Ein (Waren)Korb für die Klugheit

Ein Kölner Dienstleister hat sich im Namen der virtuellen Wissensgesellschaft aufgemacht, das bundesrepublikanische Tal der Ahnungslosen mit einem neuen Online-Lehrangebot zu beglücken

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Zum ersten Eindruck: Frames und PHP sind das Gebot der Stunde. Nicht eben professionell, aber mit kleinen Datenbanken und einem schlichten Einsatz derselben, mag man hinkommen. Richtig überrascht wird der Surfer nach dem Klicken auf einzelnen Themen zwecks inhaltlicher Begutachtung.

Der altbekannte Chartstürmer aus der FLASH-Parade begrüßt den Neugierigen mit einem sympathischen Loading. Ja! Richtig gelesen. Ich hatte mir das Thema JURA/BGB ausgesucht und sollte nun etwas über die Prokura erfahren. Und tatsächlich, nach einiger Ladezeit fliegen auch schon von allen Seiten die Buchstaben auf meinen viel zu kleinen Schlepptop-Display. Einige Minuten später erscheint dann die Lernoberfläche in 400x400Pixeln Größe. Die Texte selbst sind ungefähr in der Höhe 7pt anzusiedeln und erfordern die Lupenfunktionen meines PC.

Da ich wenig masochistisch veranlagt bin, nahm ich die gewaltigen 1kb/sec auf mich und lud in einem Rutsch von zwei Minuten ein 97kb PDF herunter. Der Inhalt entsprach ungefähr dem, was man in guten Rechts-Ratgebern vom Grabbeltisch im Ausverkauf erwartet. Feinheiten, Sachverhalte zur näheren Erläuterung oder gar Diskussionen, Hinweise zu besonderen Urteilen oder der herrschenden Meinung sind wohl nicht nötig, wenn man virtuell studiert - solche FLASH-Ratgeber als virtuelle Lernumgebung zu bezeichnen, wäre ähnlich sinnvoll wie Peter Maffay statt Shaqueel O'Neal (berühmter Basketball-Riese) bei den Play-Offs der NBA einzusetzen.

Virtuell ist hier wohl ein Euphemismus für FLASH-Animationen. Der geneigte Leser verstehe mich nicht falsch, ich habe nichts mehr gegen FLASH, ich habe mich an die elend langen, modernen, virtuellen Ladezeiten gewöhnt - aber für Texte gibt es doch andere Präsentationsformen im Netz. Aber (D)HTML kann halt nicht jeder anwenden. Warum auch, geht schneller als FLASH und ist somit kostengünstiger. Aber das ist ja kein Argument bei derart neuen Technologien wie New Virtual Learning.

Zurück zum Eigentlichen, denn wenn man die klingenden Namen der wissenschaftlichen Beiräte aufzählen würde, bräuchte man Minuten. Bei den Juristen (Fachbereich ist ein Begriff, den ich hier lieber nicht anwende) hat sogar die ehemalige Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger im Beirat Platz genommen. Es gibt also Grund zur Annahme, dass die drei Gründer der virtuellen Lehranstalt noch weitere Angriffe auf kaum besetzte Begriffe fahren. Wir ahnen es schon: es soll die erste, beste und marktführende Wissensmanagement-Plattform von Wissenschaftlern für Wissenschaftler etc pp. werden.

Wir werden sehen. Einstweilen empfehle ich weiterhin die verbesserungswürdigen, aber doch anerkannten Institutionen der Virtuellen Hochschule Bayern und der virtuellen Universität der FernUni Hagen. Neben diesem Angebot machen sich die staatlich unterstützten Angebote wie ein Schlaraffenland aus. Wer einmal das Glück hatte, am virtuellen Campus von IBM oder XEROX zu studieren, dürfte über beide Versuche die Nase rümpfen. Die amerikanischen Lehrangebote nutzen sehr selten FLASH - vielleicht liegt es daran, dass sie Entertainment und Lernen auf eine andere Weise verknüpfen als über Technik.

Wie wäre es mit pädagogischen Konzepten für virtuelle Lernumgebungen und einer Anpassung platter Ratgebertexte an die Gegebenheiten im Internet? Aber dann kostet ein Jurakurs für Prokura wahrscheinlich richtiges Geld in der Herstellung. So etwas können Werkstudenten eben nicht nebenbei erledigen.