Ein Quantum Schrott
- Ein Quantum Schrott
- Eine Vision großer Gleichheit: Ist das alles kostenlos?
- Auf einer Seite lesen
Fünf Freunde im Cyberspace: "MindGamers", der erste Red-Bull-Film, ein Quantenthriller
Nicht nur Fußball, sondern auch Kino. Strebt der "Red Bull"-Konzern jetzt nach der Weltherrschaft? Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz jedenfalls, der bekanntlich schon dabei ist, sich den deutschen Profifußball unter seine persönlichen Nägel zu reißen, streckt nun die Fühler auch auf das Kino aus. Mit einem "Quantenthriller". Denn Quantenphysik ist einfach derart kompliziert, dass sie gar keiner richtig versteht. Darum kann man alles mit ihr machen.
Mind Gamers ist der Titel eines Wettbewerbs, den die österreichische Brausedosen-Firma "Red Bull" als "Weltmeisterschaft für Denksport-Profis" bezeichnet. Worum es da geht? Im Newspeak des Marketing-Deutsch formuliert, kommt es bei der Weltmeisterschaft "Mission: Unlock Enoch World Finals", die gerade Ende März 2017 stattfand, auf logisches und strategisches Denken, Kreativität, visuelle Vorstellungskraft sowie Schnelligkeit an.
Die aus über 9.000 Bewerbern zusammengestellten Teams aus 22 Ländern messen sich geistig und körperlich aufs Höchste. Bei dem Spiel sind die Akteure in einem Raum eingeschlossen. Damit sie aus diesem in einer vorgegebenen Zeit "fliehen" können, müssen sie die darin vorhandenen Elemente nutzen, um eine Serie von Aufgaben und Rätseln gemeinsam zu lösen. Die betreffenden Aufgaben wurden vom Game Lab des MIT und der Technischen Universität Wien entwickelt. Die ungarische Hauptstadt ist nicht zufällig als Austragungsort der WM ausgewählt worden - in Budapest und in Orbans Ungarn denkt man schnell an einen Escape Room.
Schrödingers Katze beim Free-Running
"MindGamers" - man bemerke bitte, dass in diesem Fall der Titel zusammengeschrieben wird - ist ein österreichischer "Quantenthriller". So lautet die Formulierung der Produktionsmitteilung, deren Verfasser dem Anschein nach viel Red Bull getrunken haben: "aufgrund realer aktueller wissenschaftlicher Entwicklungen" ... "erster Action-Film im Kopf", "ein hypermodernes Kinoerlebnis, das die vielschichtigen Dimensionen von Bewusstseinsmanipulation erfahrbar macht". Das ist ein Science-Fiction-Geschwurbel zwischen esoterischem Berlin-Mitte-Wohlfühl-Mystizismus, Technik-Fetischismus, hohlen Philosophie-Blasen und primitiver Emotionssteuerung.
Regie führt der namenlose Andrew Goth, besetzt wurde mit relativem Staranteil: Sam Neill, seit "Jurassic Park" bekannt, Tom Payne aus "Der Medicus", Antonia Campbell-Hughes, die in der Passionsgeschichte "3096 Tage" die Hauptrolle der Natascha Kampusch spielte. Dabei ist auch die österreichische Schauspielerin Ursula Strauss, die einzige in der ganzen Runde, der durch Auftritte in Autorenfilmen ein echtes Top-Niveau nachgesagt werden kann.
Ein Quantum Schrott (8 Bilder)
Produziert wurde alles ganz und gar nicht zufällig von der Red-Bull-Tochter "Terra Mater Film Studios". Das gesamte Marketingtalent des Mutterkonzerns Red Bull wird für die "MindGamers"-PR aufgeboten. Bei der Filmpremiere wurden etwa 1.000 Zuschauer mittels EEG-Stirnbändern in ihren Reaktionen ausgelesen, was Neurowissenschaftern zur Auswertung und Technikern zur Visualisierung dient - gleichsam als Bild eines kollektiven menschlichen Bewusstseins.
Die eigentliche Botschaft dieses Films ist also: Red Bull ist da. Nicht nur im Fußball, jetzt auch im Kino. Wir verleihen Flügel.
Wer will Beyoncé werden?
Die Filmhandlung ist schlicht: Ort der Handlung ist eine Elite-Universität, die ausgerechnet "DxM Academy" heißt. "DxM" steht für "Deus ex Machina". Eine Gruppe junger und selbstverständlich genialer Studenten des Bio-Engeneering schafft den großen wissenschaftlichen Durchbruch, angeblich "den bedeutendsten aller Zeiten". Womit genau, das ist eigentlich völlig unklar, macht aber nix, da es um Quantenphysik geht, wo sowieso das Unklare, die "Unschärfen", das einzig Kontinuierliche sind.
Gehen wir kurz darauf ein: "MindGamers" hat einen echten Vorteil: Er erkennt das kreative poetische Potential der Quantentheorie. Indem die Quantenphysik beschreibt, dass Gleiches sich je nach Situation unterschiedlich manifestiert, und dass Gleiches widersprüchliche Eigenschaften haben kann, ist sie schöpferisch und gestattet Freiheit. Der Kosmos ist kein stählerner Käfig, sondern ein sprudelnder Quell. Diesem Film allerdings hat diese Erkenntnis nichts genutzt.
Im Prinzip geht es im Plot des Werkes darum, mit Hilfe der Quantenphysik die Gehirne der Individuen zu einem Netzwerk zu verbinden, "Inhalte" und Fähigkeiten von einem zum anderen zu übertragen und damit eine Art fleischgewordenen Supercomputer zu erschaffen. Im Film klingt das nicht so gut, wie in der intellektuell wirklich unschlagbaren Pressemitteilung: "Was würde passieren, wenn wir plötzlich den Verstand und die Fähigkeiten von Stephen Hawking, Beyoncé, Usain Bolt und jeder beliebigen Person auf der gesamten Erde teilen könnten?"
Wir erinnern uns: Seit Jahrtausenden arbeiten Philosophen am Geist-Leib-Problem, das hiermit endlich en passant gelöst wäre. Wir erinnern uns weiter: Der japanische Anime "Ghost in the Shell", inzwischen ein Klassiker und gerade mit Hollywood-Update versehen, endete 1995 mit der Verschmelzung zweier Gehirne und zweier Seelen zu einem quasi mensch-maschinesken Doppelpack, einer neuen Spezies, von der wir seither leider nichts gehört haben. Im Film ist dann viel die Rede von einem Quantencomputer und einem "kabellosen" neuronalen Netzwerk.
Das ist nicht nur großspurig, sondern recht ungesicherte Fantasy, auch wenn die Drehbuchautorin und Produzentin Joanne Reay behauptet, der Film sei nicht Science-Fiction im engeren Sinne: "Nichts im Film ist unsere Erfindung, sondern er basiert auf Fakten." Und auch wenn man sich als wissenschaftliche Berater Mitglieder aus dem Team des Wiener Experimentalphysikers Anton Zeilinger eingekauft hatte.