Ein kleiner Schritt für den IWF-Exekutivrat...

Renminbi-Scheine. Bild: Japanexperterna/CC-BY-SA-2.0

Die Aufnahme der chinesischen Währung RMB in den Korb der IWF-Sonderziehungsrechte markiert eine Zeitenwende im globalen Finanzsystem

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Wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt, wird der Exekutivrat (bzw. Exekutivdirektorium) des Internationalen Währungsfonds auf seiner heute in New York stattfindenden Sitzung die Aufnahme des chinesischen Yuan RMB in den Währungskorb der sogenannten "Sonderziehungsrechte" (SZR) beschließen. Seit 1980 wird alle fünf Jahre die Zusammensetzung der SZR entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung neu gewichtet; bei der letzten Verhandlung 2010 wurde die Aufnahme des Yuan noch von den USA abgelehnt unter Verweis auf die rigide staatliche Kontrolle des Wechselkurses sowie die wenig entwickelten chinesischen Finanzmärkte.

Die SZR sind eine vom IWF 1969 eingeführte Kunstwährung, deren Wert sich nach einem Gewichtungsschlüssel aus den vier wichtigsten Währungen Dollar, Euro (früher DM und Franc), Pfund Sterling und Yen berechnet, derzeit liegt der Wert eines SZR bei etwa 1,30 Euro. Ihre Hauptfunktion ist die einer internationalen Reserve- und Kreditwährung, besonders für Notkredite des IWF wie etwa an Griechenland in der Eurokrise; außerdem werden SZR u.a. zur Berechnung von internationalen Haftungsansprüchen und Kosten des grenzüberschreitenden Postverkehrs genutzt.

Die Zugehörigkeit zu diesem "exklusiven Club" der Weltwährungen bringt nicht nur Prestige, sondern auch handfeste Vorteile mit sich: Sie signalisiert die Verlässlichkeit und universelle Nutzbarkeit einer Währung, was sie als Reservewährung für Zentralbanken ebenso wie als Kredit-, Handels- und Anlagewährung interessant macht.

Diese Internationalisierung des Yuan RMB wurde bislang nicht nur von der fehlenden SZR-"Clubmitgliedschaft" gebremst, sondern auch von ganz praktischen Hürden: Zum einen wurde der Handel mit der Währung streng kontrolliert, so dass diese außerhalb Chinas kaum genutzt werden konnte. Und zum anderen gab es auch nur wenig Verwendung für den Yuan, solange die zentralen Waren der Weltwirtschaft ausschließlich in Dollar gehandelt wurden: Öl und Gas.

Selbst wo sie es gekonnt hätten, ergab es somit wenig Sinn für Staaten oder Private, Yuan-Reserven anzulegen. Mit der jetzigen IWF-Entscheidung wird die globale Nachfrage nach Yuan enorm steigen und damit auch die Menge, die die chinesische Zentralbank "drucken" kann - was seine Stabilität und weltweite Akzeptanz weiter erhöhen wird. Für Chinas Stellung in der globalen Wirtschaft bricht damit eine neue Ära an.

Stabile Verhandlungsbasis dank Unabhängigkeit und Alternativoption

Die chinesische Regierung hat offenbar sehr genau studiert, woran andere aufstrebende Staaten in der Vergangenheit gescheitert sind, und penibel darauf geachtet, deren Fehler zu vermeiden und nicht in politische Abhängigkeit zu geraten. Zu diesen Lehren gehörten auf wirtschaftlichem Gebiet vor allem ein bestimmender staatlicher Einfluss in Schlüsselsektoren, dauerhafte Exportüberschüsse, um nicht durch Schulden erpressbar zu sein, sowie insbesondere die absolute Kontrolle über Währung und Finanzsystem, um keine Angriffe internationaler Finanzmarktakteure fürchten zu müssen.

Die vom Ausland immer wieder angemahnte Liberalisierung des Yuan-Umtauschs wurde daher hinausgezögert und nur in Trippelschritten angegangen; so wurden nach und nach seit Ende 2012 außerhalb Chinas Clearingbanken mit direktem Zugang zur Liquidität der chinesischen Zentralbank eingerichtet und internationalen Anlegern Möglichkeiten eröffnet, in begrenztem Umfang in den RMB-Finanzmarkt zu investieren.

Doch erst angesichts der bevorstehenden Neuverhandlung der SZR entschied sich Chinas Regierung, den entscheidenden Schritt zu gehen: Nachdem der IWF eine Woche zuvor noch eine Aufnahme in den Währungskorb erneut verschoben hatte, überraschte Chinas Zentralbank am 11. August die Märkte mit einem neuen Wechselkursregime. Dieser folgt dem russischen Prinzip des "managed float": Es wird zwar täglich ein Referenzkurs festgelegt, dieser richtet sich jedoch nach den "Wünschen" des Marktes und darf deutlich stärker schwanken als zuvor. Die unmittelbare Folge war eine etwa vierprozentige Abwertung, danach stabilisierte sich der Kurs.

Daneben zeigte sich in den letzten Monaten überdeutlich, wie entscheidend Chinas riesige Währungsreserven sind: Das "Experten"-Gerede von einer bevorstehenden "harten Landung" der chinesischen Wirtschaft führte ebenso wie in Russland zu einem Abzug von ausländischem Kapital in einem Ausmaß, das jedes andere Land an den Rand des Zusammenbruchs geführt hätte. Für China wie auch Russland bedeutete dies jedoch unterm Strich lediglich die Rückzahlung von Dollar-Krediten, so dass Beijing nun statt vier "nur" noch dreieinhalb Billionen Dollar an Reserven vorweisen kann.

Statt politisch erpressbar zu sein wie kleinere Staaten, hat China mit dieser enormen Summe sogar noch ein starkes Druckmittel in der Hand: Theoretisch könnte es den Wert des Dollars abstürzen lassen, hat aber aufgrund der damit verbundenen unkontrollierbaren globalen Schockwellen mit Sicherheit kein Interesse daran.

Dass Beijing gerade jetzt die Internationalisierung der eigenen Währung forciert, dürfte nicht zuletzt auch einem aktuellen politischen Konflikt geschuldet sein. Die westlichen Sanktionen gegen Russland haben den Chinesen vor Augen geführt, dass diese Form des Missbrauchs finanzpolitischer Macht selbst starke Staaten (und somit potentiell auch sie selbst) treffen kann, während Russland sie zum Anlass genommen hat, dieses Jahr in großem Umfang mit dem Verkauf von Öl und Gas gegen Yuan zu beginnen. Gemeinsam mit den anderen BRICS-Staaten und weiteren Verbündeten wurde außerdem energisch der Aufbau einer eigenen internationalen Finanzarchitektur vorangetrieben, um im Konfliktfall dank AIIB, NDB, CRA und Co. weniger erpressbar zu sein durch die westliche Dominanz über das IWF-Weltbank-BIS-System.

Der Sinn dieser Institutionen dürfte nicht zuletzt darin bestehen, die chinesische Verhandlungsposition zu stärken: Notfalls hätten Beijing und seine BRICS-Partner in ihnen eine echte Alternative und könnten dem bisherigen System den Rücken kehren, wenn die westlichen Staaten sich weiterhin nicht kooperativ verhalten sollten. Die implizite Drohung mit diesem "Plan B" wird wohl weiter nötig sein, denn es ist davon auszugehen, dass die BRICS weitere Reformen des globalen Finanzsystems anstreben.