Enfopol-Abstimmung im Europa-Parlament

Europäische Datenschützer fordern Präzisierung

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Am heutigen Freitag findet im Europa-Parlament eine kurzfristig angesetzte Abstimmung über die Enfopol-Überwachungspläne statt. Die Pläne sehen vor, die grenzüberschreitende Überwachung von Telefonanrufen im Fest- und Mobilnetz, Faxe, Telex und E-Mails sowie Datenflüsse im Internet zu überwachen. Dabei geht es nicht nur um die Erfassung der Inhalte, sondern auch um die Erfassung jeglicher Kommunikationssignale, die in Bezug zur überwachten Person stehen.

Die Ratsentschließung "ist nicht nur ein technisches Update", kritisiert der grüne Europabgeordnete Johannes Voggenhuber. "Jeder Telekommunikationsbetreiber wird dazu verpflichtet, für die Polizei eine wasserdichte Hintertür einzubauen."

Mit der parlamentarischen Abstimmung wird erstmals offiziell die Existenz der EU-Überwachungspläne anerkannt. Allerdings wurde der Termin so angesetzt, daß die SPD-Abgeordneten keine Zeit mehr hatten, untereinander eine gemeinsame Linie festzulegen. Allein die Grünen konnten vier Änderungsanträge vorbereiten: Sie fordern eine Überprüfung bis zum 1. Juli 2000, inwieweit die Mitgliedstaaten die Ratsentschließlung vom 17. Januar 1995 über die rechtmäßgie Überwachung des Fernmeldeverkehs in nationales Recht umgesetzt haben. Diese Entschließung bezog sich allein auf den traditionellen Kommunikationsverkehr und soll jetzt auf das Internet, Satellitenkommunikation, Prepaid-Cards und "andere Technologien erweitert werden.

Zudem soll folgender Passus eingefügt werden, der die Übernahme der Überwachungskosten durch die privaten Betreiber verhindern soll:

"Es besteht nicht die Absicht, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der die Internet-Diensteanbieter zwingen würde, sich aufgrund der finanziellen, die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigenden Belastungen außerhalb der Union niederzulassen."

Damit griffen die Grünen einen Kritikpunkt des "Ausschusses für Recht und Bürgerrechte" auf. Der Abgeordnete Luigi Florio hatte auf die finanziellen Belastungen aufmerksam gemacht: Systembetreiber müssen ihre Anlagen erheblich nachrüsten, um beispielsweise das Telefonieren mit Pre-Paid-Cards nachverfolgen zu können. Florio hatte die Zurückweisung und die Erarbeitung eines neuen Vorschlags verlangt. Soweit wollen jedoch selbst die Grünen nicht gehen.

Kein flächendeckendes Abhören von Telekommunikation

Schließlich fordern sie in den Erwägungen zum einen einen Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats vom 28. Januar 1981 über den Schutz personenbezogener Daten sowie auf die europäische Datenschutzrichtlinie aufzunehmen. Die Arbeitsgruppe der europäischen Datenschützer hatte in der vergangenen Woche einen Empfehlungsentwurf erarbeitet, der sich mit dem "Datenschutz im Kontext des Abhörens von Telekommunikation" beschäftigt. Darin äußerten sie sich "besorgt über den Umfang der geplanten Maßnahmen". Falls die Entschließung in nationales Recht umgesetzt werden würde, sollte unter anderem "strikt spezifiziert werden", daß eine proaktive oder allgemeine Überwachung der Telekommunikation in großem Umfang verboten ist. Ebenso sollte genau festgelgt werden, welche Behörden Überwachungsmaßnahmen durchführen dürfen. Die abhörenden Behörden sollten zudem unabhängig kontrolliert werden können und die Öffentlichkeit beispielsweise in regelmäßigen statistischen Berichten über ihre Überwachungspolitik informieren. Schließlich sollte ein Datentransfer an Dritte unter bilateralen oder multilateralen Übereinkommen nur unter bestimmten Bedingungen möglich sein.

Es ist unwahrscheinlich, daß die SPD sich den Anträgen der Grünen anschließen wird. Schließlich ist einer ihrer Parteigänger, der Abgeordnete Gerhard Schmid, im "Ausschuß für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten" der Kontaktmann der Enfopol-Arbeitsgruppe. Seine Parteifreunde in Deutschland und Europa bezeichnen ihn als "nicht kommunikativ". Auf Anfragen ihrerseits habe er entweder nicht reagiert oder Unverständnis signalisert. In einem eigenen Bericht hatte Schmid sogar verschärfende Nachbesserungen verlangt.