Entwicklungshilfeministerium tut was für Entwickler
Mit Webdesign gegen Busüberweisungen
Geld ins Ausland zu bekommen, kann unangenehm teuer werden. Innerhalb des Euro-Raums sind diese Probleme weitgehend, aber nicht vollständig beseitigt: Mit BIC/IBAN lässt sich zwar kostenlos überweisen, und die Überweisungen kommen relativ schnell an, aber eben nur „relativ schnell“. Für die gesetzlichen drei Arbeitstage (denen in der Praxis meist nur ein Arbeitstag entspricht), die innerhalb von Deutschland gelten, gibt es keine Entsprechung.
Es kann durchaus eine Woche und länger dauern, bis eine EU-Überweisung eintrifft, und auch dann gibt es Ärger, z.B., weil die Bank der Überweisungszweck nicht im Kontoauszug anzeigt. Vor einem vernünftigen innereuropäischen Zahlungsverkehr – der es z.B. erlauben würde, ein Girokonto bei einer maltesischen Bank zu haben, bei der dann die Lastschriften einer französischen Kreditkarte abgebucht werden – sind wir noch sehr, sehr weit entfernt.
Die Situation wird schlimmer, wenn wir die Grenzen des Euro-Raums verlassen. Wer Überweisungen aus dem nicht-Euro-Ausland erhält (z. B. Schweiz oder Großbritannien) weiß nie so genau, wie viel Geld letztlich auf dem eigenen Girokonto ankommt. Denn Absender- und Empfängerbank können sich unterwegs bedienen, und außerdem gibt es höfliche Auftraggeber, die selbst die Bankgebühren übernehmen. Die Überweisungsdauer lässt sich nur vorhersagen, wenn man Erfahrungswerte hat. Ein Anruf bei der Bank führt erfahrungsgemäß nach mehrfachen Weiterverbinden zu der Aussage, dass man dies selbst weder wisse noch vorhersagen könne.
Das Ganze wird noch schwieriger, wenn die Empfängerländer obskurer werden. Zwar bleibt die Banküberweisung die sicherste Transfervariante, allerdings setzt sie ein Girokonto beim Empfänger voraus. Außerdem kann es eine Weile dauern, bis das Geld gutgeschrieben ist.
So ist Geldtransfer à la Western Union oder MoneyGram weitverbreitet. Das Ganze funktioniert so: Der Sender geht zu einem Western-Union-Partner, z.B. einem Postamt, und schickt einen Betrag X in Euro ab. Dazu muss er nur ein Formular ausfüllen und bezahlen. Er erhält einen Code, den er dem Empfänger dann per Telefon oder E-Mail mitteilt. Der Empfänger kann sofort zu einem lokalen Western-Union-Partner gehen und sein Geld in lokaler Währung abholen. Dieses Verfahren ist schnell und einfach, hat aber zwei große Probleme: Erstens ist die Sicherheit und Nachvollziehbarkeit gering, weswegen Betrüger ihre Zahlungen zumeist in dieser Variante wünschen. Zweitens sind die Gebühren für diesen Luxus dementsprechend hoch (oft 20% und mehr).
In den Balkan oder Osteuropa geht das Geld zumeist per „Bus“. Der Reisebus ist nach wie vor das billigste Reisemittel. Er dient aber nicht nur dem Personenverkehr, sondern auch für die Bargeldübermittlung. Man gibt dem Busfahrer das Geld im Umschlag, er erhält einen gewissen Anteil als Bezahlung, und liefert den Betrag an die Empfänger aus. Es ist erstaunlich, dass dieses krude System relativ problemlos funktioniert, zumal ja auch Grenzschützer wissen sollten, dass jeder solcher Reisebus Bargeld in nicht unerheblicher Menge mitführt.
Dem Staat missfällt der Bustransfer natürlich, denn damit verlässt Geld das Land, ohne dass die Zahlungsströme überwacht werden könnten. Genau das mag ein Grund sein, warum sich staatliche Institutionen (Entwicklungshilfeministerium, GTZ) am Portal www.geldtransfair.de beteiligen. Die offizielle Begründung lautet, „dass Deutschland der Thematik Migrantentransfers hohe Bedeutung beimisst.“.
Bei Geldtransfair.de sollte offenbar eine Art Teltarif für Auslandsüberweisungen werden. Da aber derzeit nur sechs Länder berücksichtigt werden (Albanien, Marokko, Türkei, Serbien, Ghana und Vietnam), hält sich der Nutzwert in Grenzen. Zudem werden nur Banküberweisungen berücksichtigt (nicht alternative Methoden à la WesternUnion-Geldtransfer, Moneybookers/Paypal usw.), und die Angaben (z.B. Überweisungsdauer) sind offensichtlich nur Eigenangaben der Banken und damit wertlos. Das Portal selbst gibt zu, dass es sich nur um Schätzwerte handelt. Nur ein sehr gelegentliches grünes „G“ steht für „Dauer und Kosten garantiert“, was umgekehrt bedeutet, dass alle anderen Angaben nicht viel wert sind.
Zudem fehlen Informationen, wie sie nur eine Community (z.B. ein Forum) leisten kann: Welche Banken überweisen prompt, welche zögern lange? Welche Banken mit niedriger Überweisungsgebühr (die einzige Information, die Geldtransfair.de bietet!) haben dafür unverschämte Kontoführungsgebühren?
Überhaupt ist die Idee fehlgeleitet. Bekanntlich scheidet eine Kluft die Menschheit des frühen 21. Jahrhunderts: Die, die im Internet Informationen finden, und diejenigen, die das nicht tun. Der zweiten Gruppe hilft ein Internetportal nicht, denn diese Leute benutzen per Definition kein Internet, und sie werden ihr Geld weiter per Bus oder WesternUnion/Moneygram in die Heimatländer schicken.
Die erste Gruppe wird sich nicht für ein blutleeres, halb-staatliches Portal interessieren, sondern lieber nach spannenderen Informationen suchen, wie zum Beispiel Großbanken mit internationalen Netz, die 0% für Überweisungen kassieren (und deren Konten in Deutschland ab einem gewissen, erschwinglichen Anlagesumme sogar kostenlos sind). Oder der Möglichkeit, mittels Reiseschecks für ca. 1% Geld zu transferieren. Oder der Möglichkeit, mit bestimmten Kreditkarten komplett kostenlos Bargeld an ausländischen Geldautomaten vom eigenen Girokonto abzuheben (was sich missbrauchen ließe, indem man einem vertrauenswürdigen Familienmitglied im Ausland die Kreditkarte samt PIN überlässt – das erfordert geradezu blindes Vertrauen, aber das gilt auch für die Busfahrermethode, und beim Kreditkartentrick dürfte die Vertrauensperson zumindest in familiärer Bindung stehen). Weitere Beispiele lassen sich hinzufügen.
Kurzum: Geldtransfair.de dürfte in die Kategorie Steuergeldverschwendung fallen. Gleichzeitig besteht ein echter Bedarf an einem Geldtransfer-Portal.