EU setzt Telegram auf Piraterie-Watchlist

Bild: TP

Stakeholder-Sorge oder Teil eines Medienkrieges mit Russland?

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Seit 2018 gibt die EU-Kommission eine "Counterfeit and Piracy Watch List" heraus. In der aktuellen Fassung, die diese Woche erschien, finden sich neben einschlägig bekannten Sharehostern, Referrern und Arzneimittelanbietern auch zwei Überraschungen: VKontakte das russische Facebook, und der russische Messengerdienst Telegram, der in anderen Ländern gerne von Oppositionellen genutzt wird (vgl. "Barbarischer Akt": Todesstrafe für einen Dissidenten in Iran).

Dienste weisen Anschuldigungen zurück

Den Angaben der EU-Kommission nach entstand die Liste aus einer Konsultation von "Stakeholdern", deren Meldungen man von "unparteiischen und verlässlichen Quellen" überprüfen ließ. Telegram sei von Stakeholdern aus dem Verlagswesen, der Musikindustrie und dem Fernsehbereich als Problem gemeldet worden. Dabei hätten die Melder beklagt, dass das Unternehmen Beschwerden über das Teilen von Inhalten und Links nur "unzureichend" nachkomme. Außerdem habe man bei der Zusammenstellung der Liste auch berücksichtigt, wie populär Dienste sind - und Telegram sei inzwischen alleine für Android-Geräte mehr als 100 Millionen Mal heruntergeladen worden.

Telegram entgegnete auf die Anschuldigungen, man reagiere auf berechtigte Beschwerden binnen 24 Stunden und habe alleine auf Meldungen der italienischen Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (AGCOM) hin 26 Kanäle gelöscht. Darüber hinaus gehe man "sehr erfolgreich" gegen Terrorpropaganda und Kinderpornografie vor.

Über VKontakte, wo inzwischen über 500 Millionen Profile angelegt wurden, beschwerte sich der EU-Kommission zufolge unter anderem "audiovisuelle Industrie", die sich an eingebetteten Videoplayern stört. Weitere Beschwerden kamen von Verlegern, die das Teilen von Lehrbüchern beklagten. Hier sei es durch die Möglichkeiten zur Gruppenbildung und die Suchfunktion auch Fremden möglich, geteilte Inhalte zu finden und herunterzuladen.

Dieses Portal entgegnete auf die Vorwürfe, es habe 1,36 Millionen Immaterialgüterrechtsbeschwerden bearbeitet und auf den Großteil davon mit einer Entfernung der Inhalte binnen 24 Stunden reagiert. Zusätzlich setze man nun Software zur automatischen Erkennung solcher Inhalte ein und mache User nun nicht mehr nur in den Nutzungsbedingungen, sondern bei jedem Upload darauf aufmerksam, dass sie Immaterialgüterrechte beachten müssen. Ein großer Teil der Bewegtbilder werde aber von russischen Fernsehsendern und anderen Rechteinhabern selbst hochgeladen.

Anti-NetzDG

In Russland plant man währenddessen ein Gesetz, dass Strafen für den Google-Videodienst YouTube und andere Plattformen vorsieht, wenn sie ohne in Moskau akzeptable Begründung Videos russischer Anbieter sperren, löschen oder zugangsbeschränken. Vorher hatten mehrere solcher Fälle viel viel öffentliches Aufsehen erregt. In einem davon hatte YouTube eine Dokumentation des öffentlich-rechtlichen Kanals Rossija 1 mit einem Hinweis auf angeblich "unangemessene oder beleidigende Inhalte" versehen, weil dort die Geiselnahme und der dschihadistische Massenmord an Kindern in einer Schule in Beslan nicht in einer Weise dargestellt wurde, die Aufregung ausschließt.

In einem anderen hatte YouTube den Live-Kanal des öffentlich-rechtlichen Fernsehmoderators Vladimir Soloviev trotz entsprechender Zugriffszahlen aus den Trends mit den beliebtesten neuen Videos entfernt. Und in einem dritten hatte der Google-Dienst gleich einen ganzen Kanal gesperrt: Den des russischen Deutsche-Welle-Äquivalents Sputniknews, das inzwischen in SNA umbenannt wurde (vgl. YouTube sperrt Sputniknews).

Pornhub sehr streng

Sichtbarere Folgen als die jüngsten Aktivitäten in Brüssel und Moskau könnten für viele Social-Media-Nutzer aber die im kanadischen Montreal und im europäischen Steuerparadies Luxemburg haben, wo Pornhub seine Sitze hat. Nach Anschuldigungen der New York Times, dass dort Aufnahmen mit Minderjährigen zu sehen waren, entschloss sich das Portal zu einem radikalen Schritt, den es gestern bekannt gab: Es löscht alle in der Vergangenheit von nicht verifizierten Nutzern hochgeladenen Inhalte und lässt künftig nur noch solche von Unternehmen und Personen zu, die mit Pornhub einen Vertrag über das Teilen der Werbeerlöse abschließen.

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