Einkaufen: Neue Hoffnung für Lebensmitteleinzelhandel gegen Supermärkte

Bild: Michael Förtsch/Unsplash

Der kleine Lebensmittelhändler mit dem auf seine Kunden abgestimmten Sortiment ist weitgehend ausgestorben. Mithilfe von KI soll die Wiederbelebung gelingen. Das hat seinen Preis.

Das Möbelhaus mit den schwedischen Wurzeln hatte sie schon vor vielen Jahren eingeführt: Die Selbstbedienungskassen, bei denen eine Aufsichtsperson jeweils vier solcher SB-Kassen beaufsichtigte und damit einen deutlich höheren Durchsatz als eine einzelne Kassiererin erzielen konnte. Supermärkte wie die Real-Märkte folgten.

Mittlerweile arbeiten aber auch immer mehr kleinere Märkte mit SB-Kassen, bei denen dann nur noch eine Kassiererin zwei SB-Kassen beaufsichtigt.

Wie Selbstbedienungskassen den Einzelhandel retten

Diese Kassen retten oft den Laden, weil es nicht mehr genügend Personal gibt, das in der Lage und willens ist, die Ware über den Scanner zu ziehen. Das Wechselgeld wird nicht mehr nur automatisch berechnet, sondern wie am Automaten dem Kunden ausgehändigt, ohne dass der Kassierer etwas in die Hand nehmen muss.

Am weitgehenden Verschwinden der Real-Märkte lässt sich eine Entwicklung ablesen, die den kleinen Läden Hoffnung geben. Der Trend zu großen Vollsortimentern scheint in Deutschland mit dem Rückzug von Walmart und dem Ende der Metro-Tochter Real inzwischen gebrochen.

Die Hauptakteure im deutschen Lebensmittelhandel

Die Konzentration im deutschen Lebensmittelhandel hat so weit entwickelt, dass eine weitere Konzentration wohl am Bundeskartellamt scheitern würde.

Übriggeblieben sind die Schwarz Gruppe mit Lidl und Kaufland, die beiden Aldi-Gesellschaften im Norden und Süden, die zunehmend kooperieren, sowie die genossenschaftlich organisierten Edeka – ehemals: Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin – mit dem Netto Marken-Discount und Rewe (ehemals: Revisionsverband der Westkaufgenossenschaften) mit der Discount-Tochter Penny.

Optimierungspotenzial durch vertikale Integration

Derweil bietet vor allem die vertikale Integration noch Optimierungspotenzial. So ist die Schwarz Gruppe mit der MEG Weißenfels inzwischen einer der größten deutschen Mineralbrunnen mit Pet-Recycling und Pet-Flaschenproduktion.

Strategische Übernahmen und Kooperationen im Lebensmittelhandel

Aldi Nord übernahm 2022 die Standorte Treuchtlingen und Breuna von Altmühltaler Getränke, die nach dem Ausstieg von Edeka nun exklusiv für Aldi Nord produzieren. Zuvor hatte sich Altmühltaler bereits von der Brandenburger Urstromquelle getrennt, die nun zum Einflussbereich von Red Bull gehören soll.

Die Sonnländer Getränke, eine Tochter der Hamburger Edeka-Zentrale, hat zum 1. April 2023 die Siegsdorfer Petrusquelle mit Sitz im oberbayerischen Siegsdorf von der Staatlichen Mineralbrunnen Bad Brückenau übernommen. Sonnländer nutzt die Marke Albi für Fruchtsäfte.

Im Südwesten hat Edeka bereits vor Jahren den Schwarzwald-Sprudel mit den beiden Produktionsstätten in Bad Peterstal-Griesbach und Wildberg übernommen. So schnell wie die einzelnen Bereiche bei Edeka gewachsen sind, so schnell kann die Strategie auch wieder geändert werden.

War die Edeka-Südwest-Tochter K&U Bäckerei 2018 noch Deutschlands größter Filialbäcker, hat sie inzwischen alle Filialen abgegeben und betreibt nur noch die Großbäckereien. Die Filialen wurden an selbstständige Edeka-Kaufleute verkauft.

Die Tiefkühlanbieter Bofrost und Eismann haben ihr Sortiment inzwischen auch online buchbar gemacht. Frisches Obst und Gemüse ist dort allerdings nicht erhältlich. Bei den Lebensmittel-Lieferdiensten, die in Ballungszentren per Fahrradkurier ausliefern, scheint sich die Situation zu konsolidieren.

Die Zukunft des Lebensmittelhandels auf dem Land

Auf dem Land wagt sich bislang kein Anbieter in den Liefermarkt, da das mögliche Handelsvolumen bei den zu fahrenden Strecken keinen wirtschaftlichen Erfolg verspricht. Die Rewe-Tochter Penny hat ihren Online-Shop inzwischen wieder eingestellt.

Auf dem Land versuchen sich inzwischen Unternehmen wie der Edeka-Partner Hieber mit Hieber-Drive. Über eine App im Apple App Store oder bei Google Play kann man seine Bestellung zwei Stunden im Voraus aufgeben und dann zwischen 9:00 und 20:00 Uhr auf einem bestimmten Parkplatz am Markt in Bad Krozingen abholen.

Zustellen wäre offensichtlich zu teuer. In Norddeutschland gibt es auf dem Land noch fahrende Bäcker zur Versorgung des ländlichen Raumes oder Hofläden mit mehr oder weniger umfangreichem Sortiment.

Verkaufsstellen ohne Personal mit Kundenkontakt haben es bisher schwer. Eine Lösung bietet hier das Konzept der Cap-Märkte, die behinderten Menschen eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt bieten und dafür Zuschüsse erhalten.

In ländlichen Regionen haben auch Dorfläden mit ehrenamtlichen Mitarbeitern eine Chance.

Hauptamtliches Personal für die Kundenbetreuung ist heute oft zu teuer. Wirtschaftlicher Erfolg ohne Ehrenamt oder staatliche Förderung stellt sich nur ein, wenn die Lage stimmt, wie im Bahnhof Renningen oder anderen Mikroshops in Bahnhofsnähe wie Teo der Migros Zürich-Tochter Tegut.

Trotz öffentlicher Unterstützung durch Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger hat das Erfurter Unternehmen Emma's Tag & Nacht Markt Anfang des Jahres Insolvenz angemeldet.

Auch die Ladenlokale der Discounter werden wieder kleiner

Auch bei den Discountern finden wieder Sortimentsreduzierungen statt. War es jahrzehntelang das Ziel des Lebensmitteleinzelhandels, seinen Kunden ein möglichst großes Sortiment an eingeführten Marken anzubieten, so geht der Trend derzeit weg von den großen Märkten hin zu kleineren Märkten in Kundennähe, die dann auch keine großen Parkplätze mehr benötigen, weil die Kunden aus der Nachbarschaft zu Fuß zum Einkaufen kommen.

Für Kunden, die mit dem Auto zum Einkaufen fahren wollen, hat Rewe den Tankstellenlieferanten Lekkerland gekauft, der nun als Rewe2Go an Aral-Tankstellen mit einem überschaubaren Sortiment auftritt.

Für die Sortimentsgestaltung der kleinen Verkaufsstellen wird inzwischen auch KI eingesetzt. Sie ermittelt auf Basis des jeweiligen sozialen Umfelds, welche Waren in welcher Preislage die besten Chancen auf einen schnellen Umschlag haben.

Je nach Kaufkraft, Wettbewerbssituation oder Demografie am jeweiligen Standort empfiehlt die KI bei Penny die ideale Sortimentszusammenstellung.

Da an den Scannerkassen auch die Warenhistorie in Echtzeit ermittelt werden kann, lassen sich leicht Muster einzelner Kunden erkennen, die bei der weiteren Sortimentsauswahl helfen können. Da die Selbstbedienungskassen nur mit Karten bedient werden können, ist es auch möglich, jeden Einkauf einem bestimmten Kunden zuzuordnen und seine Einkaufshäufigkeit zu ermitteln.

Zusammen mit der Kundenkarte wird der Kunde praktisch gläsern.