, ein "Verbot der Zusammenarbeit mit Russland bei der Kernenergie" in Erwägung zu ziehen. Zu ihnen zählten die antirussischen Hardliner Polen, Estland, Lettland und Litauen; aber auch Irland.
Dass der Vorschlag wenig durchdacht war, hätte den betreffenden Politikern und Diplomaten damals schon bekannt sein können. Das Umweltbundesamt von Österreich hatte die Verflechtungen zwischen Rosatom und der Energiewirtschaft der EU-Länder in einer Studie durchleuchtet.
Zur Wahrheit gehört: Ohne Rosatom könnten viele Atomkraftwerke in der EU nicht weiterbetrieben werden. Ein Fünftel des benötigten Urans importieren die EU-Länder im Jahr 2020 aus Russland, 19 Prozent kamen aus Kasachstan. Rosatom kontrolliert neben den Uranminen in Russland auch fast ein Viertel der kasachischen Uranproduktion.
Zudem spielt Rosatom eine entscheidende Rolle bei der Urananreicherung. Der russische Staatskonzern deckt rund 26 Prozent der entsprechenden Dienstleistungen in der EU ab. Angereicherte Uranprodukte werden unter anderem nach Frankreich, Deutschland, Spanien, Großbritannien, Belgien, Schweden, Finnland, Schweiz und Tschechien geliefert.
Frankreichs Atomindustrie ist etwa darauf angewiesen, dass Rosatom abgebrannte Brennstäbe aus französischen Kraftwerken abnimmt. In den russischen Aufbereitungsanlagen wird das Uran wieder angereichert und dann zurück nach Frankreich geliefert. Ohne diese Kooperation wäre der Betrieb französischer Atommeiler gefährdet, heißt es im Bericht von Welt.
Im Jahr 2021 versorgte Rosatom laut Studie 21 Kernreaktoren in der EU mit Brennelementen. Dabei seien Bulgarien, Ungarn, Slowakei und Tschechien vollständig von russischen Brennstäben abhängig. Finnland bezog etwa ein Drittel seiner Brennelemente aus Russland.
Einige AKW-Betreiber in EU-Ländern bemühten sich, Ersatz zu finden, berichtete Welt. Dieses Unterfangen sei aber schwierig. Europäische und amerikanische Hersteller könnten die nötigen Brennstoffe zum Teil liefern – dafür müssten sie aber erst die Produktion ausweiten und anpassen. Zudem seien zeitaufwendige Genehmigungsverfahren notwendig.
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