Energiewandler

Warum ein Mikrochip eigentlich ein Gewicht von einem Kilo hat

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Wenn der Computer auf dem Schreibtisch steht, dann sieht man ihm nicht an, welche Mengen an Ressourcen nötig waren und welche Umweltbelastungen anfielen, damit er das tut, was der Anwender von ihm verlangt. Eine solche umfassende Ökobilanz für einen gesamten PC zu erstellen, daran haben sich bislang nur wenige gewagt, und das auch nur mit unbefriedigendem Ergebnis. Das Produkt PC ist einfach zu komplex, überdies wird die Analyse auch dadurch erschwert, dass selbst die Hersteller der einzelnen Komponenten nicht genau wissen, was sich in ihren Produkten befindet.

Zumindest aber bestätigt eine jetzt im Fachmagazin Environmental Science and Technology vorgestellte Teilabschätzung1 wieder einmal die Vermutung, dass die gefällige saubere Elektronik, auch wenn sie auf dem Schreibtisch stehend offensichtlich nicht sonderlich viel Krach macht und auch die Luft nicht mit Abgasen verpestet, doch trotzdem deutliche Spuren in der Umwelt hinterlässt.

Eric Williams von der United Nations University in Tokio und seine Kollegen haben die wenigen internationalen Untersuchungen zum Thema ausgewertet und daraus die ökologischen Auswirkungen der Produktion eines 32 Megabyte RAM-Speicherchips errechnet: Für die Herstellung des nur zwei Gramm schweren Computerchips werden unterm Strich 1,6 Kilogramm fossile Brennstoffe zur Gewinnung der benötigten Energie, 72 Gramm Chemikalien und 32 Kilogramm an Wasser benötigt.

Damit erreicht mit dem nur 1,2 Quadratzentimeter großen Speicherchip nur ein Bruchteil des für seine Herstellung notwendigen Ressourcenverbrauchs letztendlich den Schreibtisch des Anwenders. Verantwortlich für den hohen Energieverbrauch ist vor allem die Herstellung des Halbleiters, der bis zu 400 Prozessschritte mit zum Teil hochtoxischen Chemikalien durchläuft. Der größte Energieverbrauch rührt hierbei bis zu 60 Prozent aus der Erzeugung der notwendigen Reinraumatmosphäre in der Waferfabrikation. Weitere 35 Prozent der Energie verbrauchen die Gerätschaften zur Herstellung des Chips.

Die Ergebnisse der Studie rücken aber auch die Diskussion über Umweltauswirkungen und -belastungen, die durch den PC hervorgerufen werden, zurecht, denn hier steht bislang die während der Nutzungsphase verbrauchte Energie im Vordergrund. Gemessen am Energieverbrauch, den der Speicherchip während seines gesamten Lebens hat, entfällt aber etwa die Hälfte auf seine Herstellung, hingegen nur 27 Prozent der Energie werden in der Nutzungsphase, also im PC des Anwenders, verbraucht (bei einer angenommenen Lebensdauer von 4 Jahren und täglich zweistündigem Gebrauch). Der ökologische Vorteil von sogenannten Öko-PCs reduziert sich also auch weiterhin auf die Möglichkeit, während des Betriebs weniger Strom zu verbrauchen und recyclingfreundlicher zu sein - eine ökologische Produktion gibt es derzeit nicht.

Die Forscher plädieren daher dafür, sich bei der Produktentwicklung nicht nur auf niedrigeren Stromverbrauch während der Nutzung des Computers zu beschränken, sondern sich auch auf eine ressourcenschonendere Herstellung zu konzentrieren. Auch mit einer Verlängerung der Nutzungsdauer ließe sich die Umwelt effektiv entlasten.

Dabei kann die Studie, wie ihre Vorgänger auch, jedoch nur als eine wage Abschätzung gelten. Zu viele weiße Flecken existieren noch als große Unbekannte in der PC-Ökobilanz, weil sie noch nie analysiert wurden. Die Untersuchung kann daher nur eine Minimalabschätzung sein. Alleine die Analyse, welche Umweltbelastungen beim Abbau und Transport der benötigten Rohmaterialien anfallen, käme bei den über 700 verschiedenen Stoffen in einem PC einer Sisyphusarbeit gleich: Aluminium aus Surinam, Eisen aus Schweden, Chrom aus Zimbabwe, Zink aus Peru, Nickel aus Neukaledonien, Kupfer aus Chile, Zinn aus Malaysia, Molybdän aus Kanada, Arsen aus Frankreich, Antimon aus Südafrika, Silber aus Mexiko sowie Spuren anderer Metalle aus entfernten Weltgegenden werden nicht immer unter Beachtung der Umweltstandards abgebaut, die in den Ländern gelten, wo der PC zusammengebaut und verkauft wird.

Doch selbst mit diesen Lücken summiert sich selbst der lebenslange Rohstoffverbrauch eines PC-Oldies mit 486er-Prozessor nach Berechnungen einer unveröffentlichten Studie des Wuppertal-Instituts auf mindestens 16 Tonnen und damit fast 2/3 soviel, wie ein Mittelklasse-Pkw ohne Elektronik - mit dem Unterschied, dass der PC 15 Kilogramm und der Pkw 1,1 Tonnen wiegt (Ein einfacher PC mit Bildschirm verbraucht 19 Tonnen Ressourcen).