Ein Plädoyer für Abrüstung
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Welches Budget benötigt man für eine effektive Landesverteidigung?
In Zeiten schwieriger werdender Diplomatie ist der schnelle Ruf nach höheren Budgets in Verteidigungshaushalten sehr verlockend. Doch wieviel ist am Ende notwendig, um eine effektive Verteidigung auch umzusetzen? Dieser Artikel soll einige theoretische Überlegungen und die gefühlte Realität in Bezug setzen. Für den Leser mit wenig Zeit: Es sind etwa nur 1/20stel bis 1/10tel des stärksten potentiellen Gegners zum eigenen Schutz nötig. Oft sogar noch weniger. Wieso und warum, lesen Sie gleich hier.
Vielen aufmerksamen Menschen mag es nicht entgangen sein, dass es in der angewandten Kriegsführung wesentlich schwieriger ist, ein gegnerisches Land einzunehmen, als das eigene zu verteidigen. Zeigte die tägliche Nachrichtenberichterstattung der letzten Jahre doch den enormen Aufwand von alliierten Truppenverbänden, der notwendig ist, um im Vergleich sehr schlecht ausgestatteten Terrorgruppen Herr zu werden.
Asymmetrische Kriegsführung ist das Stichwort, welches hier als Begründung angeführt wird. Gemeint ist, dass ein vergleichbar schwacher Gegner selbst mit auf der anderen Seite haushoch überlegenen militärischen Mitteln nur schwer in die Knie zu zwingen ist. Die verteidigenden Truppen agieren oft kleinzellig und sind für eine großflächig taktierende Militärstrategie praktisch immun.
War in den historischen großen Kriegen meistens der Kampf durch Luftüberlegenheit entschieden, so bedeutet in einem asymmetrischen Krieg diese nicht mehr zwangsläufig das Ende des Konfliktes. Um ein gegnerisches Territorium wirklich einzunehmen, bleibt nur die ressourcenaufreibende Bodenoffensive.
Die Kriegsökonomie: Kosten und Nutzen
Zieht man aus den letzten großen Konflikten Bilanz, so kommt man zum Schluss, dass es wesentlich kostengünstiger ist, ausschließlich in eine möglichst effektive Verteidigung zu investieren. Ein eventueller Gegner müsste für die vollständige Unterwerfung einer Region ein Vielfaches der eigenen Verteidigungsausgaben investieren, um in vernünftiger Zeit erfolgreich zu sein. Hierbei soll nicht die totale Zerstörung eines Territoriums mit Nuklearwaffen betrachtet werden, da anzunehmen ist, dass diese keinerlei Nutzen für eine angreifende Partei haben würde, bzw. den Sinn eines Angriffs in Frage stellt.
Ein Angriffskrieg kann nur aus ökonomischen Gesichtspunkten erfolgreich sein, wenn das eroberte Territorium dabei intakt bleibt. Ist die Verteidigungsstärke des begehrten Territoriums jedoch so stark, dass die einzige Möglichkeit einer Unterwerfung in der totalen Zerstörung liegt, ist das Ziel der Verteidiger erreicht. Ein klassischer Eroberungsfeldzug macht für die gegnerische Partei wirtschaftlich keinerlei Sinn mehr. Diese müsste mit herkömmlichen, also nicht nuklearen Methoden einen militärischen Aufwand betreiben, der deutlich über dem Faktor 10 des sich verteidigenden Landes liegt.
Ein Blick in die aktuell in der Welt bestehenden Militärausgaben bestätigt im wesentlichen diese Feststellungen.
Die Zwischenfrage, ob allein ein fortschrittliches Arsenal an Atomwaffen nicht für bleibenden Frieden sorgen würde, soll hier nicht weiter vertieft werden. Nur insoweit sei angemerkt, dass weder die westlichen noch die östlichen Gemeinschaften sich alleine darauf stützen wollen und es auch kein Schutz vor Stellvertreterkriegen wäre.
Reale Kräfteverhältnisse
Im Kräfteverhältnis zwischen USA und Russland kann aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden, dass Russland bislang trotz erheblicher Spannungen nicht von den USA mit Waffengewalt angegriffen wurde und sich sogar dem Entzug wichtiger Territorien (Krim) zumindest aus militärischer Sicht erfolgreich widersetzen konnte. Die militärischen Möglichkeiten Russlands werden oft in der Öffentlichkeit als sehr hohes Risiko und Bedrohung für den Westen dargestellt.
Dabei gibt Russland durchschnittlich pro 1000 m² des eigenen Territoriums lediglich etwa 3,80 $ pro Jahr für die Verteidigung aus. Das errechnet sich aus etwa 65 Mrd. $ Budget nach realistischen konservativen westlichen Schätzungen und ca. 17,1Mio km² Landesfläche. In diesem Vergleich unberücksichtigt, aber nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Budgetangaben aus russischen Quellen mit 48Mrd. $ noch deutlich niedriger liegen könnten. Und damit steht Russland eventuellen mächtigeren Gegnern nicht schutzlos gegenüber.
Die USA investieren dabei jedes Jahr ein Vielfaches. Nach den aktuellen Budgeterhöhungen unter Präsident Trump und unter Hinzurechnung der zusätzlichen Forderungen nach weiteren 20 Mrd. zusätzlich dürften es demnächst etwa 73,20$ pro 1000 m ² und Jahr sein (720 Mrd. $ und 9,8 Mio km²). Nach den vergangenen Senkungen für den Rüstungs- und Verteidigungshaushalt unter Präsident Obama ist das ein neues Allzeithoch sogar noch vor den Rekordausgaben von 698 Mrd. $ im Jahr 2011. Die Gesamtausgaben aller übrigen Nato-Länder belaufen sich aktuell nochmal auf etwa 270 Mrd. $ zusätzlich. Dabei haben alleine schon Frankreich und Deutschland mit zusammen etwas über 80 Mrd. $ Russland bereits finanziell hinter sich gelassen.
Und wenn man die Ausgaben in Relation zu dem BIP setzt, wird man feststellen, dass selbst der vergleichsweise niedrige russische Etat für das Land eine wesentlich höhere Belastung darstellt, als es vergleichsweise in Europa oder den USA der Fall ist. Vor allem, wenn man zusätzlich die Möglichkeiten einer Nation betrachtet, die die einzige Weltwährung stellt und damit auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann, die anderen Staaten nicht zur Verfügung stehen.
So zeigt zum Beispiel die absolute Verschuldung der Staaten den resultierenden Vorteil, den die USA gegenüber Russland erhalten hat. Hier liegt das Verhältnis bei über 1:22. Russlands Schulden nehmen sich mit 984 Mrd. $ vergleichsweise gering aus gegen das Defizit der USA mit 21.642 Mrd. $. Die finanziellen Mittel, über die die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit zusätzlich verfügen konnten, sind bemerkenswert.
Einflusssphären sind wichtiger als die Menschen
Da hilft auch das Argument nicht mehr weiter, dass Kriege ja auch zu "humanitären" Zwecken geführt werden. Nicht, dass alleine der Begriff "humanitäre Kriegsführung" schon eine Verspottung jeder Menschlichkeit an sich ist. Auch eine eher emotionslose Betrachtung der Realität und der Ergebnisse zerstört jede Illusion, dass es "gute" Kriege geben könnte.
Auf der einen Seite mag alleine schon die selektive Auswahl der Krisengebiete (Öl- und Gas-Vorkommen, Pipeline-Routen, etc…) auf die dahinterstehenden Motivationen Rückschlüsse zulassen. Auf der anderen Seite zeigen die "befreiten" Staaten, wie herzlich egal den "guten" Kriegern die Menschen am Ende sind. Die Länder bleiben ohne Hilfe teilweise völlig sich selbst überlassen, zuvor schwelende Konflikte verwandeln sich ungehindert in handfeste Bürgerkriege.
Auch das Argument des "Schutzes" für andere befreundete Staaten ist nicht überzeugend. Eine damals bis an die Zähne bewaffnete Sowjetunion schaffte es nicht, das recht schwache Afghanistan einzunehmen. Und auch die USA haben ihre Lektion in Vietnam lernen müssen. Diese beiden Beispiele zeigen erneut, wie wenig Mittel notwendig sind, um sich gegen eine angreifende Übermacht effektiv zur Wehr setzen zu können.
In Wirklichkeit steht immer die Vergrößerung der eigenen wirtschaftlichen und militärischen Einflusssphäre als übergeordnetes Ziel im Vordergrund. Sie wird auch angewendet, um andere Staaten an dem gleichen Ziel zu hindern.