Ein Weihnachtsmarkt als Festung
Mit einem LKW kommt man in diesem Jahr nicht mehr auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz
Der regenverhangene Himmel dürfte die Stimmung auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz in diesem Jahr stärker beeindruckt haben, als die Erinnerung an das Attentat vor zwei Jahren. Die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Platz herum fallen von außen deutlich auf. So sind die Fahrspuren auf der dem Platz zugewandten Seite gesperrt oder durch eine große Zahl von Pollern, die den passenden Namen Truckblock tragen, zum Hindernisparcours für die Linienbusse entwickelt worden, der nur in Schrittgeschwindigkeit durchfahren werden kann.
Dass jemand von den noch unbehindert befahrbaren Spuren mit Gewalt auf die abgesperrten Spuren wechseln kann, wird durch im Boden verankerte Absperrungen aus Beton verhindert und als letzte Sicherungsmaßnahme findet sich noch eine Reihe von Sandsäcken, die sich in einem langgezogenen Drahtkäfig verstecken.
Breitscheidplatz, Berlin (7 Bilder)
2,5 Millionen Euro haben die Maßnahmen gekostet, mit welchen der Berliner Senat in diesem Jahr den Breitscheidplatz sicher machen will. Was von außen den Eindruck eines Hochsicherheitsbereichs erweckt, zeigt sich im Innern als das übliche Weihnachtsmarktgeschäft. Wobei an das Weihnachtsfest nur noch die Musikbeschallung und die Dekoration mit Tannenbäumen und Tannenreis am Boden erinnert. Unter den etwa 200 Ständen findet man mit einiger Mühe eine handvoll Kunstgewerbehändler, die mehr oder weniger Weihnachts-Affines anbieten.
Der große Rest der Stände lässt sich unter der Rubrik Fress- und Saufgass einordnen, wobei Gasse nicht wirklich zutreffend ist. Es handelt sich aufgrund ihrer Breite eher um Sauf- und Fressplätze. Dass der Weihnachtsmarkt trotz dem üppigen Alkoholangebot mit einem Dutzend verschiedenen Glühweinen und sonstigen geistreichen Getränken dennoch nicht zum Ballermann eskaliert, mag nicht zuletzt an der ebenso üppigen Polizeipräsenz mit zahlreichen einschlägig folierten Fahrzeugen und den auffallend häufigen Fußstreifen zu viert auf dem Platz rund um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche liegen.
Stimmung gut, aber nicht ausgelassen
Zwischen den Glühwein-Ständen und dem sonstigen Alkoholangebot gibt es von frischen Kartoffelchips über Berliner Handbrot und die in Berlin schon ubiquitäre Currywurst allerlei Weihnachtsgebäck und sonstige Süßigkeiten wie gebrannte Mandeln, die man auch auf jedem besseren Jahrmarkt findet. Wenn man das Angebot an Speisen und Getränken überschaut, so stellt man fest, dass die Besucher während ihres Weihnachtsmarktbesuchs sich mit der Frage gesunder Ernährung ganz sicher nicht konfrontieren lassen wollen.
Das Angebot an fettgebackenen und süßen Leckereien wie Nürnberger Lebkuchen und kandierten Äpfeln sowie den zahlreichen Würsten und Raclettes bereitet den Magen schon mal auf die fette Weihnachtsgans und die Unmengen an Weihnachtsplätzchen der kommenden Tage vor.
Die großzügig bemessenen Gänge und die zahlreichen kommunikativen Inseln auf dem Markt sorgen dafür, dass es im abendlichen Betrieb nur zu ganz wenig Rempeleien kommt und in diesem Zusammenhang auch die in Berlin endemischen Taschendiebe kein freies Arbeitsumfeld genießen dürfen. Hier mag die heftige Umzäunung des Breitscheidplatzes, die vor Attacken von außen schützen soll, letztlich auch dafür sorgen, dass die Beute der Taschendiebe das Gelände nicht so einfach verlassen kann. Eher wird der fußmüde Besucher der weihnachtlichen Insel von den Kabelbrücken beeinträchtigt, die mehr oder weniger unerwartet seinen Weg queren und sich seinem schlurpenden Gang in den Weg legen.
Wen es nach dem Gang durch den Weihnachtsmarkt zum Sitzen drängt, findet da kostenfrei nur auf dem Rand des winterlich trockengelegten Brunnens oder in der nahe gelegenen Kirche eine passende Gelegenheit oder er strebt in das beheizte Pop-up-Restaurant namens Hirschstube wo weihnachtliche Gaumenfreuden von den mit Entenfleisch gefüllten Klößen, der klassischen Weihnachtsgans und einer Gulaschsuppe auf Sternen-Niveau serviert werden. Schließlich wurde der Küchenchef 2001 vom Gault Millau zum Koch des Jahres gekürt.
Obwohl sich der größte Teil des Angebots ob seines Alkoholgehalts nicht gerade an Kinder richtet, gibt es auch ein paar Attraktionen für den Nachwuchs. Dazu zählt ein Kinderkarussell und ein sogenanntes Mini-Riesenrad. Ja in Berlin gibt es Mini-Riesen und daher auch die dazu passenden Räder.
Anders als die ursprünglichen Weihnachtsmärkte ist der Markt auf dem Breitscheidplatz nicht mit dem Erreichen der Weihnachtsfeiertage am 24. Dezember beendet, sondern bietet zum Jahresende an Sylvester nochmals mehrere Feuerwerke. Zahlreiche der Besucher haben bei ihren Umläufen um die Gedächtniskirche dann an den Stufen mit den vielen brennenden Kerzen dann doch mal innegehalten und sich an das Attentat vor zwei Jahren erinnert und dass dessen Hintergründe noch immer nicht restlos aufgeklärt sind und weder die Angehörigen der Opfer von damals mit der Aufarbeitung durch die staatlichen Behörden zufrieden sind, noch der Eigentümer des inzwischen verschrotteten damals fast fabrikneuen Lastwagens, dessen Cousin in der Vorbereitung des Attentats ermordet wurde.
Am Lastwageneigentümer soll bis heute ein materieller Schaden von 90.000 Euro hängen geblieben sein, auch wenn ihm Scania die Leasingraten für das nicht mehr verfügbare Fahrzeug auf Kulanz erlassen hat.
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