Element 111 heißt seit Freitag Roentgenium (Rg)
Das bislang schwerste Element wurde von der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt entdeckt, die Erweiterung des Periodensystems ist noch lange nicht abgeschlossen
Das bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) entdeckte Element mit der Ordnungszahl 111 soll den Namen "Roentgenium" - mit dem Symbol "Rg" - erhalten. Vorgeschlagen wurde dies schon am 18. Mai 2004 von der Abteilung Anorganische Chemie der International Union for Pure and Applied Chemistry (IUPAC). Diese Empfehlung folgte dem Vorschlag der GSI-Entdeckergruppe und steht in der Tradition, mit der Benennung eines neuen chemischen Elementes berühmte Wissenschaftler zu ehren.
Am 17. November 2006 war es dann so weit. Um 10:30 Uhr taufte in einem feierlichen Akt in der großen Experimentierhalle der GSI Bundesforschungsministerin Annette Schavan in Darmstadt das Transuran 111, das 272 mal schwerer ist als Wasserstoff, offiziell auf den Namen „Roentgenium“ (Rg). Damit würdigte sie die Arbeit der Wissenschaftler der Gesellschaft für Schwerionenforschung bei Darmstadt, die um den Leiter des „Schwere Elemente Programms“ der GSI und Träger der Röntgen-Plakette, Prof. Sigurd Hofmann, das Roentgenium 1994 zusammen mit einem internationalen Forscherteam erzeugt haben. Ministerin Schavan sprach von einer Meisterleistung mit weltweiter Bedeutung.
Dem GSI-Forscherteam um Professor Hofmann war im Jahr 1994 auch die Entdeckung des Elements 110 gelungen, das im Dezember 2003 in Anlehnung an den Entdeckungsort, den Sitz der GSI in Darmstadt, auf den Namen Darmstadtium getauft wurde. Die wohl bekanntesten Resultate sind die Entdeckung von sechs neuen chemischen Elementen mit den Ordnungszahlen 107-112 und die Entwicklung einer neuartigen Tumortherapie mit Ionenstrahlen. Mit diesen und einer Vielzahl anderer wissenschaftlicher Resultate nimmt die GSI eine international führende Position in der Forschung mit Ionenstrahlen ein. Bis 2012 soll bei GSI ein neues internationales Beschleunigerzentrum für die Forschung mit Ionen- und Antiprotonenstrahlen entstehen. Dort sollen grundlegende und bisher ungelöste Fragen vom Aufbau der Materie und der Entwicklung des Universums beantwortet werden.
Mit dem Namen „Roentgenium“ wird der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen geehrt, der vor 111 Jahren am 8. November 1895 die nach ihm benannten Röntgenstrahlen entdeckte. Für das Verständnis der Vorgänge in Atomen und Atomkernen war diese Entdeckung für viele Wissenschaftler Orientierung und Hilfe zugleich. Von 1888 bis 1900 lehrte Röntgen als Ordinarius der Experimentalphysik an der Universität Würzburg, dem Ort, wo er auch die Röntgenstrahlen entdeckte. Zu Lebzeiten wurden dem Forscher 110 in- und ausländische Ehrungen - darunter den ersten Nobelpreis für Physik – verliehen. Er hatte sie bei seinen Forschungen mit Kathodenstrahlen am 8. November 1895 entdeckt und sie ihrer unbekannten physikalischen Eigenschaften wegen für den Rest seiner Schaffenszeit nur noch als "X-Strahlen" bezeichnet.
„Der Name Röntgen solle nun weltweit bekannt werden", sagte Walter F. Henning, wissenschaftlicher Geschäftsführer der GSI. Die Röntgenstrahlen seien nur im deutschsprachigen Raum nach ihrem Entdecker benannt. Das Element 111 entsteht durch eine Kernfusion aus Nickel und Bismut, dem schwersten nicht radioaktiven Element. Mit Hilfe des Teilchenbeschleunigers UNILAC wurden Nickelatome auf hohe Geschwindigkeiten gebracht und dann mit Bismutatomen beschossen – durch Kernfusion entstand das neue Element Roentgenium, das mit Hilfe des Geschwindigkeitsfilters SHIP isoliert und nachgewiesen werden konnte. Folgende Formel symbolisiert die Reaktion:
64Ni + 209Bi --> 272Rg + 1n
Roentgenium existiert im Labor nur wenige tausendstel Sekunden. „Bei der GSI haben wir das Element seit 1994 erst sechs Mal produziert, im Riken-Institut in Japan wurde es auch ein paar Mal nachgewiesen“, sagte GSI-Sprecher Ingo Peter. Inzwischen hat die GSI selbst noch das Element 112 entdeckt, und vor einiger Zeit erzeugte ein russisch-amerikanisches Forscherteam ein noch namenloses Edelgas mit der Ordnungszahl 118.
Über die chemische Zusammensetzung von Roentgenium ist noch nichts bekannt. Wissenschaftler versprechen sich von der Entdeckung neue Erkenntnisse für die Astrophysik. „Es geht aber auch um die generelle Frage, wie schwer Elemente sein können. Wenn wir das wissen, lernen wir viel über die inneren Kräfte des Atomkerns, über das Innerste der Materie“, sagte Peter.
Die Erweiterung des Periodensystems der Elemente ist mit den heute vorgestellten Experimenten noch lange nicht zu Ende. Die wissenschaftliche Reise zu höheren Inseln der Stabilität der Elemente 114, 120-122 und 164, die Suche nach den protonen- und neutronenreichsten Kernen, gehören zur Aufgabe der kommenden Jahre. Vorstöße in neue Bereiche der Atomkerne werden vorgenommen: Die Resonanz- und Quarkmaterie ist mit der Untersuchung relativistischer Schwerionen schon in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Dies ist Materie mit höchsten Dichten, die sich nur im Innern der Neutronensterne finden lässt. Temperaturen von Billionen Grad, wie sie bei der Entstehung der Welt vorherrschten, werden dabei erreicht werden und notwendig sein.