Ein abwesender Bundeskanzler Schröder irritiert die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz

Auf der Sicherheitskonferenz in München bemühte sich Haudegen Rumsfeld um Konzilianz, es nahmen weniger Menschen den Protesten teil, dafür gab es erstmalig eine Friedenskonferenz

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Eigentlich wollte er gar nicht kommen, aber er hat sich kurzfristig anders entschieden und steht prompt im Mittelpunkt des Interesses. Die Rede ist von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der in diesem Jahr die alljährliche Sicherheitskonferenz in München nicht besuchen wollte. Er wollte mit seiner Absage seinen Unmut darüber ausdrücken, dass der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck namens der US-Menschenrechtsgruppe Center for Constitutional Rights und vier misshandelter irakischer Staatsbürgern (Ein System der Folter in Guantanamo) Strafanzeige gegen ihn wegen Folterungen in Abu Ghraib erstattet hatte (Im Kampf gegen den Terrorismus sind nicht alle Mittel erlaubt) Aber nachdem Generalbundesanwalt Kay Nehm termingerecht mitgeteilt hatte, dass er keine Ermittlungen einleiten will, kam er doch angereist, um im Sinne der US-Regierung die transatlantischen Beziehungen neu zu knüpfen.

Keine neuen Konflikte aufkommen lassen, ist die Devise. Peter Struck und Donald Rumsfeld während der Konferenz. Foto: Sebastian Zwez

Die alten Konflikte würde man gerne vergessen, ein Schulterschluss zwischen EU und USA gegen den "gemeinsamen Feind Terrorismus" war in diesem Jahr in München angesagt. Das ist für Rumsfeld auch kein großes Zugeständnis. Schließlich ist die US-Administration überzeugt, dass im Irak sowieso fast alles so läuft, wie sie es wollte. Mögliche Konflikte um den Iran versucht man lieber klein zu halten, obgleich die Gefahr der Wiederholung droht.

Ungeachtet aller diplomatischen Höflichkeitsfloskeln wäre vielleicht auch der Bundesregierung eine Sicherheitskonferenz ohne Rumsfeld nicht ungelegen gekommen. So hätte sie sich stärker als ziviler Gegenpart gegen die Bush-Regierung profilieren können. Die Auszeichnung des UN-Generalsekretärs Kofi Annan mit der erstmals verliehenen Friedensplakette der Sicherheitskonferenz weist in diese Richtung. "Frieden und Sicherheit - zwei Seiten einer Medaille". so der offizielle Kommentar. Ohne Rumsfeld wäre auch Schröders Reformvorschläge für die "transatlantische Bindung" und vor allem die Nato, die der unvorbereitete Verteidigungsminister Struck wegen der Erkrankung des Bundeskanzlers an seiner Stelle verlesen musste, wahrscheinlich weniger konsterniert aufgenommen worden.

Die an der Vergangenheit orientierte Nato sei, so Schröder aus dem Munde von Struck, nicht mehr der primäre Ort, an dem die transatlantischen Partner ihre Sicherheitspolitik koordinieren. Die Weltlage habe sich verändert. Er forderte gegenüber der Nato eine Stärkung der Position der EU und mit dem Abrücken von der Nato auch ein weniger auf militärische Lösungen ausgerichtetes Bündnis. Zudem müsse Russland stärker einbezogen werden, aber es ging ihm natürlich auch um ein größeres außenpolitischen Mitspracherecht für Deutschland. Rumsfeld versuchte, konziliant zu bleiben, betonte aber die Bedeutung der Nato, die für ihn das "eindrucksvollste Bündnis in der Geschichte der Menschheit" darstellt. In seiner Rede beschwor er die Einheit: "As Winston Churchill once said of our Atlantic Alliance: 'If we are together, nothing is impossible.'" Auch Struck schloss sich dieser Haltung an, neue Konflikte zu vermeiden, und versicherte, Schröder wolle nicht die Nato beerdigen, sondern lediglich die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Nato stärken. Und Struck erklärte, dass die Bundesregierung bereit sei, sich an einem Einsatz der Nato zur Unterstützung eines Friedensabkommens zwischen Israelis und Palästinensern zu beteiligen.

Um wirtschaftliche Interessen ging es bei der Finanzierungskonferenz Nordafrika/Mittelost, die erstmals unmittelbar vor der Sicherheitskonferenz unter dem Motto "Mehr Sicherheit durch Investitionen" in München stattfand. 250 Personen aus Wirtschaft und Politik haben an der von deutschen Wirtschaftsverbänden ausgerichteten Konferenz teilgenommen. Kritiker sehen hier deutsche Wirtschaftsinteressen unter EU-Deckmantel am Werk. Die Finanzierungskonferenz war auch der Auftakt der diesjährigen Proteste in München. Während am Freitag nur knapp 500 teilgenommen hatten, waren es auf der großen Demonstration ca. 5000. Damit wurde die Teilnehmerzahl der Vorjahre nicht erreicht.

Erstmals fand in München eine prominent besetzte Friedenskonferenz statt. Doch schon im Vorfeld gab es internen Streit. Um die Räumlichkeiten im Rathaus nicht zu verlieren, willigten die Veranstalter auf Druck des Münchner Oberbürgermeisters ein, den Aufruf zu verändern und einige Mitveranstalter zu streichen. Schließlich wollte man die Prominenten nobel begrüßen. Inhaltlich waren jedoch gerade die Koryphäen, wie Horst-Eberhard Richter und Hans-Peter Dürr eher eine Enttäuschung. Über die Aneinanderreihung von immergleichen Textbausteinen, die schon häufig vorgetragen haben, kamen sie nicht hinaus. Neue Erkenntnisse hingegen brachte Gerald Oberransmayer, ein in Deutschland noch wenig bekannter Friedensaktivist aus Linz und Autor eines Buches über die EU-Militarisierung. Er zeigte die aktuellen Aufrüstungsbestrebungen der EU auf, die der USA nicht nachstehen, und kritisierte außerdem die EU-Verfassung, die in Artikel I-41 eine Verpflichtung zur Aufrüstung enthält. Damit widersprach er seinen Vorrednern Dürr und Richter, die sich wie der Mainstream der deutschen Friedensbewegung auf eine Friedensmacht EU im Gegensatz zur Kriegsmacht USA beziehen. Das Interesse an Oberransmayers Ausführungen zeigt, dass seine Argumente mittlerweile größere Beachtung finden.