Emanzipation im Tierreich
Weibliche Silberlachse und Wachtelvögel geben Macho-Artgenossen nicht unbedingt den Vorzug
Bonzo gewinnt nicht immer. Wer den Frauen sehnsüchtig nachsieht und es satt hat, als männliches Mauerblümchen immer nur das Nachsehen zu haben, für den gibt es Hoffnung. Wenn schon weibliche Fische und Vögel klug genug sind, Chauvi-Männchen bei der Partnerwahl stehen zu lassen, warum nicht die Damen der Schöpfung?
Gerne erinnert mann sich der goldenen Zeiten, als auch die Frauen noch Schwänze hatten. Als ein Mann noch ein raubatziger unrasierter Mann war und die Frau diese Tatsache ohne großes Murren unterschrieb, bevor sie ihrem Liebsten ausführlich den Spiegel zum Rasieren vorhielt. Vorbei, verweht. In der Werbung halten immer mehr Watschenmänner mit Dackelaugen und mausgrauem Pullunder Einzug. Das Warsteiner-Pils wird von der Frau in der Kneipe spendiert und das quietschige Comic-Männchen Küblböck sorgt gemeinsam mit Hobby-Transvestit Beckham für feuchte Höschen allerorten.
Verdammt bitter. Wo ist es in unserem Kulturkreis noch möglich ein Mann zu sein? Was ist bitteschön mit den tradierten Erkenntnissen aus dem Biologie- und Rap-Unterricht? Die da heißen: Nur die Stärksten überleben bei der natürlichen Auslese: "Find 'um, fuck 'um and flee" (NWA 1991) etc pp.
Alles Lüge? Haben die Natur und Charles Darwin nicht am Ende doch immer recht? Schließlich ist doch der Homo sapiens nicht vom Himmel, sondern vom Baum gefallen (in ruralen Revieren manchmal punktgenau in den tiefer gelegten und verbreiterten Golf GTI), daher müssten doch die ewiggültigen tierischen Naturgesetze eigentlich auch für ihn weiter gelten.
Anwälte der bedrohten Maskulinität führen dies gerne ins Feld, wenn es buchstäblich um die Wurst geht. Tier-Dokumentationen belegen ja nun grundsätzlich durchaus in aller Deutlichkeit, dass grobe Lackel, toughe Hengste und angeberische Platzhirsche beim Kampf um die Schnitten den Sieg (bzw. Sie) davontragen. Weil sich das Weibchen davon einwickeln lässt, zurückhaltendere und gesittetere Bewerber verschmäht und sich mit Rambo schlussendlich brav vermählt.
Nicht ganz. Wie New Scientist vermeldet, schlagen weibliche Exemplare der amerikanischen Silberlachse und einer japanischen Wachtel-Art ziemlich aus der Art. Ein Quantensprung? Der angehende Verhaltensbiologe Jason Watters von der University of California hat beobachtet, dass sich weibliche Coho-Lachse vor der kalifornischen Küste lieber mit einer kleineren Spielart ihrer männlichen Artgenossen, den sogenannten "Jacks", einließen als mit größeren und wilderen Männchen, die "Hooknoses" genannt werden. Und dies, obwohl die "Hakennasen" die "Hanswursten" bei der Paarung in Flüssen dominieren und aggressiv um die Weibchen buhlen. Wie Watters bei einer Tagung der Animal Behavior Society in Boise/Idaho bekanntgab, laichten die weiblichen Lachse jedoch länger und kümmerten sich mehr um ihre Brutplätze, wenn sie mit Softies zusammen waren.
Und nicht nur im Wasser, auch in der Luft beginnt die Herrschaft des tierischen Patriarchats bedenklich zu wanken. Possierliche japanische Wachtelvögel haben ihre Rambo-Artgenossen, die besonders gewalttätig veranlagt sind, offensichtlich langsam satt. Der kanadische Student der Verhaltensforschung Alex Ophir von der McMaster Universität Ontario ließ weibliche Wachteln Gockelkämpfe zweier Männchen beobachten und dann entscheiden, wem von beiden sie sich nach dem Fight bevorzugt zuwenden würden. Interessanterweise warfen sich sexuell bereits erfahrene Weibchen lieber den Verlierern an den Hals, während Jungfrauen eher den Wachtel-Winnern verfielen.
Ophir folgert daraus, dass die Tiere möglicherweise aus der Erfahrung gelernt haben, dass dominante Männchen saugrob sein können. Da sollte das menschliche Weibchen (abgesehen von hoffnungslosen Fällen wie Naddel) dann doch schon genauso gescheit sein und besser dem sanften sensiblen Männe eine Chance geben. Bitte, bitte ...