Erdogan: "Historische Entscheidung"
AKP-Regierung erklärte vorzeitig den Sieg, die Wahlkommission bestätigte diesen
Knapp hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Volksentscheid gewonnen, falls die Stimmauszählung korrekt verlaufen sein sollte. Die türkische Wahlkommission hat am Abend das vorläufige Ergebnis bestätigt, nach dem bei einer Wahlbeteiligung von 84 Prozent über 99 Prozent der Stimmen ausgezählt waren: 51,3 für Ja und 48,63 für Nein.
So knapp der Wahlausgang erscheinen mag, immerhin hat das Ja-Lager über eine Million Stimmen mehr als das Nein-Lager. Der Sieg, den Erdogan ausruft und mit dem er das gewünschte Präsidialsystem einführen kann, ist gleichzeitig Ausdruck eines zerrissenen Landes. Erdogan reklamiert, es sei das erste Mal, dass eine Zivilregierung die Verfassung ändert, was ein geschichtlicher Erfolg sei. Dem fügte er hinzu, nun möglichst auch bald die Todesstrafe wieder einführen zu wollen, was die Nation weiter spalten dürfte.
Regierungschef Yildirim versucht die nationale Einheit zu beschwören. Alle, die abgestimmt haben, seien auf dieselbe Weise wertvoll: "Es gibt keinen Verlierer bei diesem Referendum. Die Türkei ist die Gewinnerin, die geliebte Nation ist die Gewinnerin." Die Beschwörung der nationalen Einheit verband er auch wieder mit dem Druck von außen: "Unsere Nation hat seine Entscheidung getroffen und die Präsidialregierung anerkannt. Dieses Land, diese Nation hat wieder einmal gezeigt, dass es sich niemals einer Vormundschaft oder einer Intervention von außen beugen wird." Die Nation habe mit der Zustimmung zum Präsidialsystem "die beste Antwort auf die äußeren, der Türkei feindlichen Kräfte gezeigt, der separatistischen Organisation und der Terrororganisation, die den Putschversuch am 15. Juli ausführte".
Man wird davon ausgehen können, dass Erdogan und seine AKP-Partei den harten Kurs gegen den innenpolitischen Gegner und die waghalsigen militärischen Aktionen nun erst recht fortsetzen wird. In den größten Städten, in Istanbul, Ankara und Izmir, waren die Nein-Stimmen in der Mehrheit. Das weist darauf hin, dass Erdogan mit seiner Verfassungsreform zu einer autoritären Regierung einen Schritt zurückgeht und stärker im Land als in der urbanen Kultur verankert ist. Dass die Nein-Stimmen im Südosten der Türkei, wo es eine kurdische Mehrheitsbevölkerung gibt, die Mehrheit bildeten, war vorherzusehen. Die Oppositionsparteien CHP und HDP wollen die Auszählung anfechten.