Eigenheim ist Diebstahl

Seite 2: Gebt Eigenheimbesitzern die Chance, Fehler zu machen

Ganz andere Beispiele, die die gebaute Realität mit der technischen und sozialen Realität emanzipatorisch zusammenzubringen versuchen, lieferte die Moderne insbesondere in den Zwanziger Jahren. Reduktion und Transparenz als ästhetisches Prinzip trugen auch im Eigenheimbau Früchte.

Allerdings bequemte sich die Mentalität der Bewohner nicht immer der Radikalität der modernen Architekten an. Die Bauherrin des naturnah gelegenen Farnsworth House in Illinois, einer Ikone der Moderne, ließ sich vom guten Ruf des Architekten nicht abhalten, ein sentimentales Gedicht über die Vögel zu schreiben, die an den Glasscheiben zerschellten. Sie machte Mies van der Rohe dafür verantwortlich, der die Wände aufgerissen und in den Schein großer Glasflächen aufgelöst hatte.1

Hofreiter zielt auf den Eigenheimbau in der Stadt, der seit der "Renaissance der Städte" um die Jahrtausendwende wieder auflebte. Die vornehme und wahrscheinlich zu Marketingzwecken herbeigeholte Bezeichnung dieses Typus lautet "Townhouse". Versprochen wird, die Vorteile des Landes mit denen der Stadt zu verbinden.

Heraus kommt eine Sub-Urbanisierung der Re-Urbanisierung. Die Siedlungskulisse des Landes wird auf erweiterter Stufenleiter in der Stadt reproduziert. Grün wird auf kleinsten Patches am und im Haus zusammengequetscht. Vor den Häusern spielt sich kein öffentliches Leben ab. Eher wird eine "Gated community" daraus. Aus der ländlichen Neurose wird die (neue) städtische.

Hofreiter dürfte darauf anspielen, dass die Stadt aus einer Spannung von Freiraum und Verdichtung heraus ihre Lebendigkeit erhält. Der Flächenfraß des Eigenheimbaus in der Stadt koppelt sich jedoch vom öffentlichen Leben ab. In zeitlicher Abfolge betrachtet, eignet er sich vormals öffentlichen Raum an.

Ist Eigenheim Diebstahl? Die Vorlage stammt vom utopischen Sozialisten P.J. Proudhon: "Eigentum ist Diebstahl." Schon Karl Marx hielt das für Quatsch. Das gilt erst recht für Eigenheime. Und keinem Menschen ist zu verdenken, dass er sich eine bessere Bleibe sucht, wo er auch für sich sein kann.

Die Suche folgt dem wirtschaftlichen Kalkül auf der Käuferseite und den Schwankungen der Immobilienpreise auf der anderen. Diese sind, und hier kommt Karl Marx wieder ins Spiel, die eigentlichen Regenten des Städtebaus. Der Grat ist schmal, auf dem Funktionales und Schönes zugleich zustande kommen können. Der sprichwörtlich stolze Eigenheimbesitzer wird erst später merken, ob er sein Geld für etwas Richtiges oder etwas Falsches herausgeworfen hat.

Man sollte ihm das bessere Wissen nicht sofort einblasen. Hofreiter ist sein guter Rat auf die Füße gefallen. Ob beim Städtebau oder Wohnungsbau oder beim Rückbau des Autoverkehrs zählt wie überall in der politischen Pädagogik der Grundsatz: Die Menschen müssen es von selbst wollen, sonst klappt es nicht.

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