Ein Jahr Krieg: Belastungsprobe für die deutsch-US-amerikanischen Beziehungen
- Ein Jahr Krieg: Belastungsprobe für die deutsch-US-amerikanischen Beziehungen
- Die deutsche Industrie könnte bei der China-Politik die Reißleine ziehen
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Die Eskalation des Krieges und eine mögliche chinesische Beteiligung werden Berlin zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden. Eine harte Probe für die transatlantische Freundschaft. Welche Rolle spielt die deutsche Industrie dabei?
Ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine scheint das transatlantische Bündnis wiederbelebt und stärker denn je. Ein wichtiger Bestandteil ist die strategische Beziehung zwischen den USA und Deutschland. Doch aufgrund der wirtschaftlichen und geopolitischen Spannungen der letzten zwölf Monate könnte die Partnerschaft in raue See geraten.
Seit Russlands Einmarsch in der Ukraine vor einem Jahr hat der Westen historisch beispiellose Sanktionen gegen Russland verhängt, die auch den Energiesektor Deutschlands betreffen. Seit den 1980er-Jahren ist das Land auf billiges russisches Gas angewiesen, um seine riesige Industrieproduktion zu versorgen.
Die Hälfte der deutschen Wirtschaftsleistung und fast zwei Drittel der Arbeitsplätze in Deutschland entfallen auf den Mittelstand, d. h. auf die 2,6 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen, die nur begrenzt in der Lage sind, auf plötzlich steigende Produktionskosten zu reagieren. Daher war es für Deutschland besonders schwierig, mit den Auswirkungen des plötzlichen Abbruchs der russischen Energielieferungen fertig zu werden.
Während Deutschland mit einer drohenden Rezession und einem Rückgang des Lebensstandards konfrontiert ist, haben die Vereinigten Staaten teures Flüssigerdgas an Deutschland verkauft, um damit das russische Gas zu ersetzen. Die USA haben davon erheblich profitiert.
Prognosen zufolge wird der europäische LNG-Bedarf von 2021 bis 2040 um 150 Prozent steigen. Zwar fließt bereits jetzt amerikanisches LNG in Rekordmengen, doch es wird noch viel mehr davon benötigt, um die europäischen Gasmärkte wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Die Kosten, die mit dieser verstärkten Abhängigkeit von Flüssiggas verbunden sind, werden tiefgreifende Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie haben. Deutschland und Frankreich haben den USA vorgeworfen, auf Kosten der Europäer von dem Krieg zu profitieren. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire warnte davor, dass der Konflikt in der Ukraine zu einer wirtschaftlichen Dominanz der USA und einer Schwächung Europas führen könnte.
Darüber hinaus hat US-Präsident Joe Biden ein Subventionsprogramm (Inflation Reduction Act, kurz IRA) auf den Weg gebracht, mit dem der Klimawandel bekämpft und gleichzeitig die Industrie und die Infrastruktur in den USA erneuert werden sollen.
Während die Maßnahmen zur Unterstützung der US-Industrie aus innenpolitischen Gründen verständlich sind, birgt die protektionistische Politik Washingtons die Gefahr, dass wichtige Teile der europäischen Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die deutsche Autoindustrie ist durch das Gesetz besonders gefährdet.
Die IRA schreibt vor, dass für grüne Technologien wie Elektrofahrzeuge Teile aus US-amerikanischer Produktion verwendet werden müssen. Außerdem werden hohe Subventionen für grünen Wasserstoff versprochen, was für europäische Hersteller einen Anreiz darstellt, ihre Geschäfte in die Vereinigten Staaten zu verlagern.
Das gilt insbesondere für energieintensive Industrien, die aufgrund der niedrigeren Gas- und Stromkosten bereits beginnen, ihre Produktion nach Übersee zu verlagern. Die deutsche Sorge vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft und einer Deindustrialisierung wird sich sicherlich verstärken.
Während des gesamten letzten Jahres hat die US-Regierung, gefolgt vom Nato-Generalsekretariat und einigen europäischen Regierungen, unmissverständliche politische Erklärungen abgegeben, die diesen Krieg als einen globalen Kampf zwischen Demokratie und Autokratie darstellen.
Der neue Elan, der hinter diesem ideologischen Kampf steht, umfasst neue Taktiken wie das "Friendshoring", bei dem die westlichen Demokratien in gleich gesinnte Länder investieren und zugleich ihre Abhängigkeit von Autokratien vermindern.
Dazu gehört auch die Umleitung von Lieferketten in politisch und wirtschaftlich "sichere" Länder, um mögliche Störungen zu vermeiden. Grund für diese Politik sind die Erschütterungen der Weltwirtschaft durch die Covid-19-Pandemie und den Einmarsch Russlands in der Ukraine.
Trotz dieser neu erkannten Bedrohungen stehen die Taten der Vereinigten Staaten und Deutschlands in krassem Widerspruch zu ihren politischen Erklärungen und ihren wechselseitigen Verpflichtungen.
Die IRA enthält keine Maßnahmen, die den Schutz oder die Subventionen auf Verbündete ausweitet. Er sendet eine klare protektionistische Botschaft an Amerikas Freunde im Ausland. Die EU wiederum hat im Gegenzug ihren Green Deal Industrial Plan präsentiert. Es ist ein Plan zur Bereitstellung von Subventionen für grüne Energie, der die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie angesichts des amerikanischen Protektionismus und der hohen Energiepreise stärken soll.
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