EU-Kommission will ausgerechnet das Vertrauen in den Datenschutz durch enge Kooperation mit den USA stärken
Brüssel weigert sich, wegen der NSA-Affäre das umstrittene Swift-Bankdatenabkommen mit den USA auszusetzen. Auch an der "Safe-Harbour"-Vereinbarung wird nicht gerüttelt - jedenfalls nicht vor der Europawahl
Die EU denkt nicht daran, irgendwelche Konsequenzen aus dem NSA-Spionageskandal zu ziehen. Zwar müsse man "Vertrauen wiederherstellen" und das transatlantische Datenschutzniveau heben. Doch darunter soll weder die Geheimdienstzusammenarbeit noch der Austausch privater Daten zu kommerziellen Zwecken leiden. Dies geht aus neuen Arbeitspapieren der EU-Kommission hervor, die am Mittwoch verabschiedet werden sollen. Die Brüsseler Behörde lehnt darin zentrale Forderungen des Europaparlaments ab und bekräftigt die enge transatlantische Zusammenarbeit.
So will die Kommission das so genannte Swift-Abkommen zur Übermittlung von Bankdaten an die US-Behörden nicht aussetzen. Sie lehnt auch eine Kündigung des so genannten "Safe Harbour"-Abkommens ab, das US-Unternehmen die kommerzielle Verwertung von europäischen Personendaten erlaubt. "Eine Aufhebung des Abkommens würde die Interessen der Firmen in den USA und den EU negativ betreffen", heißt es in dem Kommissions-Entwurf, der Telepolis vorliegt.
Bemerkenswert ist vor allem das Ausmaß der Kooperation mit den US-Geheimdiensten. So haben die US-Behörden seit dem Beginn der - seinerzeit noch illegalen - Überwachung des europäischen Finanzdienstleisters Swift im Jahr 2001 mehr als 2100 Geheimdienst-Berichte zu möglichen Terrorgefahren an europäische Stellen übermittelt. Die Bankdaten aus Europa hätten bei den Ermittlungen "der meisten großen Terroranschläge der letzten Dekade" geholfen, schreiben die EU-Kommission und das für die Swift-Überwachung zuständige US-Finanzministerium in einer gemeinsamen Erfolgsbilanz.
Eine beigefügte Liste liest sich wie ein "Best of" der Terrorfahnder seit dem Attentat auf das World Trade Center 2001. Die Bali-Bomber 2002 werden ebenso erwähnt wie die Attentate in Madrid und London 2004 und 2005. Auch bei der Olympiade 2012 in London sollen die Swift-Daten nützlich gewesen sein, genau wie beim Attentat auf den Boston Marathon im April 2013.
Überprüfen lässt sich das nicht, denn weder die CIA noch die an der Datenübermittlung beteiligten europäische Polizeibehörde Europol lassen sich in die Karten schauen. Offenbar dienen die Dokumente vor allem dem Zweck, die seit der NSA-Spionageaffäre kritische europäische Öffentlichkeit zu besänftigen. Die Zusammenarbeit bei den Bankdaten habe "einen hohen Wert" für die Terrorbekämpfung in den USA und Europa, heißt es denn auch in einer gesonderten Mitteilung an das Europaparlament. Auch die umstrittene jahrelange Speicherung habe sich als überaus nützlich erwiesen.
Stolz berichten die Autoren, dass auch Europol und die EU-Staaten aktiv das so genannte "Terrorist Finance Tracking Program" (TFTP) nutzen und "zunehmend davon profitieren". Auch in den USA hätten mehrere - namentlich nicht genannte - Dienste von den Swift-Daten profitiert. Der von Snowden erhobene Vorwurf, die NSA spähe auch Swift aus und verletze so das Abkommen zwischen der EU und den USA habe sich nicht bestätigt, heißt es ohne Angabe von Belegen.
Etwas kritischer liest sich der Bericht zum "Safe Harbour"-Abkommen, das die Übermittlung privater Daten an US-Konzerne wie Amazon oder Google ermöglicht. Bei der Umsetzung der jeweiligen Datenschutzstandards gebe es noch viele Lücken, heißt es in dem Bericht unter dem Titel "Rebuilding trust in EU-US data flows". So müsse die Kontrolle der beteiligten US-Unternehmen verbessert werden. Auch die Transparenz lasse noch zu wünschen übrig. Es sei eine "matter of urgency", also ein dringendes Anliegen, gemeinsam mit den US-Behörden diese "shortcomings" zu diskutieren, beteuert die Kommission.
Eine Änderung des Abkommens ist aber erst ab Sommer 2014 geplant, also nach der Europawahl. Demgegenüber fordert das Europaparlament schon jetzt eine substanzielle Nachbesserung. Vor allem deutsche Abgeordnete wie der Grüne MEP Jan Philip Albrecht oder der CSU-Politiker Manfred Weber machen Druck. Im Dezember wollen sie eine eigene Entschließung zum Thema "Safe Harbour" vorlegen.
Die EU-Kommission zeigt sich jedoch entschlossen, diesem Druck nicht nachzugeben. Jetzt gehe es vor allem darum, das Vertrauen in den Datenschutz wiederherzustellen, heißt es in dem Kommissionspapier. Und das gehe nur durch eine noch engere Zusammenarbeit.
Nur eine gute Nachricht enthalten die Dokumente, die jeden europäischen Selbstbehauptungswillen vermissen lassen: Die EU will vorerst kein eigenes Bankdatenüberwachungssystem nach dem Vorbild des US-Finanzministeriums einführen. Die laufende Swift-Überwachung durch die Amerikaner habe sich bewährt, ein eigenes System wäre schlicht zu teuer.