Elektronische Ausweise gelten als wichtige Zukunftstechnologie

Ausweise mit einem Computer-Chip lassen sich auch in Bereichen nutzen, in denen herkömmliche Ausweise keine Rolle spielten

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Elektronische Ausweise könnten die IT-Welt daher in den nächsten Jahren daher erheblich beeinflussen. Vor allem der elektronische Personalausweis, der 2010 eingeführt werden soll, dürfte zu einem wichtigen Dokument werden – vorausgesetzt, die Bürger akzeptieren ihn. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es bisher nur wenig Widerstand gegen die neue Technik.

Wussten Sie, dass Johann Wolfgang von Goethe braune Augen hatte und dass seine Haare im Alter von 57 Jahren noch nicht vollständig ergraut waren? Diese interessante Information ist uns durch einen 1808 ausgestellten Reisepass überliefert, den sich der bekannte Dichter für eine Fahrt nach Karlsbad (heute in Tschechien) ausstellen ließ. Da es damals noch keine Passfotos gab, war es üblich, persönliche Merkmale wie die Haar- und Augenfarbe schriftlich in einem solchen Dokument festzuhalten. Selbst die Art der Kleidung wurde im Reisepass vermerkt. Für Historiker sind derartige Beschreibungen heute interessante Informationsquellen.

Blickt man auf die weitere Geschichte von Ausweisdokumenten, dann ist dies gleichzeitig eine Reise durch die Technikgeschichte. Im 20. Jahrhundert kamen erst Passfotos auf, später wurde Kunststoff zum bevorzugten Material für die Passherstellung, und schließlich hielt auch die Computer-Technik (in Form maschinenlesbarer Ausweise) ins Ausweiswesen Einzug. Eine technische Vorreiterfunktion nahmen Ausweisdokumente allerdings nie ein. So war die Fotografie bereits über ein halbes Jahrhundert alt, als Passfotos in den 1920er Jahren zum Standard wurden. Auch Kunststoff gehörte längst zum Alltag, als uns die achtziger Jahre erstmals den in Plastik eingeschweißten Personalausweis brachten. Als Gegenstand, der millionenfach hergestellt wird, lange halten muss und nicht allzu empfindlich sein darf, ist ein Ausweis für technische Experimente offenbar nicht besonders geeignet.

Mikrochip auf dem Ausweis

Seit einigen Jahren hat eine weitere, ebenfalls nicht mehr ganz neue Technik in die Welt der Ausweisdokumente Einzug gehalten: der Mikrochip. Ein Mikrochip ist – je nach Ausprägung – ein Datenspeicher oder gar ein Computer im Kleinformat, der auf einer Fläche von wenigen Quadratmillimetern untergebracht ist. Mikrochips lassen sich in so ziemlich jedes technische Gerät und in viele Alltagsgegenstände einbauen, wobei unterschiedlichste Anwendungen möglich sind. Insbesondere lässt sich ein Mikrochip auch auf einen Ausweis aufbringen. In diesem Fall spricht man von einem elektronischen Ausweis oder einem E-Ausweis. Unter diese Definition fallen sowohl Ausweise, die mit einem einfachen Speicherchip ausgestattet sind, als auch solche, auf denen ein Minicomputer angebracht ist.

Allein im deutschsprachigen Raum gibt es über ein Dutzend E-Ausweis-Projekte

Der Nutzen eines Mikrochips auf einem Ausweis ist offensichtlich. Ein solcher Chip kann persönliche Daten des Inhabers speichern, das Auslesen dieser Daten steuern (und gegebenenfalls verhindern) und die Fälschungssicherheit des Dokuments erhöhen. Außerdem sind elektronische Ausweise für Anwendungen geeignet, die ohne Mikrochip kaum umsetzbar waren, beispielsweise bargeldloses Bezahlen, das Abheben von Geld am Bankautomaten oder digitales Signieren. Nicht zuletzt lässt sich ein elektronischer Ausweis auch hervorragend online nutzen, was mit einem chiplosen Dokument sicherlich nicht funktioniert.

Angesichts dieser Vorteile verwundert es kaum, dass elektronische Ausweisdokumente seit einigen Jahren einen enormen Boom erleben. Dieser wird sich ohne Zweifel fortsetzen, denn noch stehen wir erst am Anfang einer gewaltigen Entwicklung. Allein im deutschsprachigen Raum gibt es derzeit über zehn Großprojekte, die elektronische Ausweise zum Inhalt haben. Dazu gehören beispielsweise der elektronische Personalausweis, der deutsche elektronische Reisepass, die deutsche elektronische Gesundheitskarte, die österreichische e-Card, die österreichische Bürgerkarte und die Schweizer Gesundheitskarte, um nur die wichtigsten Vorhaben zu nennen.

In den nächsten Jahren werden weitere Dokumente dieser Art dazukommen – man denke nur an den elektronischen Führerschein oder den elektronischen Schülerausweis. Davon abgesehen gibt es Ausweise, die nicht von hoheitlichen Stellen ausgestellt werden, aber dennoch eine wichtige Bedeutung haben (z. B. Rechtsanwaltsausweise oder Presseausweise). Auch hier ist die Elektronisierung in vollem Gange, was beispielsweise der elektronische Rechtsanwaltsausweis in Österreich zeigt, der bereits in praktischer Verwendung ist. Nicht zu vergessen sind Firmenausweise, die in vielen Fällen schon seit Jahren mit einem Mikrochip ausgestattet sind.

Natürlich gibt es auch Widerstand gegen elektronische Ausweise. Der Chaos Computer Club hat beispielsweise mehrfach gegen die elektronische Gesundheitskarte Stellung bezogen. Neben Datenschutzbedenken führen häufig die hohen Kosten zu Kritik, denen oft kein genau zu beziffernder Nutzen gegenüber steht. In Deutschland ist der Widerstand jedoch deutlich geringer als beispielsweise in Großbritannien, wo inzwischen eine ganze Protestkultur gegen das dortige Personalausweisprojekt entstanden ist („Not to ID“). In Frankreich führte die Ablehnung durch die Bevölkerung dazu, dass ein ähnliches Vorhaben vorläufig gestoppt wurde. Dass es in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch nicht so weit gekommen ist, liegt wohl auch daran, dass die Verantwortlichen von Anfang an dem Datenschutz einen hohen Stellenwert einräumten. So ist der deutsche elektronische Personalausweis sicherlich schwerer zu missbrauchen als das britische Gegenstück. Letzteres sieht eine zentrale Datei vor, in der viele persönliche Informationen gespeichert sind.

Multifunktionsgegenstände

Durch die zusätzlichen Anwendungsmöglichkeiten, die ein Mikrochip bietet, sind elektronische Ausweise häufig Multifunktionsgegenstände. Der Inhaber kann sie nicht nur als Identitätsnachweis, sondern auch zum Signieren, zum Bezahlen, als Passwortersatz im Internet, für den Altersnachweis und für einiges mehr verwenden. Elektronische Ausweise können auf diese Weise sogar Technologien zum Durchbruch verhelfen, die bisher noch nicht allzu populär sind. Man denke etwa an das digitale Signieren oder das Bezahlen von Kleinbeträgen im Internet (Micropayment).

Elektronische Ausweise nützen jedoch nicht nur den Inhabern, sondern bieten auch Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen interessante Anwendungsmöglichkeiten. So können die Betreiber von Bankautomaten, Online-Läden, Bürgerportalen und ähnlichen Einrichtungen ihre Passwörter und TAN-Listen durch die Abfrage des elektronischen Personalausweises ersetzen – das ist sicherer und benutzerfreundlicher. Fallen bei einer Transaktion Gebühren an, dann kann der Anwender diese online mit seiner Ausweiskarte bezahlen. Ist eine Unterschrift notwendig, dann kann der Anwender diese als digitale Signatur mit dem Ausweischip anfertigen. Durch diese Vielfalt können elektronische Ausweise bei konsequenter Nutzung erhebliche Vereinfachungen mit sich bringen. Unternehmen, die Client-Server-Systeme entwickeln, werden sich daher in den nächsten Jahren verstärkt mit elektronischen Ausweisen beschäftigen müssen.

Manche Online-Angebote sind sogar speziell auf elektronische Ausweise zugeschnitten. Dies ist vor allem im Gesundheitswesen der Fall. Ein Beispiel hierfür ist die digitale Krankenakte, die auf einem Server liegt und für den Patienten oder Arzt mit Hilfe des passenden elektronischen Ausweises zugänglich ist. Eng verwandt damit sind Konzepte wie das elektronische Rezept oder der elektronische Impfausweis. Dabei gibt es stets auch die Möglichkeit, Daten nicht auf einem Server, sondern direkt auf dem Ausweischip zu speichern. Notfalldaten (etwa die Blutgruppe oder die Unverträglichkeit bestimmter Medikamente) sind aus naheliegenden Gründen auf dem Chip besser aufgehoben als auf einem Server.

Gerade diese medizinischen Anwendungen machen deutlich, dass ein elektronischer Ausweis in der Regel nur ein Puzzlestück in einer größeren Infrastruktur ist. Diese besteht meist aus Clients, Servern, Netzen und diversen Software-Paketen. Unter anderem aus diesem Grund kommen heute Menschen mit der Technik von Ausweisen in Berührung, die Personalausweise und Reisepässe früher höchstens aus der eigenen Brieftasche kannten. Software-Entwickler und IT-Berater sind Beispiele dafür.

Elektronische Identitätsausweise

Der arabische Staat Bahrain zählt zu den etwa zwei Dutzend Ländern, die elektronische Identitätsausausweise eingeführt haben oder kurz davor stehen

Besonders gespannt ist die Branche derzeit auf den elektronischen Personalausweis, der im November 2010 in Deutschland eingeführt wird. Andere Staaten sind in dieser Hinsicht schon weiter. Die ersten Länder, die ein vergleichbares Dokument (allgemein spricht man von einem elektronischen Identitätsausweis) einführten, waren im Jahr 1999 Finnland und Brunei. Belgien, Malaysia, Hongkong und einige andere folgten in den Jahren danach. Inzwischen haben etwa 25 Nationen einen elektronischen Identitätsausweis eingeführt oder stehen kurz davor. Derzeit sind drei Weltregionen erkennbar, in denen sich fast alle diesbezüglichen Projekte konzentrieren:

  • Europa: In Europa machte Finnland den Anfang. Inzwischen haben Belgien, Spanien, Estland und einige weitere Staaten mit elektronischen Identitätskarten nachgezogen.
  • Ostasien: Mit Malaysia, China (Volksrepublik), Hongkong, Brunei und einigen anderen Staaten bzw. Regionen ist der östliche Teil Asiens gut mit elektronischen Identitätskarten versorgt.
  • Arabien: Von Saudi-Arabien über Katar bis zum Oman haben alle reichen Ölstaaten Arabiens inzwischen einen elektronischen Identitätsausweis eingeführt oder stehen kurz davor.

In Amerika gibt es dagegen bisher nur sehr wenige E-Identitätskarten-Projekte. Die USA haben bisher keine konkreten Pläne für einen nationalen elektronischen Identitätsausweis, und die meisten anderen Staaten des amerikanischen Kontinents halten sich ebenfalls zurück.

Durch diese Überlegungen dürfte klar sein, dass sich seit dem Aufkommen elektronischer Ausweise mehr Menschen für das Ausweiswesen interessieren, als dies jemals zuvor der Fall war. Zum Glück sind die meisten Vorhaben im deutschsprachigen Raum gut dokumentiert. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, denn in anderen Ländern lassen sich Ausweisbehörden oftmals buchstäblich nicht in die Karten schauen und geben daher nur sehr wenige Informationen über die Technik ihrer Ausweisdokumente preis. Vor allem außerhalb der westlichen Industrieländer ist diese Praxis üblich. Meist wollen sich die Verantwortlichen durch eine solche Geheimhaltung vor Fälschern schützen – auch wenn Experten immer wieder darauf hinweisen, dass zu viel Geheimniskrämerei der Sicherheit mehr schadet als nützt. Da elektronische Ausweise bei Datenschützern und Bürgerrechtlern nicht besonders beliebt sind, befürchtet zudem so mancher Staat, durch allzu viel Öffentlichkeitsarbeit schlafende Hunde zu wecken.

Wie viel über ein elektronisches Ausweissystem bekannt ist, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie weit seine Umsetzung bereits fortgeschritten ist. Über Projekte, die sich noch im Planungsstadium befinden, gibt es oft nicht viel zu berichten, während die Quellenlage bei elektronischen Ausweisen, die bereits seit Jahren im Einsatz sind, besser ist. Solche Projekte liefern häufig wichtige Erfahrungen. Beispielsweise in Malaysia. Dort konzipierten die Behörden einen elektronischen Identitätsausweis, der unter anderem als Reisedokument, Bezahlkarte, Krankenversicherungskarte, Führerschein und Maut-Zahlungsmittel nutzbar ist. Die Begeisterung der Bevölkerung hielt sich in Grenzen. Eine oft gehörte Aussage lautete: Wenn man diese Karte verliert, ist man völlig aufgeschmissen.

Der Artikel wurde dem gerade erschienenen Buch des Autors entnommen: Klaus Schmeh: Elektronische Ausweisdokumente. Carl Hanser Verlag. 266 Seiten. 39,90 Euro.

Klaus Schmeh arbeitet als IT-Berater für die Gelsenkirchener Firma cryptovision. Er ist zudem nebenberuflicher Journalist. Seine persönliche Homepage: www.schmeh.org.