Ecuador auf dem Weg zur Bananenrepublik?

Der Multimillionär und Bananenexporteur Alvaro Noboa gewinnt überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gegen den favorisierten Linkskandidaten Rafael Correa

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Umfragen scheinen in Ecuador genauso schnell überholt zu sein wie gewählte Präsidenten: In dem kleinen südamerikanischen Land, das sieben Staatschefs in nur zehn Jahren verbrauchte, galt der 43-jährige Linkskandidat Rafael Correa bis zum Wahlgang am vergangenen Sonntag als klarer Favorit für das Präsidentenamt. Doch der Multimillionär Alvaro Noboa setzte sich überraschend an die Spitze. Zur Stichwahl im November hat sich das polarisierte Land somit für ein klassisch kapitalistisches System oder für eine Linksregierung zu entscheiden, die sich in die Strömung um Hugo Chavez in Venezuela und Evo Morales in Bolivien einreihen will.

Wie schon bei den Wahlen vor vier Jahren, bei denen sich der im letzten Jahr gestürzte populistische Ex –Staatschef Lucio Gutierrez überraschend die Präsidentschaft sicherte, haben auch diesmal die ecuadorianischen Umfragen völlig daneben gelegen. Entgegen aller Prognosen setzte sich am vergangenen Sonntag der konservative Multimillionär Alvaro Noboa knapp gegen den zunächst favorisierten Linkskandidaten Rafael Correa durch, die somit bei einer Stichwahl gegeneinander am 26. November antreten müssen. Nach der Auszählung von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen liegt Noboa mit rund 27 Prozent an erster Stelle, Correa folgte mit etwa 23 Prozent.

Nur wenige Tage zuvor sah es zunächst danach aus, dass sich Correa bereits beim ersten Wahlgang die Präsidentschaft bei einer Zustimmung von bis zu 37 Prozent hätte sichern können: 40 Prozent der gültigen Stimmen und ein Abstand von zehn Prozent zum folgenden Konkurrenten hätten nach ecuadorianischem Wahlrecht genügt, um das Amt zu übernehmen.

Geschenkter Wahlsieg

Doch offenbar gelang es Noboa in den letzten Tagen, weniger mit Argumenten als mit Geschenken bei den Wählern Boden gut zu machen. Dieser ließ ganz im Stile eines caudillo auf seinen Wahlveranstaltungen Lebensmittel und Bekleidung unter den Zuschauern verteilen. Seine Frau Annabella Azin zog mit Ärztekarawanen durch das Land und versprach den Bewohnern Häuser und Medikamente im Namen ihres Mannes.

Die Wähler scheinen das geglaubt zu haben, schließlich gilt Alvaro Noboa, der schon 1998 und 2002 die Präsidentschaft suchte, mit einem riesigen Firmenimperium als reichster Mann Ecuadors. Neben Firmen im Finanz- und Immobiliensektor besitzt Noboa eine der weltweit größten Bananenexportfirmen, mit der er sich eine goldene Nase verdient hat. “Ich danke allen armen Ecuadorianern, die für mich gestimmt haben”, so Noboa am Sonntag, der paternalistisch versprach, diesen Arbeit, ein Dach und Gesundheit wie versprochen zu beschaffen.

“Die Ecuadorianer stehen vor zwei Alternativen”, polarisierte Noboa nur wenig später. “Einer Diktatur wie unter Fidel Castro oder einem prosperierenden Land wie Italien oder die USA, in dem die Wirtschaft wächst und die Menschen frei sind.” Noboa plant, aus Ecuador ein kapitalistisches Musterland zu machen, das umfangreiche Steuerbegünstigungen für ausländische Investoren verspricht. Dass dessen private wirtschaftliche Interessen unter seiner Präsidentschaft eng mit der nationalen Politik verzahnt werden könnten, hat bei reicheren Sektoren in Ecuador bereits vor den Wahlen für Kopfschmerzen gesorgt. Für Noboa jedoch kein Thema, der scheinbar wie Silvio Berlusconi als Medienmogul in Italien die Geschicke seines Landes in die Hand nehmen will.

Mit Schmutzkampagnen in die Stichwahl

Als erste Maßnahme unter seiner Präsidentschaft will Noboa jegliche Beziehungen zu Venezuela und Kuba abbrechen, weil Venezuela sich in den Wahlkampf eingemischt und die Kampagne von Rafael Correa finanziert habe. Dieser wiederum erklärte, dass Washington alles daran setze, seinen Triumph bei den Wahlen zu verhindern. “Die US-Regierung weiß, dass wir keine Angestellten von niemandem sein werden und wir unsere Souveränität achten”, so Correa, der aus seiner Nähe zur venezolanischen Chavez-Regierung zwar keinen Hehl macht, jegliche Finanzierung seitens Caracas aber als Schmutzkampagne zurück wies.

Für Washington sind die Wahlen und Noboa als Kandidat in Ecuador aus zweierlei Sicht von Bedeutung: Der Nutzungsvertrag um die seit Jahren umstrittene US-Militärbasis in Manta, die das Zentrum für die regionale Drogenbekämpfung darstellt, läuft formell im Jahr 2009 aus. Correa kündigte an, dass dieser Vertrag unter seinem Mandat um keinen Preis verlängert werde. Aus wirtschaftlicher Sicht ist Noboa der Garant für die Unterzeichnung eines Freihandelsvertrags zwischen beiden Ländern, der seit Monaten wegen politischer Querelen um die Enteignung des US-Erdölmultis Occidental auf Eis liegt. Auch diesen will Correa nicht weiter verfolgen, da damit regionale Wirtschaftsabkommen Schaden nehmen würden.

Correa: Bildung und Gesundheit sollen kostenlos sein

Stattdessen promoviert Correa die Schaffung eines vereinten Lateinamerikas, welches Venezuelas Präsident Hugo Chavez ebenfalls anstrebt. “Es ist an der Zeit, dieses große Vaterland namens Lateinamerika zu konstruieren”, so Correa, der bereits 2005 kurzzeitig als Wirtschaftsminister unter dem bisher amtierenden Übergangspräsidenten Alfredo Palacio Regierungserfahrung sammeln konnte. Seine Richtung im Falle einer Präsidentschaft hat er klar benannt: Er will Schluss machen mit dem neoliberalen Kurs, welcher die Armut in Ecuador in den letzten Jahren weiter vertieft habe. “Das System hat alles in Waren umgewandelt”, so Correa, der einen modernen Sozialismus im Falle eines Wahlsieges verspricht. Erziehung und Gesundheit sollen frei und kostenlos für alle zugänglich werden.

Zur Finanzierung seiner Vorhaben plant er, die jährliche Bedienung der Auslandsschulden zu reduzieren. Wird der Vorschlag nicht akzeptiert, will Correa diese notfalls aussetzen. “Statt Miami zu finanzieren, wo das Geld hinfließt, sollten wir es hier einsetzen”, so der Kandidat von der linken Landesallianz, der zudem versuchen will, schädliche Finanzspekulationen im Land einzudämmen. “Die Investoren, die Aktien und Optionen kaufen und dann verschwinden, wenn es dem Land schlechter geht, sollen draußen bleiben.”

Um das als durchweg korrupt eingestufte Einkammer-Parlament und die dort verankerten traditionellen Parteien zu entmachten, will Correa eine Verfassungsgebende Versammlung einberufen lassen, um das Land neu zu begründen. Sollte der Kongress die Pläne zu durchkreuzen versuchen, kündigte Correa an, sich effektive Unterstützung auf der Straße zu suchen: Schon zwei Regierungen wurden nach Straßenprotesten und indigenen Aufständen in den letzten sechs Jahren gestürzt.

Allerdings liegen Theorie und Praxis in Ecuador zuweilen weit auseinander. Im Jahr 2003 katapultierte sich Ex-Oberst Lucio Gutiérrez, der als Militär an dem Sturz der Regierung Mahuad Anfang 2000 beteiligt war, mit ähnlich radikalen und linksorientierten Plänen an die Macht. Gutiérrez entpuppte sich jedoch schnell als politisches Chamäleon, das die reformlose Politik – nicht zuletzt wegen der sturen Opposition im Kongress – fortsetzte und in Korruptionsaffären verstrickt war. Der Zorn auf der Straße und die folgende Absetzung durch das Parlament beendeten im April 2005 jäh die Amtszeit von Gutiérrez (Flucht durch den Hinterausgang).

Die Ausgangsposition von Correa dürfte kaum leichter sein. Er kann auf keine soziale und politische Basis zurückgreifen, die ihm nun fehlen könnte, wenn er sich bis zur Stichwahl gegen das etablierte rechte Lager durchsetzen muss. Dennoch ist Correa, der sich selbst als “christlicher Linker” bezeichnet, zuversichtlich, sein Land in die Strömung mit Venezuela, Bolivien und Argentinien einzureihen und forderte die linken Bewegungen zur Geschlossenheit auf. In der Stichwahl am 26. November wird sich zeigen, ob die Scheckbuchpolitik Noboas oder die linken Formeln von Correa zu überzeugen vermögen.