Ein bisschen Unfrieden

Grafik: TP

Eine Meinung zur Tagung "Familienkonflikte gewaltfrei austragen"

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Das Bällebad, in dem die neuen Rechten zur Selbstbespaßung so gerne untertauchen, enthält ausschließlich verkeimte Ideologie-Museumsstücke, die man schon lange hätte aussondern müssen. Besonders eifrig spielen die Helden der moralischen Rückverdummung mit einem Ball, der ihre Familien- und Geschlechterideologie enthält. Unter dem angebräunten Plastik halten sich Papa, Mama und die lieben Kinderchen an den Händen, um nach deutschen Weisen im Kreis zu tanzen. Demnächst soll die müffelnde Schneekugel in Frankfurt als moderne Familienpolitik angepriesen werden.

Was Goethe vom Gold sagt, gilt auch von der deutschen Universität: Zu ihr drängt, an ihr hängt doch alles. Jeder Gimpel, der etwas bedeuten will, möchte sein Programm gerne universitär verankern. Ob es die Homöopathen, die Astrologen oder andere Experten sind: Sie suchen immer die Absolution durch die Wissenschaft, die sie ansonsten doch überwunden zu haben behaupten. Vom Hogwarts an der Oder bis zum Schwesterinstitut in Witten/Herdecke: Es ist nicht immer Wissenschaft drin, wo Universität draufsteht.

Auch in Frankfurt/Main soll das demnächst unter Beweis gestellt werden. Sie kommen in Frieden, die Veranstalter der Tagung "Familienkonflikte gewaltfrei austragen", geplant vom 13. bis zum 15. 4. an der dortigen Universität. Was könnte man gegen Gewaltfreiheit in der Familie einzuwenden haben? Das Problem: In Deutschland reimen sich manchmal nicht nur "Universität" und "Wissenschaft" nicht. Auch "Gewaltfreiheit" bedeutet hier gern mal ganz was anderes.

Das wird schnell klar, wenn man sich die Aktiven hinter der Tagung anschaut. Da wäre zum Beispiel Prof. Dr. Gerhard Amendt, der wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung. Amendt ist 2009 mit der These aufgefallen, dass Frauenhäuser vor allem "ein Hort des Männerhasses" seien.

Als Hauptorganisator des gewaltig gewaltfreien Kongresses tritt auf: Tom Todd, Männerrechtler der ersten Stunde. Er warnt gern vor der "Normalisierung der Homosexualität" und betreibt auch den "Agens e.V." maßgeblich mit. Das ist ein Verein, der genau weiß, was die natürliche Bestimmung von Männern und Frauen ist:

AGENS greift mit Empathie und Engagement die natürliche Verschiedenheit von Mann und Frau auf. Diese Verschiedenheit liegt in der Natur von Mann und Frau und ermöglicht, dass sie sich gegenseitig ergänzen, eingebettet in ihrer Beziehung und Liebe zueinander. Das Paar Mann und Frau wird mit dem Kind zur Triade Vater - Mutter - Kind. Diese Triade ist unser Leitmotiv.

(AGENS)

Ein weiteres Leitmotiv ist die Gewissheit, dass der Weltfeminismus, die"Homolobby" und andere Weltübel von Leuten wie George Soros finanziert wird. Da trifft es sich gut, dass der Agens e.V. ziemlich dicke mit den Machern der "Demo für alle" ist, die auch eine ganz genaue Vorstellung von ihren Lieblingstriaden haben. So weiß, so krampfhaft heterosexuell und auf die Kleinfamilie bezogen ist diese Vorstellung, dass die Dauerdemo "für alle" besser "Demo gegen alle anderen" heißen würde. Und spätestens, wenn bei den "Demo für alle"-Unterstützern auch jemand wie Gabriele Kuby mitmischt, steht der Charakter dieses Spuks nicht mehr in Frage:

Das Milieu, das auf dem Frankfurter Kongress tanzen will, hat Angst, dass Feminismus und Homosexualität den deutschen Mann, seine Stellung in der Gesellschaft und damit die heilige deutsche Kleinfamilie bedrohen, die ja nicht nur die Keimzelle des Staats ist, sondern die auch Recht, Ordnung, Anstand, Sauberkeit, Treue, Pflicht, Ehre, Fleiß, Keuschheit, Christentum und all das andere garantiert, was diese Welt schon immer so schön gemacht hat. Welches Jahr war eigentlich besser? 1953? Oder doch 1942?

Auf jeden Fall hat es eine gute, alte Zeit gegeben, bevor die Frauenhäuser, George Soros, die allgemeine Verschwulung und linksgrünversiffte Gendermenschen unser aller Unglück heraufbeschworen. Und Harry Potter. Gabriele Kuby mag das Werk auf ihrer Website nicht mehr bewerben, aber 2003, sechs Jahre, nachdem sie zum Katholizismus gefunden hatte, veröffentlichte sie ein Buch namens "Harry Potter - gut oder böse?", in dem sie die Bücher J.K. Rowlings als "Langzeitprojekt zur Veränderung der Kultur" bezeichnete.

Was ist das für ein Gedankensud aus Homophobie, Frauenhass, toxischem Konservatismus, Konvertiteneifer, hauchzartem Antisemitismus und Verschwörungswahn, der sich an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität einnisten will?

Was sind das für Leute? Sind Sie auch "Untergangster des Abendlandes", wie die "Identitären"? Sehen sie sich als Speerspitze eines beginnenden christlichen Dschihads, der mit all den modernen Fisimatenten aufräumen will? Eines sind sie auf jeden Fall nicht: gewaltfrei. Denn früher oder später schlagen ihre verkitschten und verlogenen Familien- und Geschlechterbilder in Hass gegen alle um, die nicht zu diesen fixen Ideen passen.

Der schlimme Verdacht der Konservativen, es könne jemandem gut gehen, der ihr engstirniges Weltbild hinter sich gelassen hat, sorgt früher oder später für Scheiterhaufen. Nicht nur der AStA in Frankfurt hat das erkannt und ruft deswegen zu einer Gegendemonstration auf. Die Universität wäre gut beraten, die "gewaltfreien" Familienexperten wieder vor die Tür zu setzen.