Entscheidungen und ihre Konsequenzen

Die Anderen sind der Spiegel deines Selbst: das Action-Rollenspiel "Fable II"

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Dass ein Computer- und Videospiel wie das von Peter Molyneux und Kollegen entwickelte „Fable“ auf der Grundlage beruht, uns allen zu zeigen, inwieweit Entscheidungen Konsequenzen mit sich ziehen, das ist so etwas wie die Illustration dessen, was unter der grafischen Oberfläche verborgen liegt: die Welt der Nullen und Einser, der Jas und Neins – nur gut, dass weder der erste Teil noch die soeben erschienene Fortsetzung mathematisch-trockener Käse sind.

„Vergiss nie, dass selbst die kleinsten Entscheidungen große Konsequenzen mit sich ziehen können“, sagt Theresa. Aber Moment mal! Soll mein Alter Ego wirklich dieser dahergelaufenen Zigeunerin trauen, die stets ihren Kopf unter einer Kapuze verhüllt und von der ich eigentlich so gut wie überhaupt nichts weiß? Die hatte doch irgendwie ihre Finger im Spiel als Rose und ihr jüngerer Bruder, zwei arme Straßenkinder, eine alte, magische Spieluhr kauften, woraufhin sie auf das Schloss von Lord Lucien gerufen wurden, um dann von dem machtgierigen Monarchen ins Jenseits befördert zu werden.

Rose und ihr Bruder könnten als Fotomodels einspringen und so etwas Geld verdienen. (Screenshots: Microsoft)

Doch der junge Bruder überlebt und wird zehn Jahre später von Theresa auf den Weg geschickt, um Lucien zur Rechenschaft zu ziehen. Es sei an der Zeit, dass er für seine Gräueltat büßt. Der Gegenspieler hat indes über das ganze Land sein Netz geworfen, sodass der Held im Verlauf der Handlung immer wieder an den Punkt gelangt, an dem er sich geschlagen gegeben muss. Hat er etwa gerade Hannah, der unentwegt quatschenden Tochter des Abts, dazu verholfen, heil aus einer Höhle zu gelangen, so steht er bloß zwei Minuten später vor dem Grab ihres Vaters. Es gibt also nicht nur Erfolgsmomente zu erleben, sondern man bekommt auch den Frust der Zeit spüren, in der „Fable II“ (Xbox 360) spielt: im Mittelalter.

Andererseits führt dies nicht dazu, dass der Spieler zunehmend mehr triste Landstriche erblickt. Ganz im Gegenteil. Die Welt von Albion ist reich an saftig grünen Wiesen und Seen, in denen die Sonne reflektiert wird. Vögel fliegen allerorts herum und in den Städten herrscht buntes Treiben. Selbstverständlich erinnert vieles an den ersten Teil, doch auf einem hochauflösenden Bildschirm kommt das Ganze jetzt weitaus besser rüber; insbesondere die farbigen Blitzeffekte, wenn der Held seine Gegner niedergestreckt hat und deren Energie in sich aufsaugt. Genauso faszinierend sind die Stimmungen, die durch das wechselnde Sonnenlicht erzeugt werden.

Diese netten Hohlköpfe sind ziemlich widerspenstig.

Anfangs stellen die Gegner kein großes Hindernis dar. Erst nach einigen Stunden Spielzeit wird es anstrengender sie aus dem Weg zu räumen. Allerdings sammelt der Protagonist Erfahrungspunkte und wertet mit diesen seine Fähigkeiten Stärke, Können und Willenskraft sowie seine Lebensenergie auf. Genauso wichtig ist das Ansehen des Helden, denn um überhaupt die Tochter des Abts begleiten zu können, muss er erst einmal einen guten Ruf im Land haben. Dazu gelangt der Held nicht nur, indem er gefürchtete Banditencliquen ausrottet, sondern auch indem er den Bürgern Gutes tut. Beispielsweise soll man ein Artefakt für eine Archäologin suchen.

Allein würde einem dies nicht gelingen, denn in erster Linie ist es dem Hund zu verdanken, dass man den Gegenstand, und einen weiteren, findet. Der Vierbeiner weicht dem Helden seit Beginn nicht mehr von der Seite, als man sein gewalttätiges Herrchen in die Flucht geschlagen hat. Und der Hund verhilft dem Helden auch dazu, dass er sich Hundefreund nennen darf – ein Ruf, der zwar 1500 Goldstücke kostet, bei den Bürgern kommt das Duo dafür jedoch umso besser an. Bei manchen Leuten zumindest.

Der Hund ist ein treuer Begleiter und Helfer, wie ihn Molyneux schon vor Jahren in Interviews angekündigt hat.

Aber man kann die Leute in der Öffentlichkeit auch mit kleinen Tanzeinlagen und Posen, ja sogar mit lautem Furzen beeindrucken. Letzteres gefällt bestimmt nicht jedermann, doch dafür haben es die Tänzchen richtig in sich. Hüpft der Held abwechselnd von einem Bein aufs andere und summt dazu so etwas wie „Huppda Wuppda“, dann groovt nicht nur der Klamottenhändler am Wegrand mit, selbst die ach so feine Gesellschaft von Fairfax findet rasch an der Darbietung Gefallen.

Die Leute wippen allerdings nicht bloß mit, sie klatschen und jubeln auch mal, und über ihren Köpfen erscheinen mit der Zeit Symbole des Gesichtsausdrucks sowie Herzchen und Plus- oder Minuspunkte. Dass diese Elemente an „Die Sims“ erinnern, fällt überhaupt nichts in Gewicht, schließlich verleiht es dem Game eine gewisse Lockerheit. Manchmal versammeln sich sogar gleich mehrere Personen um die Hauptfigur, woraufhin immer mehr dazu kommen, und dann wird’s sogar ziemlich lustig! Da scheint wohl ein bisschen die angelsächsische Herkunft Peter Molyneux’ durch, sofern er denn auch öfters mal im Norden Großbritanniens Urlaub gemacht hat. Das wird er wohl. Schon hinter Albion versteckt sich der älteste Name der Inselgruppe. Es stammt aus dem Keltischen.

Auf Trolle wie diesen muss man einige Stunden warten.

Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass „Fable II“ immens einfach zu spielen ist, so einfach, dass sich selbst Einsteiger sofort mit der Steuerung zurechtfinden dürften. Wenn der Schwierigkeitsfaktor jedoch anzieht, dann braucht es schon taktische Erfahrung und viel Durchsetzungsvermögen. Andernfalls setzen die Gegner dem Helden allzu sehr zu. Aus dramaturgischer Sicht ist diese Entwicklung hingegen notwendig, da man so schrittweise ins Geschehen eintaucht. Die Geschichte wird sowieso nach und nach komplexer – und währenddessen frage ich mich immer wieder, ob Theresa tatsächlich auf meiner Seite steht…