Einsätze ausländischer Polizeispitzel in Deutschland könnten rechtswidrig sein
Ein Bundestagsgutachten stützt die Auffassung, wonach es ausländischen verdeckten Ermittlungen in Deutschland an einer Rechtsgrundlage fehlt. Die parlamentarische Kontrolle ist ohnehin schwierig - Gastbeitrag
Das Bundeskriminalamt und der Zoll setzen auch verdeckte Ermittler (VE) aus Drittstaaten ein, nicht hingegen die Bundespolizei. Dies betrifft Ermittlungsverfahren im In- wie im Ausland. Auch die Kriminalämter der Bundesländer können ausländische VE anfordern.
Deutschland kann aber auch Schauplatz von Ermittlungen ausländischer Behörden sein, die dabei ebenfalls VE entsenden können. Solche Amtshandlungen auf deutschem Hoheitsgebiet müssen zuvor in einem Ersuchen dargelegt werden, dem dann - mit Auflagen versehen - entsprochen werden kann. Die zuständigen deutschen Polizeibehörden müssen etwa mit regelmäßigen Informationen zum Ablauf der Ermittlungen oder einem Abschlussbericht versorgt werden.
Grenzüberschreitende Einsätze von verdeckten Ermittlern erfolgen auf der Grundlage der Internationalen Rechtshilfe und bi- bzw. multilateraler Abkommen (etwa das EU-Rechtshilfeübereinkommen oder das Schengener Durchführungsübereinkommen). Die Maßnahmen richten sich nach den im jeweiligen Land herrschenden Rechtsvorschriften und der Zustimmung der jeweils zuständigen Behörden. Anders als Angehörige von Geheimdiensten dürfen Undercover-Polizist/innen in Deutschland keine "milieubedingten Straftaten" begehen, etwa um ihrer Legende Glaubwürdigkeit zu verschaffen.
Gemäß einem Beschluss des Bundesgerichtshofs von 2007 ist der Einsatz von VE aus dem Ausland im Inland zu behandeln wie der Einsatz einer Vertrauensperson (VP) und richtet sich nach den Vorschriften der §§ 161 und 163 StGB (Vertrauenspersonen werden auch als "Informanten" oder "Kontaktpersonen" bezeichnet).
VE-Einsätze benötigen in vielen Fällen (etwa zum Betreten von Wohnungen oder Mitschneiden von Gesprächen) einen Richtervorbehalt, bei einer VP genügt die Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Damit ist der Einsatz ausländischer Polizisten in Deutschland weniger reglementiert als der Einsatz deutscher Beamter. Auch ein von uns beauftragtes Bundestagsgutachten sieht hier "eine gewisse Rechtsunsicherheit".
Im Zusammenhang mit Einsätzen britischer verdeckter Ermittler kam heraus, dass diese nicht wie vorgeschrieben in Rechtshilfeersuchen angemeldet wurden. Seit sieben Jahren bemühen wir uns deshalb um die parlamentarische Aufklärung der Einsätze, insbesondere zum britischen VE Mark Kennedy. Sein Auffliegen Ende 2010 führte in Großbritannien zu einer umfassenden richterlichen Untersuchung von Spitzeleinsätzen seiner Abteilung, die immer noch anhält.
Kennedy war auch in Deutschland auf linke Bewegungen angesetzt, sein Auftraggeber ist aber weiterhin unbekannt. Nur wenige Tage stand er im Rahmen des G8-Gipfels 2007 und des NATO-Gipfels 2009 im Dienst der Landeskriminalämter in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Dies erklärt aber nicht, weshalb er vorher mehrere Jahre lang in Berlin Betroffene ausforschte. Dem Bundestagsgutachten zufolge ist es in Deutschland unzulässig, unter falscher Identität "längerfristig und ohne konkreten Ermittlungsauftrag" zu ermitteln. Hier braucht es Klarheit.
Zusammen mit Hans-Christian Ströbele habe ich deshalb von der Bundesregierung Unterstützung bei der Aufklärung gefordert. Das Bundesministerium des Innern beantragte bei der damals amtierenden Innenministerin Theresa May, Kennedys Deutschland-Einsatz ebenfalls untersuchen zu lassen. Das britische Home Office lehnte ab, versprach aber eine Klärung der Vorwürfe in einem neuen polizeilichen "Koordinierungsteam". Mit Billigung der Bundesregierung wurde unser Anliegen dort offensichtlich entsorgt, denn seit zwei Jahren haben wir nichts mehr dazu gehört.
Im Rahmen der Aufarbeitung der Aktivitäten des britischen VE Mark Kennedy hat eine Bund/Länder-Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz zur "Qualitätssicherung bei der Führung verdeckt eingesetzter ausländischer Polizeibeamter" einen Abschlussbericht vorgelegt. Dieser enthält eine "Handlungsanleitung" bei derartigen Einsätzen in Deutschland. Dazu gehört, dass jeder verdeckte Aufenthalt eines ausländischen Polizeibeamten in Deutschland einer Führung durch die zuständige deutsche Behörde bedarf und etwa der Legendenname des verdeckt eingesetzten ausländischen Polizeibeamten sowie der Klarname seines ausländischen Führungsbeamten zu übermitteln sind.
Die immer noch undurchsichtige Spitzelei des VE Mark Kennedy zeigt, wie leicht sich verdeckt ermittelnde Behörden verselbständigen können. Die Bundesregierung muss uns Abgeordneten deshalb die als Verschlusssache eingestufte "Handreichung zum Einsatz verdeckt eingesetzter ausländischer Polizeibeamt/innen in Deutschland" zugänglich machen. Nur so kann die parlamentarische Kontrolle grenzüberschreitender verdeckter Ermittlungen überhaupt ermöglicht werden.
Andrej Hunko, MdB, ist Europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.