Ein Ring, sie zu knechten

Seite 2: USA - der lachende Dritte

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Kein Korrektiv in Sicht

Und die selbsternannte vierte Macht? Anstatt von den europäischen Regierenden gemeinsame und langfristige Konzepte für friedliche Partnerschaften einzufordern, wird jeder noch so abenteuerliche Coup orchestriert. Da wird fein geschwiegen zu den katastrophalen Ergebnissen der EU-Außenpolitik in Libyen, Syrien und anderswo, da wird Putin mit selbstgerechter Menschenrechtsrhetorik ans Schienbein getreten, bis es kracht.

Als ihn Journalisten des eigenen Hauses auf die parteiische und verzerrende Ukraine-Berichterstattung der ARD ansprechen, erklärt der Chefredakteur der öffentlich-rechtlichen Nachrichten, Kai Gniffke, schnoddrig: "Wir sind nicht diejenigen, die mit dem Rechenschieber Politikberichterstattung machen." Die exakten politischen Verhältnisse sind der ARD nicht so wichtig, soll das heißen. Er sehe seine Aufgabe darin, zu "bewerten" und zu "gewichten", so Gniffke. Soll heißen, ein Anspruch auf ausgewogene Information besteht bei der ARD nicht.

Und bei den Privaten sieht es nicht besser aus. Ulrich Jörges, Chefredakteur des Stern und ehemals linksliberaler Querulant am Medienhimmel, blaffte die Linken-Vertreterin Sahra Wagenknecht in der legendären Lanz-Sendung an, die EU sei keine Militärmacht. Am selben Tag beschloss der Bundestag die Truppenentsendung nach Mali. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich 6.000 Bundeswehrsoldaten in aller Welt.

Leider bietet auch die parlamentarische Opposition kurz vor den Europa-Wahlen wenig Anlass zum Optimismus. Die Grünen teilen mit der Kanzlerin das Konzept einer moralischen Außenpolitik. Katrin Göring-Eckardt findet natürlich auf dem Maidan, in Mali oder sonstewo unterdrückte Geschöpfe, die sich möglicherweise mit Waffengewalt beglücken lassen. Seitdem Joschka Fischer im Jahr 1999 unter Tränen Erkenntnisse über einen angeblichen "Hufeisenplan" anführte, um in Jugoslawien einzumarschieren, scheint es für Grüne Außenpolitik nur noch moralische Argumente und militärische Mittel zu geben. Der NATO-Neo-Biedermeier ließ es sich nicht einmal nehmen, den damaligen Außenminister Westerwelle zu schuhriegeln, weil der in einem Militäreinsatz in Libyen "unkalkulierbare Risiken für die Region" sah.

Während die bürgerliche Außenpolitik auf Aufstand, Putsch und bewaffneten Kampf setzt, erinnern sich scheinbar nur die Linken an völkerrechtliche Verbindlichkeiten und Grundsätze einer friedlichen Außenpolitik. "Erpressungsversuche, egal von welcher Seite, müssen unterbleiben", appellierte etwa Stefan Liebich, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, bereits Anfang Dezember. Und er warnte frühzeitig davor, Personen wie Swoboda-Chef Oleg Tjahnybok, der die Ukraine von einer "russisch-jüdischen Mafia" beherrscht sieht, zum Oppositionssprecher zu stilisieren. Gregor Gysi, der den Eindruck hat, "medial wieder im Kalten Krieg" zu leben, fordert "Diplomatie, Diplomatie, Diplomatie". Und als einziger Politiker benennt er die deutsche Verantwortung: Mit dem Ultimatum, entweder ein Abkommen mit der EU oder die Zollunion mit Russland zu unterzeichnen, habe Angela Merkel Russland brüskiert und die Ukraine zerrissen.

Der lachende Dritte

Die Außenpolitiker der USA gießen unterdessen munter Öl ins Feuer, wo sie nur können. Ein herzhaftes "Fuck" für die EU reicht aus, dass der Sozialdemokrat Steinmeier aus dem Anzug springt und Tjahnybok die Hand schüttelt. In Syrien versorgen die für die Außenpolitik zuständigen Dienste dubiose Aufständische tonnenweise mit Waffen. Aus Libyen verabschiedete sich Präsident Obama mit dem Hinweis, für den Scherbenhaufen sei nun die Europäische Union zuständig. Den Verbündeten wurde aber noch eine Rechnung für den Militäreinsatz geschickt.

In Ägypten konspirieren die Amerikaner gemeinsam mit dem Militär gegen die gewählte Regierung der Muslimbrüder, nachdem die engen US-Verbündeten Saudi-Arabien und Katar die Islamisten zunächst angefeuert hatten. Der Iran wird seit Jahren mit amerikanischen Auflagen hinsichtlich seiner Technologie-Politik traktiert. Und für den vorläufigen Höhepunkt der aktuellen Krise hitlert die ehemalige Außenministerin Clinton den russischen Präsidenten, während die EU-Außenminister in Paris versuchen, still zu verhandeln.

Diese Haltung bringt den USA zwar keine mittelbaren Vorteile, aber sie schadet der Europäischen Union. Und das in einem Ausmaß, das spätestens mit dem Ukraine-Konflikt deutlich erkennbare Formen annimmt. Europa schneidet sich ohne Not von den enormen wirtschaftspolitischen Kapazitäten Russlands ab, es blockiert seine Landverbindung mit dem asiatischen Kontinent und legt die nahe liegenden Energiequellen im Nahen Osten und Nordafrika in Schutt und Asche.

Die USA muss das nicht kümmern, denn erstens spielen Russland, die Ukraine und die gesamte europäische Peripherie für sie wirtschaftspolitisch nicht die geringste Rolle. Und zweitens kommen die USA auch hintenrum an ihr Ziel: Seit 2009 orientiert sich das Land außenpolitisch Richtung Pazifik. Dieser "Pivot to Asia", Hillary Clinton sprach bereits von "Amerikas pazifischem Jahrhundert", richtet sich auf eine langfristige Verbindung mit dem größten Kraftzentrum der Weltwirtschaft aus. Aufgrund seiner privilegierten Insellage müssen die USA auf nachbarschaftliche Beziehungen ohnehin nicht sonderlich viel Rücksicht nehmen und energiepolitisch arbeitet das Land erfolgreich an seiner Autonomie. Kurz: Die USA können sich, anders als Europa, ihren Unilateralismus leisten.

Das heißt nicht, dass sich hier irgendeine Verantwortung abwälzen ließe. Europäische Außenpolitik liegt in europäischer Verantwortung. Aber natürlich weiß man in Washington - die NSA lässt grüßen - wie empfänglich die ostdeutsche Protestantin Angela Merkel für Hinweise auf Menschenrechtsprobleme speziell in Russland ist. Und es funktioniert: Gegenwärtig ist von der berühmten "interessengeleiteten Außenpolitik Deutschlands" nichts mehr zu erkennen. Und am Ende werden die Europäer alleine dastehen, wenn die Kosten für die aktuelle - wertegebundene - Konfrontationspolitik anfallen. Aber ganz sicher wird dann niemand eingestehen können, dass es vielleicht keine gute Idee war, im eigenen Vorgarten nicht nur herumzutrampeln, sondern ihn gleich in Brand zu stecken.