Ehemalige Bundeswehrsoldaten als Söldner in Krisengebieten
Deutsche Exsoldaten als Söldner in Somalia. Interview mit Ulrich Delius, dem Afrikareferenten der Gesellschaft für bedrohte Völker
Dass Bundeswehrsoldaten nach Ableistung ihres Vertrages mit dem Staat Ausbildung und Kampferfahrung in privaten Sicherheitsunternehmen versilbern, dürfte niemanden ernstlich überraschen. Das wusste man schon immer, irgendwie. Und doch sorgt ein konkreter Fall nun für größeres Aufsehen. Bundeswehrsoldaten werden von der privaten Sicherheitsfirma Asgaard angeheuert, um den somalischen Warlord Galadid Abdinur Ahmad Darmanzu unterstützen, der sich selbst als Präsidenten Somalias sieht.
Der Einsatz der ehemaligen Bundeswehrsoldaten als Söldner ist in diesem Fall aus mehreren Gründen höchst problematisch. Der Vertragspartner der Sicherheitsfirma steht in Opposition zur international anerkannten Übergangsregierung Somalias.
Die EU unterstützt die Übergangsregierung in Somalia mit einer Militärmission namens EUTM-Somalia. Dort geht es hauptsächlich um militärische Ausbildung (Video). Daran sind ebenfalls Bundeswehrsoldaten beteiligt, wie Die Zeit vor einigen Tagen berichtete. Nach Informationen der Zeitung sind seitens des Auftraggebers der deutschen Sicherheitsfirma, dem Oppositionspolitiker Ahmad Darman, auch "Kampfeinsätze der Deutschen angedacht." Telepolis sprach mit dem Afrikareferenten der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, über den Fall.
Bis zu 4.000 ehemalige deutsche Soldaten arbeiten für Sicherheitsfirmen
Zwischen der Münsteraner Firma Asgaard German Security Group und dem somalischen Oppositionellen Darman soll es einen Vertrag über die Ausbildung von Kämpfern durch Ex-Bundeswehrsoldaten geben. Was ist der Vertragsinhalt? Worum geht es in diesem Sachverhalt genau?
Ulrich Delius: Die deutsche Sicherheitsfirma in Telgte hat in einer am 16. Dezember 2009 veröffentlichten Pressemitteilung von einem Exklusivvertrag mit Darman gesprochen, der neben Ausbildung und Trainingsaufgaben von Somalis, auch die strategische Beratung und Planung von Sicherheit in Somalia sowie operative Maßnahmen zur Herstellung von Frieden vorsieht. Somit werden auch Kampfeinsätze deutscher Militärexperten nicht ausgeschlossen. Unklar ist, wann es zu einem Einsatz kommen soll. Während das Unternehmen Asgaard betont, dass es diese Sicherheitsaufgaben erst nach einer Wiedereinsetzung Darmans als Staatspräsident wahrnehmen würde, preist die Firma aber schon heute ihre Dienste bei der Piratenbekämpfung in den Gewässern vor Somalia an.
Wie ist der Vertrag angesichts der UN-Sanktionen gegen Somalia rechtlich einzuordnen?
Ulrich Delius: Jede Dienstleistung gemäß dieses Vertrages wäre eine klare Verletzung der UN-Sanktionen gegen Somalia, die nicht nur ein Verbot von Waffenlieferungen vorsehen, sondern auch von anderen militärischen Dienstleistungen, sofern sie nicht für die von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannte Übergangsregierung Somalias bestimmt sind.
Wie hat das Außenministerium darauf bisher reagiert?
Ulrich Delius: Das Auswärtige Amt hat bekräftigt, dass es von dem Vertrag vor den Medien-Veröffentlichungen zu Pfingsten 2010 keine Kenntnis gehabt habe. Dies ist allerdings ein Armutszeugnis deutscher Somalia-Politik, weil das zuständige Ministerium schon darüber informiert sein sollte, dass sich seit Monaten ehemalige Bundeswehrsoldaten auf einen völkerrechtswidrigen Einsatz in Afrika vorbereiten.
Denn Berlin erklärt öffentlich, dass die Eindämmung des Krieges in Somalia allergrößte Priorität hat und ist daher auch in führenden internationalen Gremien vertreten, die sich für Frieden in Somalia engagieren. Deutsche Sicherheitskreise hätten über die Aktivitäten von Asgaard und Darman informiert sein müssen, zumal diese ihre Geschäftsbeziehungen nicht geheim hielten.
Folgen der Privatisierung des Krieges
Ist dieser Vertrag der erste Fall, bei dem deutsche Söldner in Krisengebieten zum Einsatz kommen sollen?
Ulrich Delius: Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 4.000 ehemalige Bundeswehrsoldaten zur Zeit für in- und ausländische Sicherheitsfirmen auch in Krisengebieten arbeiten. Sie sind sowohl beim Personen- und Objektschutz, als auch bei der Ausbildung von Soldaten und Paramilitärs eingesetzt. Insgesamt gibt es rund 2.000 Sicherheitsfirmen weltweit, die 1,5 Millionen Mitarbeiter beschäftigen. Die Unternehmen erwirtschaften jährlich mehr als 200 Milliarden Euro.
Ihre Leistungen sind heute mehr denn je zuvor gefragt, um Aufgaben ineffektiver staatlicher Armeen wahrzunehmen oder um heikle Missionen in Krisengebieten durchzuführen, die von regulären Armeen aus politischen Gründen nicht geleistet werden können. Der Skandal um den Einsatz der US-amerikanischen Söldnerfirma "Blackwater" im Irak, deren Mitarbeitern zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, macht deutlich, wie völkerrechtlich problematisch der Boom der Sicherheitsfirmen ist.
Wer steckt hinter der Firma "Asgaard German Security Group"?
Ulrich Delius: Das von einem ehemaligen Hauptfeldwebel der Bundeswehr geführte Unternehmen betrachtet sich als Sicherheitsfirma, die weltweit Regierungen, Unternehmen und Privatkunden ihre Dienste beim Personen-, Objekt- und Konvoischutz auch in Krisengebieten anbietet. Dabei greift das Unternehmen nach eigenem Bekunden vor allem auf die Dienste und das Wissen ehemaliger Bundeswehrsoldaten zurück.
Sie sprechen auch von "obskuren Aktivitäten" des somalischen Oppositionspolitikers Darman in Deutschland. Was für Aktivitäten sind das?
Ulrich Delius: Der in den USA im Exil lebende somalische Oppositionspolitiker Darman hielt sich in den letzten Monaten mehrfach in Deutschland auf und geriet trotz seiner Vertragsverhandlungen mit der Telgter Sicherheitsfirma offensichtlich nicht in den Fokus deutscher Sicherheitsdienste. Oder der Bundesnachrichtendienst hielt seine Aktivitäten für nicht so alarmierend, so dass er das zuständige Auswärtige Amt nicht informierte. In beiden Fällen war es eine Minusleistung, weil alleine der Vertrag das deutsche Ansehen in Afrika nachdrücklich beschädigte.
Wie bewerten Sie die Entwicklungen in der Sicherheitsindustrie in den letzten Jahren. Seit Blackwater entstehen immer mehr Sicherheitsfirmen, die Söldner in Krisengebiete schicken. Was hat die Privatisierung des Krieges für die Friedenspolitik in diesen Regionen zur Folge?
Ulrich Delius: Die Privatisierung des Krieges erschwert die Bemühungen von Staaten, Nichtregierungsorganisationen und den Vereinten Nationen, militärische Konflikte und Krisen politisch zu lösen und dauerhaft Frieden herzustellen. So kommt es immer wieder vor, dass Sicherheitsfirmen in Krisenregionen auf beiden Seiten Konfliktparteien unterstützen. Da sie nichtstaatliche Akteure sind, können sie in Friedensverhandlungen nicht ausreichend einbezogen werden. Meist schürt ihr Einsatz nicht nur die Verletzung grundlegender Menschenrechte und des Völkerrechts, sondern auch den Krieg. Sicherheitsfirmen haben auch kein Interesse an einer dauerhaften Stabilisierung von Krisenregionen, da sie letztlich mit der Eskalation von Gewalt und Krieg ihr Geld verdienen.
Der Autor betreibt das Blog grenzgängerbeatz.