Emissionsfreie Antriebe im Bahnverkehr
Strom gilt auch im Bahnverkehr als sauberste Energiequelle. Dies hängt zwar stark vom jeweiligen Erzeugungsmix ab, aber das Potenzial ist gegeben. Hemmnis bei der Elektrifizierung des Bahnverkehrs ist bislang der Zwang zur Oberleitung.
Die Oberleitung sorgt bislang als Teil der jeweiligen Trasse für die Energieversorgung der elektrischer Lokomotiven und Triebwägen. Während die Hauptstrecken inzwischen zumeist elektrifiziert wurden, werden viele Nebenstrecken mit Dieseltriebzügen bedient. Mit der Dieselkrise bei den PKWs rückte auch der Dieselantrieb und der Schadstoffauststoß im Eisenbahnverkehr wieder in den Blickpunkt, nachdem er zuletzt nur bei Museumsfahrten von Dampflokomotiven im Gespräch war.
Eine Elektrifizierung bestehender Nebenstrecken scheint aus Kostengründen in absehbarer Zeit nicht realisierbar, werden die dafür anfallenden Kosten doch bei ein bis zwei Millionen Euro pro Kilometer auf insgesamt etwa 11,5 Milliarden Euro geschätzt. Die Länge des aktuell noch vorhandenen deutschen Eisenbahnnetzes, das die Abbauaktivitäten der Mehdorn-Ära überlebt hat, wird mit etwa 40.000 Kilometern angegeben.
Davon sind 23.000 Kilometer mittels Oberleitungen elektrifiziert und die verbleibenden 17.000 Kilometern werden mit Hilfe von Dieseltriebzügen bedient, die häufig ein Alter von über 20 Jahren erreicht haben, was dem Durchschnittsbürger im Vergleich zu seinem PKW alt vorkommt, im Bereich der Bahntechnik jedoch gar nicht so selten ist, berücksichtigt man die Tatsache, dass in ganz Deutschland noch heute Lokomotiven und Wagenmaterial aus der früheren DDR zum Einsatz kommt.
Gravierender erscheint in diesem Zusammenhang, dass es für den Bahnbetrieb keine Auflagen hinsichtlich des Ausstoßes von Luftschadstoffen zu geben scheint. Anstatt aktuelle Vorschriften zum Betrieb von Dieselantrieben bei der Bahn zu entwickeln, strebt man jetzt die Einführung alternativer Stromversorgungen an. Man hofft mit der Verlagerung der Stromversorgung von der Trasse in die Fahrzeuge auch auf eine Beschleunigung der Umstellung auf elektrischen Betrieb, weil die teilweise langwierigen Planfeststellungsverfahren entfallen. Ein zusätzlicher Vorteil könnte darin bestehen, dass die Fertigung zentral erfolgen könnte, wo der Aufbau eines Oberleitungssystems grundsätzlich dezentral entlang der Trasse erfolgen muss.
Die Zeit der alternativen Bahnstromversorgung
Der VDE, der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e.V., hat nun im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eine Studie über Batteriesysteme für Schienentriebzüge erstellt. Die Studie wurde in Berlin im Vorfeld der InnoTrans präsentiert. Der Vorschlag des VDE soll sich an den in der Automobilbranche üblichen Innovationszyklen für Lithium-Ionen-Zellen orientieren, die deutlich kürzer sind, als im Bahnbetrieb üblich. Zudem leidet die Lithium-Ionen-Zellen-Technik in Deutschland bisher an der fehlenden inländischen Fertigung. Mehrere Anläufe Lithium-Ionen-Zellen für Traktionsbatterien in Deutschland zu fertigen, sind bislang gescheitert und so werden die Zellen bislang aus Fernost bezogen.
Mit der Orientierung an der Entwicklung der Traktionsbatterien für PKWs erhofft man sich deutliche Kostenvorteile und ein zunehmend größere realisierbare Reichweite, geht allerdings das Risiko ein, dass sich auch die Lebenserwartung der Speichersysteme eher am Automobilsektor orientiert, als an den bahntypischen Investitionszyklen, die sich bislang mehr in den in der Energiewirtschaft üblichen Zeiträumen bewegt.
Bislang wird davon ausgegangen, dass Schienentriebzüge mindestens 20 Stunden pro Tag und das über 30 Jahre hinweg bei Hitze und Kälte im Einsatz sind. Dies führt zu hohen Anforderungen an die in den Fahrzeugen eingebauten Batteriepacks, insbesondere im Hinblick auf Lade- und Entladeströme, Sicherheit, Tieftemperatur-Performance, Betriebszeit und Zyklenfestigkeit. Bislang werden daher zumeist Lithium-Ionen-Zellen mit LTO-(Lithium-Titanatoxid-)Anoden eingesetzt, die zwar zuverlässige, aber auch teure Lösung darstellen.
Die LTO-Zellen haben zudem den Nachteil, dass ihre Energiedichte vergleichsweise gering ist und sie daher dem Fahrzeug durchaus Gewichtsprobleme bescheren können. Ein weiterer Nachteil der LTO-Zellen besteht darin, dass die Technik weitgehend ausentwickelt ist, Technologiesprünge nicht mehr erwartet werden, nur wenige Hersteller am Markt sind und aufgrund der vergleichsweise geringen Nachfrage des Bahnsektors kaum Wettbewerb besteht und daher ein Preisverfall nicht erwartet wird.
Mit Toshiba Kokam stammen beide LTO-Anbieter aus Ostasien und in Deutschland gibt es weder entsprechende Anbieter, noch den politischen Willen in diese Technik zu investieren. In Deutschland setzt die Politik bei der Batterietechnik in erster Linie auf den Straßenverkehr.
In der Studie wird daher die Idee verfolgt, dass man auch andere Akkutechnologien nutzen könnte, wenn man die einzelnen Zellen wirksam thermisch isolieren oder mit Hilfe eines intelligenten Batterie- und Thermomanagementsystem jede Zelle durch gezieltes Vorwärmen oder Kühlen im optimalen Betriebszustand halten und monitoren könnte. Damit ließen sich, so die Studie, die harten Anforderungen des Bahnbetriebs auf Zellebene deutlich entspannen. Damit könnte man künftig auch weitaus günstigere Zelltechnologien verwenden.
Kombination aus Reichweiten- und Dynamikbatterien
Da die hohe Leistungsdichte vor allem beim Anfahren und Beschleunigen gefordert ist, steht in den übrigen Betriebsphasen bei moderateren Entladeströmen die Reichweite im Vordergrund. Daher sieht man beim VDE die Lösung in zwei Traktionsbatterien, wovon eine die Funktion Dynamik, die andere die Funktion Reichweite hat. Man geht beim VDE davon aus, dass diese Lösung bezogen auf die 30-jährige Lebenszeit eines Zuges kostengünstiger ist, als eine auf LTO basierende Lösung.
Man hofft somit auf die im Automotive-Bereich gebräuchlichen Standard-Zellchemien wie NCA (Lithium-Nickel-Kobalt-Aluminiumoxid)/C, NCM (Lithium-Nickel-Kobalt-Manganoxid)/C oder LFP(Lithium-Eisenphosphat)/C als wirtschaftliche Alternativen zu LTO. Die Automobilbranche erwartet bis 2030, dass die Grenzkosten für Lithium-Ionen-Zellen auf unter 100 Euro pro kWh fallen.
Batteriezug von Bombardier vorgestellt
Bombardier Transportation präsentiert am Bombardier-Standort in Hennigsdorf einen neuen Batteriezug. Auf Jungfernfahrt ging der Prototyp eines elektrohybriden Zugs vom Typ Talent 3, der auf nicht- oder nur teilelektrifizierten Strecken zum Einsatz kommen soll. Er soll mit Spitzenwerten von 90 Prozent in den Bereichen Wirkungsgrad und Recycelbarkeit aktuell die Standards setzen. Zudem sei er etwa um die Hälfte leiser als moderne Dieselzüge.
Laut einer Vergleichsstudie der TU Dresden soll der Batterietriebzug auch bei der Gesamtkostenbetrachtung über die komplette Lebenserwartung von 30 Jahren die Nase vorn haben. Das aktuelle Modell ist mit vier Bombardier Mitrac-Traktionsbatterien ausgestattet und soll Strecken von rund 40 Kilometern zurücklegen können. Mit der für das kommende Jahr angekündigten Fahrzeuggeneration sollen nicht elektrifizierte Strecken bis zu 100 Kilometern befahren werden können.
Die Deutsche Bahn will 2019 mit ihrer Tochter DB ZugBus RAB in der Region Alb-Bodensee gemeinsam mit der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mit dem aktuellen Prototypen einen zwölfmonatigen Testbetrieb mit Fahrgästen starten.
Wasserstoff als Energiespeicher im Coradia iLint von Alstom
Dass Elektrotraktion ohne Oberleitung auch ohne große Akkublocks möglich ist, zeigt der Coradia iLint, der inzwischen als weltweit erster Wasserstoff-Brennstoffzellenzug die Zulassung für den Passagierverkehr im öffentlichen Netz in Deutschland vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) erhalten hat. Im November 2017 hatten Alstom und die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) den ersten Vertrag über die Lieferung von insgesamt 14 Brennstoffzellen-Zügen und deren 30-jährige Instandhaltung und Energieversorgung unterschrieben. Die 14 Züge werden von Alstom für den Fahrzeugpool der LNVG produziert und sollen ab Dezember 2021 Reisende zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude befördern. Betreiber sind die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (evb).
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.