Ein heißer Open-Access-Herbst?
Die erste internationale Open-Access-Woche will weltweit für den freien Zugang zu Wissen und Information aus öffentlich geförderter Forschung werben.
Die am 7. und 8. Oktober 2009 von der Universitätsbibliothek Konstanz ausgerichteten Open-Access-Tage gingen erstmals über die Landesgrenzen hinaus und bezogen Aktivitäten in Österreich und der Schweiz mit ein. Neben den schon als klassisch zu bezeichnenden rechtlichen Fragen, die der Betrieb von Publikationsangeboten hinsichtlich Urheberrecht und Datenschutz aufwirft, waren auch zahlreiche neue Nuancen bei technischen Umsetzungen von Services und neue Sichten auf das Thema Open Access erkennbar.
An einzelnen Universitäten zeichnet sich teils eine Tendenz zur stärkeren Integration von Open-Access-Servern und Services der Hochschulen ab. Ziele dieser Vorhaben sind die Verbindung von Personeninformationen, Publikationsinformationen und Projektbeschreibungen sowie der gebündelte Zugriff auf Forschungsaktivitäten lokaler Hochschulen, wie im Fall der Forschungsplattform Alexandria der Universität Sankt Gallen.
Open Access für mobile Wissenschaftler
Parallel entwickeln sich allerdings auch überregionale Dienste und wenden sich an eine Forschergeneration, die sich lokal nicht sehr gebunden fühlt, sondern eher online und mobil lebt und arbeitet. Services wie ResearchGATE oder Mendeley erlauben es Wissenschaftlern jeden Institutionswechsel überstehende Online-Profile inklusive Recherchefunktionen und Literaturverwaltungen sowie kollaborativer Features zu nutzen. ResearchGATE bietet zudem auch Funktionalitäten eines Open-Access-Repositorys an – woraus sich nicht zwangsläufig eine Konkurrenz zu universitären Open-Access-Servern ergeben muss: Visualisierung und Vernetzung können in einem Service erfolgen, Langzeitarchivierung und Erschließung im anderen.
Die vorgestellten Repositoryumgebungen zeichneten sich durch starke Flexibilisierung in Workflows oder Datenverwaltung aus, die sich auch in der Verwaltung von Dokumentversionen widerspiegelt wie beim Angebot PubMan der Max Planck Digital Library. Der unvermeidlichen Finanzierungsfrage von Open Access widmeten sich zwei Sessions, zum einen wurde sie als Teil von Konsortiallösungen behandelt, deren es Ziel es peu à peu werden könnte, bei Zeitschriftensubskriptionen Open-Access-Publikationsoptionen für Wissenschaftler auszuhandeln. So werden Abonnements kostenpflichtiger Journals durch Forschungseinrichtungen teils an die Bedingung geknüpft, Artikel eigener Autoren parallel zur kostenpflichtigen Zeitschriftenversion auf einem Repository kostenlos online zu stellen. Die Universität Bielefeld wählt einen anderen Weg und richtet einen Publikationsfonds ein, der verhindern soll, dass Autoren nicht aufgrund eventuell anfallender Autorengebühren Open-Access-Journale als Publikationsorte meiden.
Open Access als Forschungsthema
Open Access wird zunehmend nicht nur als Publikationsstrategie, sondern aus unterschiedlicher Perspektive auch als Forschungsthema wahrgenommen – ein Zugang, der im deutschsprachigen Raum bislang kaum gewählt wurde. Die Spannbreite reichte von teils spekulativ ausgerichteter Erforschung zukünftigen wissenschaftlichen Publizierens, über die Versuche des Projekts PEER (Symbiose, Koexistenz oder Konkurrenz?) zu ermitteln, ob Open-Access-Repositories und wissenschaftliche Toll-Access-Verlage koexistieren können, bis hin zu wissenschaftstheoretischen Reflexionen, Wissenschaftsforscher Gerhard Fröhlich aus Linz war sich auch in Konstanz sicher: Die Wissenschaftstheorie fordert Open Access.
Bibliometrische Befunde, welche die Unterstellung einer fehlenden Qualitätssicherung bei Open-Access-Journalen entkräften, trug Karin Weishaupt vom Institut Arbeit und Technik der FH Gelsenkirchen vor: Global (und auch herunter gebrochen auf fünf regionale Segmente) findet in Open-Access-Journalen häufiger eine Peer Review statt als in Toll-Access-Journalen.
Vor dem Hintergrund einer Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Forschungsaktivitäten und der Vorbeugung wissenschaftlichen Betrugs wurde die Ausdehnung des Open-Access-Modells auf Forschungsdaten diskutiert. Allerdings könnten im Unterschied zum Printbereich hier weniger die (auch in Konstanz wiederholt) postulierten Konkurrenzsituationen zu wissenschaftlichen Verlagen Hürden darstellen, sondern eher die zu erwartenden aufwändigen technischen Prozesse und die fehlende Sensibilisierung. Die Bereitschaft mindern, Daten Open Access zu stellen, dürfte bei ungeklärt vielen Forschern vielleicht auch das Wissen um die ein oder andere wissenschaftliche Leiche im Keller.
Fehlender Impact Factor
Noch immer wird als einer der Gründe für die löchrige Akzeptanz von Open-Access-Angeboten bei Wissenschaftlern das Fehlen eines Impact-Maßes diagnostiziert. Zwar können Open-Access-Journals in den Genuss eines Journal Impact Factors kommen, dennoch sind sie strukturell benachteiligt: Etwa wegen ihrer oft nicht-englischen Sprache und ihrer vergleichsweise kurzen Publikationshistorie sowie aufgrund anderer konzeptioneller Mängel des Impact Factors (Alte Hüte und neue Konzepte). Dokumente auf Open-Access-Repositories hingegen werden per se nicht vom Impact Factor erfasst.
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG geförderte Projekt Open-Access-Statistik bemüht sich um die Errichtung einer technischen Infrastruktur mittels derer Daten für alternative, nutzungsdatenbasierte Verfahren zur Bestimmung des Impacts einer Publikation gesammelt werden können. Ziel ist es, aus verschiedenen Servern Nutzungsdaten wissenschaftlicher Dokumente zu sammeln, um Aussagen über Nutzungshäufigkeiten und perspektivisch Nutzungsmuster von Informationen zu sammeln; dahinter steht die Annahme mittels solcher Informationen und entsprechender Metriken facettenreichere Bewertungen wissenschaftlicher Informationen vornehmen zu können als es bei alleiniger Verwendung des Impact Factors möglich ist.
Allerdings könnte es nicht nur unter Wissenschaftlern um die Akzeptanz von Open Access besser bestellt sein, auch Hochschulleitungen verfahren häufig zögerlich bei Erlass und Umsetzung von Open-Access-Richtlinien. Eine gewisse Signalwirkung geht hierbei von den zur Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen zusammengeschlossenen Institutionen aus, allen voran von der DFG, der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, der Hochschulrektorenkonferenz, der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, der Max-Planck-Gesellschaft und des Wissenschaftsrats. Folglich waren auch Aktivitäten einiger Allianz-Mitglieder Thema bei den Open-Access-Tagen: Während die Fraunhofer-Gesellschaft ein positives Bild ihrer Erfahrungen bei der organisationsinternen Etablierung von Open Access zeichnete, berichtete die Leibniz-Gemeinschaft von ihren Plänen zur Einrichtung eines Leibniz-Open-Access-Repositorys, das sich aus verteilten fachlichen Leibniz-Servern speisen soll.
Während sich die jährlich stattfindenden Open-Access-Tage und die ihnen angegliederte Messe zu einem Erfahrungsaustausch unter Open-Access- und Toll-Access-Verlagen, Repositorybetreibern, universitären Infrastrukturbeauftragten, Wissenschaftsbürokraten, Informationswissenschaftlern und Bibliothekaren entwickeln, zielt die vom 19. bis 23.10.2009 andauernde erste internationale Open Access Woche auf kontextbezogene Open-Access-Propaganda. Sei es an einer Universität, einer Forschungseinrichtung oder in einem Fach: Anliegen ist, es Wissenschaftler für Open Access zu gewinnen.
Die Open Access Woche ist eine Art Fortsetzung des Open Access Day 2008, der - auch wenn 130 Einrichtungen aus 30 Ländern teilnahmen - außerhalb der USA wenig Beachtung fand. Damit den diesjährigen Nachfolgeveranstaltungen in Deutschland nicht das gleiche Schicksal widerfährt, startet die Open Access Woche mit einer von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen durchgeführten Auftaktveranstaltung am 19.10. in der Bayrischen Staatsbibliothek. Wissenschaftler und andere Interessierte finden auf den Websites der Informationsplattform Open Access Informationen zu Veranstaltungen in jedem Bundesland Kurzentschlossene, die selbst noch Aktivitäten an ihrer Einrichtung organisieren möchten, finden dort auch Anregungen und Vorlagen zur Erstellung von Informations- und Werbematerialien oder können sich von den Beiträgen zum Open Access Day 2008 im Blog Archivalia inspirieren lassen.