Eklat bei Interview: Elon Musk, die BBC und die "hasserfüllten Inhalte"

Lieferte sich Schlagabtausch mit BBC-Interviewer: Elon Musk. Bild: TED Conference, CC BY-NC 2.0

Ein BBC-Interviewer wird vom Twitter-Besitzer in schwere Verlegenheit gebracht. Glenn Greenwald sieht das Interview als Beispiel für schlechten Journalismus. Er vermutet zudem eine verdeckte Agenda – und sich sowie seine Arbeit als Opfer.

Wer Elon Musk interviewt und ihn mit Vorwürfen angeht, braucht solides Material. Das musste der BBC-Tech Reporter James Clayton erfahren. Dessen unerwartetes, spontan realisiertes 90 Minuten-Interview mit dem Twitter-Besitzer gab den großen Medien wie etwa der New York Times oder dem Spiegel griffiges Zitat-Material und einige Highlights, etwa, dass er Twitter gekauft habe, um einem 44-Milliarden-Dollar-Rechtsstreit aus dem Wege zu gehen.

"Mehr Hass"

Beim Spiegel erfährt man, dass Musk seine Beziehung zu den Medien mit "Hassliebe – aber vermutlich mehr Hass" beschreibt.

Da will man wissen, ob Musk außer geschäftlichen Interessen auch besondere Interessen an der Gestaltung der Plattform hat, die als lebendige und quicke Alternative die traditionellen Debatten in den großen Medien in den Schatten gestellt hat. Aber eben mit Schattenseiten.

Wie hält es der mächtige Multimilliardär mit der Meinungsfreiheit auf Twitter? Das war von dem Moment an, als Muss Twitter übernahm, ein neuralgischer Punkt. Und darüber wollte auch der BBC-Interviewer mehr von Musk wissen. Er wählte dazu aber ein schwieriges Thema: "hasserfüllte Inhalte", englisch "hateful content". Und eine provokante Behauptung: Dass sich seit der Übernahme von Musk die hasserfüllten Inhalte auf Twitter gehäuft hätten

"Beschreiben Sie ein solches hasserfülltes Ding!"

Der früher beim Guardian tätige Journalist Glenn Greenwald wurde weltweit bekannt als Übermittler der Enthüllungen von Edward Snowden zum Prism-Überwachungsprogramm der US-amerikanischen NSA. Er schaut seinen Journalistenkollegen genau auf Finger und Mund.

Sein auf Twitter geposteter Ausschnitt des BBC-Interviews wird nicht gerade freundlich gegenüber dem Kollegen James Clayton eingeleitet. Greenwald bezeichnet ihn als "BBC hack", der ein Exempel dafür biete, wie "scumbag reporter" lügen. (Ob das nicht auch Hass gegen Journalisten schürt?)

Der BBC-Reporter konfrontiert in dem Ausschnitt Elon Musk mit der Behauptung, dass Hate-Postings unter ihm zugenommen hätten.

Musk will es genauer wissen.

"Beschreiben Sie ein solches hasserfülltes Ding!"

Es folgt eine allgemeine Beschreibung von Clayton:

"Inhalte, die eine Reaktion hervorrufen sollen. ... etwas, das etwas leicht Rassistisches, leicht Sexistisches, diese Art von Dingen, enthalten könnte."

"Sie gehen also davon aus, dass etwas, das leicht sexistisch ist, verboten werden sollte?", fragt Musk daraufhin.

Er könne dazu nichts Genaueres sagen, reagiert Clayton zu Beginn einer Reihe von Sätzen, die schwer verständlich sind. Musk nagelt ihn fest:

"Ich bin neugierig, ich versuche zu verstehen, was Sie mit hasserfüllten Inhalten meinen. Ich frage nach konkreten Beispielen."

Clayton antwortet, dass er gerade keine Bespiele nennen könne, weil er das Feed – gemeint ist das "For You tab" von Twitter – seit Wochen nicht mehr benutze.

Musk hakt mehrmals mit derselben Frage nach: "Sie können nicht ein einziges Beispiel nennen?", "Nicht ein einziges?", "Nicht einen einzigen Tweet? Und doch behaupten Sie, dass (der Anteil) von hateful content hoch sei?"

Woraufhin Clayton präzisiert: "Was ich behaupte, ist, dass es viele Organisationen gibt, die sagen, dass diese Art von Information ansteigt …" Auf die Nachfrage – "Geben Sie mir ein Beispiel! – antwortet Clayton: "Das Institut für strategischen Dialog im UK sagt das."

Musk ist damit nicht zufrieden. Diese Leute würden "allen möglichen Unsinn sagen". Es sei "absurd", dass der Interviewer auf die Frage nach einem kein einziges nennen könne.

Greenwalds rotes Tuch: Das Institute for Strategic Dialogue

Für Greenwald ist die Sache damit klar. Er verweist mit einem Link auf Partner und Geldgeber des britischen Institutes for Strategic Dialogue und sieht darin eine politische Agenda.

Mit einem Marker herausgehoben werden von ihm: Omidyar Group, Open Society Foundation sowie mehrere Ministerien verschiedener Länder, von Australien, Dänemark oder den Niederlanden, die Europäische Kommission, Finnland, Norwegen, Schweden, Großbritannien, das Ministerium für Homeland Security in den USA, das US-Außenministerium etc. Die Liste ist lang.

Greenwald zieht dies als ein Exempel für einen großen Vorwurf auf: So werde gearbeitet und betrogen, "how this scam works", nämlich:

Die USA, die EU, Big Tech und dieselbe kleine Handvoll neoliberaler Milliardäre (Gates, Omidyar, Soros) finanzieren "Desinformations-Experten", um alle Websites, die sie nicht kontrollieren können oder die sie nicht auf Befehl zensieren, als Träger von Hass und Desinformation zu diffamieren.

Gleen Greenwald

Die New York Times berichtet zum Interview-Thema "Desinformation":

Musk, der sich selbst als Verfechter der freien Meinungsäußerung bezeichnet, wies die Behauptungen der BBC, dass es seit seiner Übernahme mehr Hassreden auf der Plattform gegeben habe, entschieden zurück. Er sagte, es sei seine Aufgabe, Twitter so akkurat wie möglich zu gestalten – zum Beispiel durch das Entfernen automatisierter Konten – aber er fügte hinzu, dass "kein System perfekt sein wird". Er kehrte auch zu einem beliebten Sack zum Hineinprügeln zurück: den Mainstream-Medien, die, wie er sich beklagte, "in der Lage sind, mich regelmäßig zu beschimpfen".

New York Times

Zahlen

In der Zeitung kann man in einem Artikel vom 2. Dezember 2022 Zahlenangaben darüber lesen, wie sich das Aufkommen von hasserfüllten Inhalten seit der Twitter-Übernahme von Musk verändert hat. Quellen sind das Center for Countering Digital Hate und die Anti-Defamation League:

Vor dem Kauf von Twitter durch Elon Musk wurden auf dem Social-Media-Dienst durchschnittlich 1.282 Mal am Tag Beleidigungen gegen schwarze Amerikaner geäußert. Nachdem der Milliardär Eigentümer von Twitter wurde, stiegen sie auf 3.876 Mal pro Tag.

Verunglimpfungen von schwulen Männern erschienen auf Twitter durchschnittlich 2.506 Mal pro Tag, bevor Musk die Leitung übernahm. Danach stieg ihre Verwendung auf 3.964 Mal pro Tag.

Und antisemitische Beiträge, die sich auf Juden oder das Judentum beziehen, stiegen in den zwei Wochen nach der Übernahme der Website durch Herrn Musk um mehr als 61 Prozent.

New York Times

An Material für Beispiele von hasserfüllten Inhalten mangelt es also nicht. Welches Material für Greenwalds Behauptung einer Info-Überwachung vorliegt, ist ein eigenes Gelände.

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