"Eine völlig neue Pandemie"

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Osterfest fällt zum zweiten Mal aus. Führen Angst vor B.1.1.7 und Schneckentempo beim Impfen zu Lockdown-Verlängerung bis Sommer? Verzweifelte Reaktionen von Tourismusverband und Einzelhandel. Mallorca-Reisen ohne Quarantäne weiterhin möglich

Sie waren sich uneins. Mehr als sechs Stunden dauerte die Pause bei den Verhandlungen des Bund-Länder-Gipfels zu den neuen Maßnahmen, die infolge der ansteigenden Fallzahlen ("Wieder mehr Tote") für eine Eindämmung der Infektionen und ihrer Folgen sorgen sollen.

Zwar war die Öffentlichkeit darauf vorbereitet, dass der seit Anfang November andauernde Ausnahmezustand weiter verlängert werden soll, aber es gab dann doch eine Überraschung. Wie der gut vernetzte Welt-Journalist Robin Alexander berichtet, schlug "eine kleine Runde um Merkel" zunächst vor, dass alle Supermärkte und andere Verkaufsstellen für Lebensmittel sowie alle Betriebe und Produktionsanlagen von 1. April, dem Gründonnerstag, an bis zum 6. April, dem Ostermontag, geschlossen bleiben sollen.

So weit kam es dann doch nicht. Als Ergebnis wurde eine "erweiterte Ruhezeit zu Ostern" verkündet mit der herausstechenden Maßnahme, dass die Supermärkte und Lebensmittelläden am Gründonnerstag geschlossen bleiben, aber am Ostersamstag geöffnet werden dürfen, wenn sie denn "Lebensmitteleinzelhandel im engen Sinn" sind. Das führte zu harter Kritik seitens des Handelsverbands Deutschland (HDE).

Dort wundert man sich, dass der Beschluss den Andrang nicht einkalkuliert, der für den Mittwoch vor der Schließung der Geschäfte und für den "verkaufsoffenen" Ostersamstag zu erwarten ist. Das sei kontraproduktiv und Symbolik, die nichts bringe, so das Statement des HDE.

"Den Lebensmittelhandel mit seinen nachweislich hervorragend funktionierenden Hygienekonzepten symbolisch für einen Tag zuzumachen, hilft im Kampf gegen die Pandemie nicht weiter." (HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth)

Bund und Länder würden nur mehr im Tunnelmodus agieren, wirft Genth den am Gipfel beteiligten Politikern vor. "Die alleinige Fixierung auf die Corona-Inzidenzwerte wird der komplexen Lage nicht gerecht."

Zündstoff Urlaub

Der andere Streitpunkt, mit dem es die große Runde zu tun hatte, war die Frage nach der Bewegungsfreiheit der Bevölkerung an den Osterurlaubstagen. Laut Tagesschau sorgte der feste Vorsatz mehrerer Bundesländer, "kontaktarmen Urlaub für Selbstversorger in Ferienwohnungen oder Wohnwagen" zu ermöglichen, für Zündstoff. Merkel sei strikt dagegen gewesen.

Die besondere Osterurlaubslage 2021 wurde schon vor dem Treffen damit auf die Pointe gebracht, dass Deutsche zwar, wenn sie denn frühzeitig gebucht haben, nach Mallorca fliegen dürfen, aber nicht an die Küste nach Müritz fahren dürfen, um dort ein paar freie Tage zu verbringen.

Fein raus sind demgegenüber alle diejenigen, die eine Ferienwohnung besitzen und rechtzeitig dorthin fahren, um die "ruhigen Tage" dort zu verbringen, ganz ohne "Mallorca-Shaming", das diejenigen trifft, die sich kein Zweitzuhause leisten können.

Der Deutsche Tourismusverband (DTV) ist "wütend, verärgert und verzweifelt" über die Beschlüsse des Bund-Länder-Gipfels. Hauptgeschäftsführer Dirk Dunkelberg äußerte laut Tagesschau "Unverständnis", dass Reisen ans Mittelmeer möglich seien, die Vermietung von Ferienwohnungen etwa im Schwarzwald aber verboten blieben.

"Das kann man eigentlich nicht mehr wirklich ernsthaft begründen."

Ein "Lex Mallorca", wie es als Gerücht zuvor kursierte, wonach sich Mallorca-Urlaubern auf eine Quarantäne bei ihrer Rückkehr gefasst hätten machen müssen, kam aus juristischen Gründen nicht durch. Stattdessen sollen nun die Fluggesellschaften dafür sorgen, dass die Passagiere getestet werden.

Der Bund-Länder-Gipfel appelliert "eindringlich", auch zu Ostern auf nicht notwendige Reisen im In- und Ausland zu verzichten.

Weitgehende Kontaktbeschränkungen und ein Ansammlungsverbot

Während der "erweiterten Ruhezeit zu Ostern", vom 01. April bis zum 06. April sollen weitgehende Kontaktbeschränkungen und ein Ansammlungsverbot gelten. An fünf zusammenhängenden Tagen soll das Prinzip "#WirBleibenZuHause" gelten. Private Treffen sind nur mit maximal fünf Menschen aus zwei Haushalten gestattet. Nicht mitgezählt werden dabei Kinder bis 14 Jahre und Paare gelten grundsätzlich als ein Haushalt.

Für den Dienstag nach Ostern sollen Öffnungsschritte möglich sein, wenn die Kennzahlen stimmen. Ansonsten werde verschärft, wie Nachrichtendienste melden:

In Landkreisen mit einer Inzidenz von mehr als 100, also entsprechend vielen Infektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb einer Woche, sollen die Maßnahmen hingegen verschärft werden. Als Beispiele werden Ausgangsbeschränkungen, verschärfte Kontaktbeschränkungen sowie eine Maskenpflicht für Mitfahrer aus anderen Haushalten im Auto genannt. Auch können tagesaktuelle Schnelltests in weiteren Bereichen, in denen Abstand halten und das Tragen von Masken erschwert sind, verpflichtend eingeführt werden.

Katholische Nachrichten-Agentur

Rückstau bei den Impfstoffen

Die Maßnahmen werden in den Medien teilweise als "radikaler" oder "harter Lockdown" bezeichnet. Die Zuschreibung trifft nicht wirklich ins Schwarze. Radikal ist vor allem die Länge des Lockdowns, seit nun fast 5 Monaten. Und radikal ist das Festhalten der Regierung an bürokratischen Regelungen, die dafür gesorgt haben, dass lebensrettende Maßnahmen wie Impfungen dem Ernst der Situation, der ja dauernd beschworen wird, nicht in einer angemessenen Weise durchgeführt wurden.

Deutschland - Organisationsweltmeister? Bequemer ist es offensichtlich, Verbotsregelungen zu erlassen.

Man habe "sehr, sehr lange" und "neu" gedacht, wie man das Bestmögliche in den kommenden Tagen und Wochen erreichen könne, sagt Merkel in der Pressekonferenz. Söder erklärt, es gehe darum, "eine völlig neue Pandemie" zu bekämpfen.

Tagesschau

Der Rückstau der gelieferten, aber noch nicht verimpften Corona-Vakzindosen liege bei 3,27 Millionen, meldet Gersemann. Hoffentlich gilt die 5-tägige Ruhezeit nicht auch fürs Impfen.