Ein "Infofrühstück" für die "Generation iPod"

Die neue Minizeitung News Frankfurt bedient eine altbekannte Zielgruppe: Young Urban Professionals

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Bis Montag kannte sie kein Mensch, doch jetzt ist sie da: die "Generation iPod". Passend zur dafür neugegründeten Tageszeitung wurde sie von Leuten aus der Taufe gehoben, denen man die übermäßige Lektüre von "Generation Golf" und eines Marketingwörterbuchs deutlich anmerkt. Der neue Stern am Minizeitungshimmel glüht vor Zuversicht, hat einen starken Verlag im Rücken und Großes vor: News Frankfurt will explizit die Generation ansprechen, die bislang vor schwer verdaulichen Textwüsten zurückschreckte. Das Konzept setzt auf Interaktivität, Recycling, manches Neue und vor allem: billig.

Die Angehörigen der Generation iPod sind "zwischen 20 und 39 Jahre alt, beruflich voll engagiert, konsumfreudig, mobil und nutzen für sich und mit ihren Partnern und Familien die Freizeitangebote der Region", so die Pressemitteilung der Verlagsgruppe Handelsblatt zu "News Frankfurt". Hal Faber würde diese Zielgruppe als Bobos bezeichnen, das Webster-Dictionary und die englische Wikipedia empfehlen eher den Begriff Yuppie zu reanimieren:

An ambitious young adult, usually college-educated, living in or near a large city, with a professional career and an affluent lifestyle.

Yuppiezine für 50 Cent

Der deutsche Blätterwald gilt einerseits als defizitär, andererseits als strukturkonservativ: Die letzten größeren Neuerungen sind Produkte von der "Insel". In Großbritannien wurde sowohl der Vierfarbdruck als auch das Tabloid-Format eingeführt, lange bevor sich die grämende deutsche Tageszeitungslandschaft langsam bewegte. Frischer Wind kann also nur gut tun.

Das dachte man sich auch bei der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck - und gründete die "News Verlagsgesellschaft", die nun erst einmal "News Frankfurt" herausbringt, weitere "Metropolen" nicht ausgeschlossen. Fünfzig Cent und gut - dafür soll der Leser alles wichtige für die "Generation iPod" auf 48 Seiten im Tabloid-Format bekommen. Seit Montag wird der Großraum Frankfurt vorerst kostenlos mit dem kleinformatigen "Tagesmagazin" versehen, bald soll der halbe Euro dann am Kiosk fällig werden. Für Young Urban Professionals ein verschmerzbares Entgelt.

Das ist exakt die Summe, die auch bei der Tabloid-Konkurrenz "Welt Kompakt" über den Tresen wandert. Die "kleine Schwarze" aus dem Axel-Springer-Verlag feierte im Mai erst in Berlin ihre Geburt"Beim Frühstück im Coffee-Shop"), wurde im Juni auch im Rhein-Main-Gebiet weitergetestet und ist seit Montag jetzt auch in München zu haben. Doch anders als die Berliner will man in Frankfurts "News"-Redaktion nicht nur kleiner, sondern auch inhaltlich viel moderner sein. Interaktivität wird großgeschrieben - die Leser sollen per SMS und Website über die Themen des nächsten Tages abstimmen können, außerdem wird fast jeder Artikel mit URLs unterfüttert. Wenn man sich an einem reinen Designobjekt orientiert, das nebenbei auch noch Musik abspielt, ist soviel Interaktivität natürlich angemessen.

Sie haben zu wenig Zeit, um das übergroße Inhaltsangebot einer traditionellen Tageszeitung ernsthaft zu konsumieren und bevorzugen stattdessen elektronische Informationsquellen.

Aus der Pressemitteilung der Verlagsgrupe Handelsblatt

Inhaltlich setzt das Blatt unter der Ägide des Chefredakteurs Klaus Madzia, früher auf dem gleichen Posten bei der selig im Hype verstorbenen NetBusiness des Milchstraße-Verlags, andere Schwerpunkte als die herkömmlichen Tageszeitungen. So drehte sich die "Seite 3", die in allen Zeitungen dem Top-Thema gehört, am Mittwoch um das heiße Eisen Telekommunikationsüberwachung. Doch offenbar ist aufgrund des großen Bildes kaum Platz für Fundiertes geblieben: E-Mail-Kryptografie wird in einem Nebensatz abgefrühstückt - wer Details erfahren möchte, kann ja die Links abtippen. Die Zeitung bezeichnet sich selbst in ihrer Werbekampagne als "Infofrühstück", will maximal "20 Minuten" Lesezeit beanspruchen, Tiefgang ausgeschlossen.

Recycling von Zeitungen, Zeitschriften und Weblogs

Sparsamkeit ist eine Tugend, und wenn der Chefredakteur von der Milchstraße kommt, der Eigner unter anderem auch den Tagesspiegel besitzt und das Unternehmen eine hundertprozentige Tochter des Handelsblattes ist, dann liegt die Mehrfachverwertung (vulgo: Recycling) nahe.

Kostengünstiger als mit bereits bezahlten Artikeln lässt sich keine Zeitung herstellen, sollte man denken. Doch das Konzept der Frankfurter geht noch einen Schritt weiter: Das Beste aus den willkürlich zusammengesammelten Blogs dieser Welt versucht man zu präsentieren. Und um wenigstens etwas eigene große Welt zu machen, darf Frankfurts Prominenz von Roland Tichy (n-tv) bis zu Michel Friedmann in dem Blatt Kolumnen verfassen. Ob die Mischung passt, wird sich zeigen, insgesamt ist der erste Eindruck allerdings eher durchwachsen: Man hat ein typisches Stadt-Webportal der besseren Sorte, um einige tageszeitungstypische Rubriken angereichert, durch den Drucker geschickt.

Ist es also das, was die "Generation iPod" braucht? In Berlin bekommt man zu 8 Brötchen die "Welt Kompakt" kostenlos als Dreingabe - vielleicht schafft es News Frankfurt, seine Zielgruppe durch Beilegen eines iPods zu gewinnen?