EZB: Wie irrige Inflationsprognosen zu falscher Politik führen
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Der nun beklagte Glaubwürdigkeitsverlust der EZB und das geschwundene Vertrauen in ihre Geldpolitik resultieren daraus, dass die Verlierer der Inflation die in den letzten Jahren erlittenen Einkommensverluste inzwischen schmerzlich spüren.
Mithilfe der vielen sie stützenden Ökonomen hat die EZB die Marktteilnehmer mit der Verbreitung ihrer unzulänglichen, jeweils zu niedrigen und verharmlosenden Inflationsprognosen immer wieder getäuscht.
Als 2021 der Anstieg der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat in Deutschland bereits sechs Prozent erreichte, gab die EZB-Präsidentin noch im November Entwarnung. Sie erwarte, dass der von den gestörten Lieferketten ausgehende Preisanstieg "nicht von Dauer sein werde".
Demnach würden sich die Preise auch ohne Zutun der EZB wieder in etwa auf das frühere Niveau einpendeln. Man sei, so das EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel kürzlich gegenüber der FAZ, lange Zeit "davon ausgegangen, dass viele Inflationsursachen von allein wieder abklingen".
Als die Inflation bis zum Juni 2022 an Dynamik und Breite gewann und ohne dass sie Zinsschritte eingeleitet hatte, behauptete die EZB in ihren Prognosen noch immer, die Inflation würde in der Eurozone im Jahresverlauf auf maximal 5,1 Prozent klettern, um bereits 2023 wieder im Bereich des EZB-Inflationsziels von 2,1 Prozent zu liegen.
Im Juni 2022 war die EZB gezwungen, ihre Inflationsprognose deutlich anzuheben. Nun erwartete sie für 2022 einen Verbraucherpreisanstieg von 6,8 Prozent an und nährte die Erwartungen, dass der Verbraucherpreisanstieg nach 3,5 Prozent 2023 zumindest 2024 auf 1,9 Prozent zurückgehen werde.
In all ihren bisherigen Prognosen hat die EZB den Preisanstieg wesentlich niedriger und weniger anhaltend prognostiziert, als dieser dann tatsächlich eingetreten ist. In ihrer Sitzung vom Dezember letzten Jahres musste sie nun zum wiederholten Mal ihre Inflationsprognose drastisch nach oben revidieren.
Nach Leitzinserhöhungen von drei Prozent seit der zweiten Jahreshälfte 2022 geht die Zentralbank nunmehr davon aus, dass sich der Verbraucherpreisanstieg erst 2025 von den aktuell fast zweistelligen Werten auf 2,3 Prozent zurückbilden wird.
Doch wer dieser Prognose vertraut, dürfte erneut enttäuscht werden. Denn sogar Schnabel hat das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels kurz nach der Veröffentlichung infrage gestellt.
Gegenüber der FAZ erklärte sie: Die "Unsicherheit für 2025 ist hoch", denn die von der EZB genutzten Modelle seien so aufgebaut, dass sie die Inflation immer auf zwei Prozent zurückführen.
Kontrollverlust der EZB
Die Strategie der EZB, niedrige Inflationserwartungen zu verankern, indem sie ihre zu niedrigen Inflationsprognosen in Umlauf bringt, hat dazu beigetragen, die gesellschaftlichen Wohlstandverluste infolge des steigenden Energiepreisniveaus zu einem erheblichen Teil auf die Erwerbstätigen abzuladen.
Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sind die durchschnittlichen Reallöhne seit dem Beginn der Corona-Krise – hauptsächlich inflationsbedingt – gesunken. 2020 lag der Reallohnverlust bei 1,1 Prozent, 2021 bei 0,1 Prozent und betrug infolge der nun deutlich steigenden Inflation im Jahr 2022 bereits 4,1 Prozent.
Diese Einkommensverluste fallen in einzelnen Branchen und für bestimmte Arbeitnehmergruppen deutlich höher aus und sie könnten sich nochmals stark erhöhen, sofern sich die Inflationsprognosen, an denen sich die Tarifparteien orientieren, erneut als Makulatur erweisen.
Mit ihren seit mehr als zwei Jahren deutlich zu niedrigen Inflationsprognosen und ihrem Versuch, diese von ihr genährten niedrigen Erwartungen als Mittel der Inflationsbekämpfung einzusetzen, hat die Europäische Zentralbank das Vertrauen von Bürgern und Unternehmen missbraucht und dadurch verspielt.
Das macht es für die EZB noch schwerer als ohnehin schon, die Inflation wieder in Richtung ihres Zwei-Prozent-Ziels zu drücken. Denn sobald die Marktteilnehmer der Zentralbank nicht mehr vertrauen und sich die Inflationserwartungen sogar "vom Inflationsziel einer Zentralbank entfernen, kann es für die Zentralbank schwierig werden, die tatsächliche Preisentwicklung wieder" in Richtung "Zielwert zu bringen", wie die EZB selbst schreibt.
Eine solche Situation könne eine Zentralbank verhindern, so die EZB weiter, "indem sie ein klares Ziel formuliert und die Steuerung der Inflation daran ausrichtet". Das hat die EZB jedoch nicht geleistet. Das Zwei-Prozent-Ziel rückt in immer weitere Ferne.
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