Ein Chip verändert vieles

Auto-Tuning und die Konsequenzen

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Viele Autos besitzen inzwischen eine elektronische Steuereinheit. Ihren Besitzern ist jedoch oft nicht bekannt, dass es auch hier ein Motherboard nebst dazugehörigem Chip gibt. Die Chips speichern nicht nur die Daten, die bei der Inspektion zu einer umfassenden Diagnose beitragen und Auskunft über den Zustand des Fahrzeugs geben. Vielmehr bestimmt ein kleiner Chip die Steuerung des Zündzeitpunktes, regelt den Ladedruck oder optimiert die Schaltvorgänge. Hier versteckt sich ebenfalls die inzwischen obligatorische Wegfahrsperre. Mit nur kleinen Veränderungen in dieser kleinen Auto-Welt kann außerdem aus fast jedem Fahrzeug ein spritziger Flitzer werden. Dieses Chip-Tuning gefällt den Herstellern in der Regel überhaupt nicht, es sei denn, sie verkaufen es direkt über die Autohändler. Meist geht der Garantieanspruch gegenüber dem Fahrzeug-Hersteller verloren. Eine Tuning-Firma sollte dem tuningbegeisterten Autofahrer daher eine Extra-Versicherung anbieten, die nicht nur die Garantie auf den Chip beschränkt.

Chip-Tuning-Anbieter versprechen bei fast allen Fahrzeugtypen eine 10- bis 100-prozentige messbare Leistungssteigerung und bessere Verbrauchswerte. Ebenso ist die Rede von einer Kraftstoffeinsparung bis zu 15 Prozent. Das Handling ist für den tuningwilligen Fahrer kein besonders großes Problem. Im Internet finden sich diverse Tuning-Angebote für fast alle modernen Fahrzeugtypen. Der kleine Chip wird per Nachnahme bestellt und braucht nur noch gegen den im Steuergerät befindlichen ausgetauscht zu werden. Bei einigen Fahrzeugtypen müssen jedoch die Originaldaten ausgelesen werden. Diese Chip-Daten (Kennfelder) werden in einem Eprom ergänzt und abgeändert. Allerdings sollte der Privat-Tuner schon einmal einen Chip ausgelötet haben, denn durch unsachgemäße Arbeit kann die Platine oder der Originalchip beschädigt werden.

"Der XXX-Chip speist in die Einspritzanlage modifizierten Daten ein. Durch die optimierte Abstimmung werden Kraftreserven erschlossen und ein intelligentes Motormanagement im Sinne von verbesserter Leistungs- und Verbrauchswerte realisiert. Überlegene Spurtstärke, satter Schub bei niedrigen Drehzahlen, höhere Endgeschwindigkeit und schaltfauler Fahrkomfort, dazu verringerter Kraftstoffverbrauch sind der Lohn für die Investition in XXX-Chip."
Werbetext eines Chip-Tuners

Eigentlich muss die Tuning-Firma nur ein paar Bits umsetzen, jedoch verraten die Autohersteller nicht die entsprechenden Adressbereiche. Entsprechend müssen die Tuning-Firmen durch Auslesen der Adressbereiche und unzählige Erprobungen die Parameter erkunden und verändern. Nicht ausgeschlossen wird, dass die Tuner gute Kontakte zu den Hersteller-Lieferanten der Chips haben und ihnen daher die wesentlichen Adressräume bekannt sind. Nun ist das Tuning auch keine ganz neue Technik, so dass sich der Fahrer auf ein geballtes Know-how verlassen kann.

Kaum ist der Chip eingesetzt, kann es schon zur ersten Probefahrt gehen. Dabei spürt der Fahrer sofort, dass der Wagen in den einzelnen Gängen schneller anzieht und sich wesentlich spurtfreudiger verhält. Oft macht sich diese kleine – hoffentlich TÜV-eingetragene – Fahrzeugveränderung in den kritischen Bereichen bis 100 km/h sowie im Endbereich der bisherigen Höchstgeschwindigkeit bemerkbar. Aus dem smart wird zum Beispiel ohne weiteres ein Flitzer, der statt bislang mit 135 km/h Spitzengeschwindigkeit nun mit weit über 170 km/h manchem Golf davonrast.

Genau das sind wohl auch die Hauptmotive der meisten Autobesitzer, endlich mit einer vermeintlich unscheinbaren Kiste dem Auto-Fabrikat ein Schnippchen schlagen zu können, das sie bislang immer überholt hat. Bei smart-Fahrern scheint dieses Gefühl besonders ausgeprägt zu sein, denn nach dem Trabbi haben sie durch die vom Hersteller herunter geregelte Höchstgeschwindigkeit von max. 135 km/h die "A...karte" auf der Landstraße und der Autobahn. Fast jedes Fahrzeug will den kleinen Stadtflitzer sofort überholen. Entsprechend motzen viele Fahrer das Miniauto auch noch durch Breitfelgen und entsprechende Reifen auf, um ein vermeintlich aggressiveres Bild im Straßenverkehr abzuliefern.

Zum Autotuning gehören diverse Chromblenden für den Auspuff oder je nach Fahrzeugtyp die fragwürdigen Kuhfänger als Zier-Stoßstange. Fast jeder Fahrer eines getunten Fahrzeugs bestreitet natürlich den Zusammenhang zwischen aggressivem äußeren Erscheinungsbild seines Fahrzeugs mit dem damit verbundenen Fahrstil. Breitreifen werden mit der Erhöhung der Fahrsicherheit begründet, und die braucht man eben, wenn man über Autobahn oder Landstraße rast.

Die Risiken des Auto-Tunings – Immer auf die Garantie achten

Wer den Chip selbst einbaut und auch die Breitreifen selbst aufzieht, sollte jedoch daran denken, dass eine neue Höchstgeschwindigkeit ganz andere Bremskräfte erfordert. Nicht immer reicht die höhere Bremswirkung von breiten Reifen aus. In bestimmten Bereichen müssen eine neue, stärkere Bremsanlage, straffere Federn und oft auch eine andere Auspuffanlage installiert werden. Bei den Chips, die per Versandhandel angeboten werden, muss der Kunde darauf achten, dass ihm in der Regel nur eine Garantie auf den Chip angeboten wird.

"Wir als Hersteller gewähren auf unsere Tuning-Chips bzw. E-Proms 2 Jahre Garantie."
"[...] dem Fahrzeug ist nichts anzusehen; das Tuning ist nicht über ein Diagnosegerät auszulesen; die Leistung ist natürlich messbar z.B. auf dem Prüfstand."
"Der TÜV gibt der Bremse 20 % Mehrleistung von dem größten Motor, in dem diese Bremsanlage verbaut wird."
(Ein Auto-Tuner)

Da die Hersteller einem getunten Wagen misstrauen, muss der Fahrer davon ausgehen, dass mit dem Chip-Austausch die Herstellergarantie endet. "Da braucht nur der Blinker defekt zu sein, schon schieben die Hersteller-Werkstätten dieses Problem auf das Auto-Tuning", so übertrieben beschreibt ein Autotuner das Verhalten der Werkstätten. Zumindest alles, was nach dem Tuning am Motor, der Einspritzpumpe oder am Turbolader passiert, wird dem Chip-Tuning angelastet. Die Werkstattmeister der Hersteller schieben die Fehlerursache eines Defektes auf die ursprünglich nicht vorgesehene Leistung des Fahrzeugs.

Die Tuner erwidern in der Regel, dass sie nur bestehende Leistungsobergrenzen eines Autoantriebes ausnutzen. "Solche Toleranzgrenzen hat jedes Fahrzeug", sagen die Tuner und sehen eigentlich keinen Grund, dass die Hersteller die Garantie für beendet erklären. Besser ist es, einen Einbau durch die Chip-Tuner vornehmen zu lassen und eine zusätzliche Garantie abzuschließen. Eine solche umfassende Versicherung ist immer besonders ratsam, wenn die Geschwindigkeits- (V-max) oder Drehzahlgrenze aufgehoben wurde. Denkt man nicht daran oder verzichtet darauf, hängt man als Kunde im Schadensfall zwischen den Seilen. Guter Rat ist dann teuer. Auf Vorschläge, den Chip vor einer Inspektion oder Reparatur durch die Vertragswerkstatt doch schnell mal auszubauen, sollte sich kein Fahrer einlassen. Das ist eindeutig eine betrügerische Handlung.

Rechtliche Konsequenzen

Beim heimlichen Einbau eines Chips erlischt die Betriebserlaubnis (§ 19 Absatz 2, Satz 2 StVZO) für das Fahrzeug. Ergibt sich eine Änderung des Abgas- oder Geräuschverhaltens, kann ebenfalls die Betriebserlaubnis entfallen. Im Zweifelsfall kann es zu einer sehr teuren Voll-Begutachtung des Fahrzeugs kommen. Liefert der Hersteller des Chips ein Teilegutachten mit und wird der im Gutachten angegebene Verwendungszweck eingehalten, dann erlischt die Betriebserlaubnis nicht. Erforderlich wird lediglich eine Abnahme über den Ein- bzw. Ausbau.

Bei Veränderungen der Motorleistung - und das ist ja der Hauptgrund für eine Tuningmaßnahme - ist der Eigentümer des Fahrzeugs verpflichtet, dieses Tuning der Zulassungsstelle zu melden. Kommt der Eigentümer dieser Verpflichtung nicht nach, kann die Zulassungsstelle ebenfalls den Betrieb des Fahrzeugs untersagen.

Der Autofahrer sollte sich auch nicht darauf verlassen, dass die Tuning-Maßnahme beim TÜV oder bei der Abgasuntersuchung nicht bemerkt wird. Zwar ist es oft schwer, einen Nachweis zu führen, doch muss man immer mit erfahrenen Prüfern rechnen. Neben der Stilllegung des Fahrzeugs kann man mit 100 DM Bußgeld und drei Punkten in Flensburg rechnen. Wird man wiederholt erwischt, erfolgt in der Regel ein Fahrverbot.

Konsequenzen hat das Chip-Tuning ebenfalls auf das Versicherungsverhältnis, weil die Versicherer in der Regel von einer anderen Gefahreneinschätzung ausgehen und die Prämien erhöhen. Meldet der Fahrer seine Tuning-Maßnahme nicht und es kommt zu einem Vorfall, erlischt der Versicherungsschutz.

Beim Verkauf des getunten Fahrzeugs sollte der Besitzer den Käufer unbedingt auf das Tuning aufmerksam machen. Besonders wenn der Chip nicht in die Fahrzeugpapiere eingetragen ist, hat der Verkäufer eine Aufklärungspflicht, weil er sonst mit Schadensersatzansprüchen rechnen muss. Entsprechende Vermerke über das Tuning sollten sich ebenso im Kaufvertrag wieder finden. Selbst beim Verleih des Fahrzeugs an einen guten Freund empfiehlt es sich, den Fahrer auf das Tuning und die damit verbundenen Fahrzeugeigenschaften aufmerksam zu machen. Wird der Leihfahrer nicht eingewiesen, muss der Eigentümer des getunten Fahrzeugs ebenfalls mit Schadensersatzansprüchen rechnen.

Lohnt sich das Tuning?

Der ARD-Ratgeber machte einen Test im Bereich des Diesel-Tunings und kommt zu dem niederschmetternden Ergebnis, dass die versprochene Mehrleistung nicht erreicht wird. Lediglich im Bereich des Drehmomentes ergeben sich Vorteile gegenüber den Serienfahrzeugen. Jedoch erreichen auch bei diesem Test die Anbieter nicht die von ihnen angegebenen Leistungsdaten. Der ARD-Ratgeber empfiehlt, lieber gleich einen Diesel mit mehr PS zu ordern.

Die Zukunft?

Eigentlich könnten die Auto-Tuning-Firmen schon heute eine Download-Version ihrer Daten anbieten, denn manche Computerbastler haben ein Eprom-Lese- und Schreibgerät. Nicht unwahrscheinlich wäre auch ein Update der Daten über das Notebook, wenn sich die Tuner entschließen würden, die richtigen Kabel nebst Anschlusssteckern für die Diagnostikschnittstelle zu vertreiben.

Das Eprom lässt sich allerdings inzwischen schon direkt bei laufendem Motor auslesen und verändern. Ein Hersteller offeriert eine Funklösung, mit der das Tuning während der Fahrt eingeschaltet werden kann. Andere Hersteller bieten ein Zusatzsteuergerät an, das die Veränderung am Originalchip nicht mehr notwendig macht. Unverhohlen wird damit geworben, wie schnell diese sicheren und unkomplizierten Geräte ein- und ausgebaut werden können. Digitale Schnittstellen ermöglichen es, inzwischen von fast jedem Fahrzeug die Tachodaten auszulesen und zu verändern.