Ein kleiner Coup in Sachen Energiepolitik
Auf Druck der US-Regierung im Verein mit Energiekonzernen wurde ein neuer Vorsitzender für den UN-Klimarat IPCC gewählt
Unter Präsident Bush scheint sich die Politik vorwiegend um Öl und Energie zu drehen. Einer der ersten Taten der Bush-Regierung war bekanntlich der Ausstieg aus dem Kyoto-Abkommen zur Reduzierung der Treibhausgase. Auch die von der US-Politik verfolgte (Kriegs)-Politik im Nahen und Mittleren Osten ist verbunden mit der Sicherung von Ressourcen. Um Energie ging es im Enron-Skandal, beim Versuch, neue Ölfelder in Naturschutzgebieten in Alaska z erschließen, und schließlich wohl auch bei der - schnell gescheiterten - Unterstützung der Putschregierung in Venezuela. All dem fügt sich ein kleiner Coup nahtlos ein, durch den der bisherige Vorsitzende des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) abgewählt wurde.
Der bisherige Vorsitzende der UN-Organisation, die 1988 gegründet wurde, um die mit dem von Menschen bewirkten Klimawandel einhergehenden wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen zu behandeln, war der amerikanische Wissenschaftler Robert Watson. Er hatte die Organisation mit 2.500 Mitgliedern, die ihre durch Konsens erfolgenden Bewertungen politisch neutral vornehmen soll, seit 1996 geleitet, war allerdings unter Clinton Berater für Umweltfragen und ist derzeit leitender Wissenschaftler bei der Weltbank. Watson hatte die Ablehnung des Kyoto-Abkommens seitens der USA kritisiert, unter seiner Leitung stellte das IPCC letztes Jahr erstmals fest, dass es nicht nur die Klimaerwärmung gibt, sondern dass sie zu großem Teil durch menschliche Aktivitäten, vor allem durch Treibhausgase, verursacht wird.
Beides waren wohl die Gründe dafür, warum die Bush-Regierung, manche ölproduzierenden Länder und einige Energiekonzerne sich für einen anderen Kandidaten einsetzten. So ist bekannt geworden, dass der Konzern ExxonMobil letztes Jahr ein Memo an das Weiße Haus geschickt hat, in dem er sich neben vielen anderen konkreten Vorschlägen dafür einsetzte, den Vorsitzenden des IPCC zu ersetzen. Zudem sollten in der US-Delegation alle unter der Clinton-Regierung Beauftragten ausgetauscht werden. Dass dies nun tatsächlich geschehen ist und der Vorsitzende erstmals in einer geheimen Abstimmung und nicht wie üblich durch Konsens gewählt wurde, ist für Umweltschützer und andere Kritiker wieder ein Hinweis darauf, dass die US-Regierung Interessen der Energiekonzerne vertritt. Natürlich streiten die US-Regierung und ExxonMobile das ab. Der Ölkonzern meinte, es handele sich um kein offizielles Dokument und sei wahllos von den Umweltschützern herausgepickt worden.
Für den schließlich von den Vertretern von 76 Ländern gewählten Inder Rajendra Pachuari, einem Ingenieur und Ökonomen, spricht, so die US-Regierung, dass er aus einem Dritte-Welt-Land stammt. Das hätte auch für den ehemaligen brasilianischen Umweltminister Jose Goldemberg zugetroffen, der aber nur sieben Stimmen erhielt, während Watson mit 49 Stimmen abgeschlagen blieb. Pauchari ist Vorstand des Tata Energy Research Institute in Neu-Delhi.
"Das Weiße Haus vereinte sich mit ExxonMobil und anderen Umweltverschmutzern in der Hoffnung, die Leistungsfähigkeit des IPCC als globaler Autorität für die Klimaforschung zu behindern", kritisiert etwa David Doniger vom Natural Resources Defense Council. "Aber das IPCC ist eine lebendige Organisation, zu der Tausende von Wissenschaftlern gehören. Sie und der neue Vorstand haben jetzt die Möglichkeit zu zeigen, dass sie weiterhin die wissenschaftliche Wahrheit über fossile Energie sagen können." Peter Frumhoff von der Union of Concerned Scientists sieht das ähnlich und meint, dass die Bush-Regierung und die Ölkonzerne die Wahl von Pachauri "auf zynische Weise" gefördert hätten, um das IPCC unter dessen Leitung zu schwächen. Auch Steve Sawyer von Greenpeace glaubt an einen Plot: "Selbst der zynischste Mensch würde von der heftig geführten Taktik der amerikanischen Delegation schockiert sein, ihre von Ölinteressen bestimmte Politik darzustellen." Der WWF äußerte Besorgnis über die "offensichtliche Politisierung" des IPCC und wies ebenfalls auf das starke Lobbying gegen Watson seitens der USA, von ölproduzierenden Ländern und Energiekonzernen hin.
Allerdings ist Pachauri, der bislang Vizevorsitzender des IPCC war, auch ein Unterstützer des Kyoto-Abkommens, der aber vor der Wahl gesagt hat, dass er keine Regierung wegen ihrer Energiepolitik kritisieren würde, da der Vorsitzende des IPCC politisch neutral sein müsse. Überdies müsse sich das IPCC mehr regionalen Themen widmen.
Klimaerwärmung erfolgt schneller und in den nächsten Jahrzehnten unabhängig von der Menge der jetzt abgegebenen Emissionen
Zudem ist auch unter Wissenschaftlern umstritten, ob die Klimaerwärmung tatsächlich auf menschliche Aktivitäten zurückgeführt werden kann und/oder ob eine Reduktion der Treibhausgase die erfolgende Erwärmung auch beeinflussen könnte. Unbestritten ist mittlerweile freilich, dass die Temperaturen steigen. Im 20. Jahrhundert lässt sich eine Erwärmung von 0,6 Grad Celsius feststellen.
In der letzten Ausgabe von Nature haben Reto Knutti und seine Kollegen ein relativ einfaches Klimamodell zugrundegelegt und 25.000 Simulationen von vergangenen Klimaveränderungen durchrechnen lassen. Danach dürfte die Erwärmung nach der besten Vorhersage noch stärker zunehmen, als bislang erwartet wurde. Zwischen 0,5 und 1,1 Grad Celsius könnten die Temperaturen bis 2030 steigen - und dies nach Ansicht der Wissenschaftler unabhängig davon, wie viel Treibhausgase abgegeben werden. Zu ähnlichen Voraussagen wie ihre Schweizer Kollegen gelangten auch Peter Stott vom britischen Hadley Centre und Jamie Kettleborough vom Rutherford Appleton Laboratory in ihrem Bericht, der in derselben Ausgabe von Nature veröffentlicht wurde. Auf der Grundlage eines umfassenderen Klimamodells führten sie zwar weniger Simulationen durch, aber die Voraussage einer Temperaturerwärmung gegenüber den 90er Jahren zwischen 0,3 bis 1,3 Grad Celsius ist dem anderen Ergebnis durchaus vergleichbar. Auch sie betonen, dass geringere Emissionen keine kurzfristigen Änderungen im Trend bewirken würden. Das heißt allerdings nicht, dass es egal ist, was die Menschen machen, da das Klimasystem nur langsam auf Veränderungen reagiert. Beginnt man aber jetzt mit der Reduktion der Emissionen, so könnte sich dies sehr wohl in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auswirken.