EU in der Hegemoniekrise

Seite 2: EU-Nationalismus wie jeden Nationalismus dekonstruieren

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So sehen auch EU-Politiker der Linken wie Martina Schirdewan in den sogenannten Wiederaufbauprogramm einen Schritt in die richtige Richtung und kritisieren vor allem, dass der bereit gestellte Betrag höher sein müsste.

Sie stellen das EU-Konstrukt nicht grundsätzlich infrage. Sie akzeptieren auch, dass die EU in der globalen Konkurrenz mit den USA und China zu konkurrieren versucht.

Deshalb war es für sie ein Menetekel, als auf dem Höhepunkt der Corona-Krise Unterstützung für die besonders betroffenen norditalienischen Städte aus China und nicht aus dem EU-Raum gekommen ist. Wenn sie diesen eigentlichen Zweck der EU nicht infrage stellen, bleibt es eben nur bei Kritik im Detail, beispielsweise an der Höhe des sogenannten Rettungsprogramm.

Es wird schon mal mangelnde europäische Solidarität gerügt, aber meist nicht erwähnt, dass Solidarität innerhalb des kapitalistischen Rahmens nur ein anderes Wort für die Forderung ist, wonach die Bevölkerung der EU-Staaten gefälligst den EU-Block auch ideologisch verteidigen soll.

So hat in linksliberalen Kreisen die Verteidigung der EU und die Ausgrenzung grundsätzlicher EU-Kritik die Rolle eingenommen, die bei Verteidigern von Nationalstaaten die jeweilige nationale Volksgemeinschaft hat.

Doch ein Nationalismus wird nicht deshalb emanzipatorischer, weil jetzt eben nicht mehr nur Deutschland, sondern der von Deutschland geprägte EU-Raum gemeint ist. Vielmehr wäre es eine linke Aufgabe, wie jeden Nationalismus auch den EU-Nationalismus zu dekonstruieren. Dazu gehört, die Widersprüche des Bündnisses kenntlich zu machen.

Wie es der Gegenstandpunkt-Autor Theo Wentzke in der Tageszeitung junge Welt angenehm nüchtern formuliert:

Sie (die Euro-Zone) bleibt ein Bündnis von Nationalstaaten, die mit nationalen Schulden um nationales Kapitalwachstum in einem gemeinsamen Geld konkurrieren, das seinerseits den Gesamterfolg der Währungszone in seiner Qualität als international gefragtes und verlässliches Geld reflektiert; das also den Gesamterfolg braucht, den die konkurrierenden Partner einander streitig machen.

Theo Wentzke

Natürlich hat eine emanzipatorische EU-Dekonstruktion nicht das Zurück zum Nationalstaat zum Ziel. Vielmehr würde in den sozialen Bewegungen der Kern für eine transnationale Solidarität gesucht, die weder in Nationalstaaten noch in Machtblöcken wie der EU irgendetwas Positives sehen können. Doch dazu braucht es eine staatsantagonistische Linke.

"Ein Virus macht keine Revolution." Da ist dem Aufsatz des früher linksradikalen heute sozialdemokratischen Roten Salon Leipzig in der Jungle World eindeutig zuzustimmen.