Erdogan droht der Opposition
Nach der Absetzung dreier Bürgermeister schickt Präsident Erdogan Drohungen nach Istanbul - zugleich kündigt Ex-Ministerpräsident Davutoglu an, Staatsgeheimnisse auszuplaudern
Eine Woche ist es her, dass in den Städten Diyarbakir, Van und Mardin im kurdisch geprägten Südosten der Türkei die erst im März mit großen Mehrheiten gewählten Bürgermeister der linksliberalen Oppositionspartei HDP abgesetzt und durch von der Regierungspartei AKP installierte Zwangsverwalter ersetzt wurden. Die Begründung ist altbekannt: Den Politikern wird eine Nähe zur PKK und Terrorunterstützung unterstellt - ebenso den rund 500 HDP-Mitgliedern, die seither verhaftet wurden.
Nachdem sich Menschen zu spontanen Demos verabredet hatten, wurden Versammlungsverbote verhängt, die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Menschen vor, die gegen die widerrechtliche Absetzung der Bürgermeister auf die Straße gingen.
Demonstrationen in Istanbul
Auch in Istanbul gab es Demos, im oppositionell geprägten Bezirk Kadiköy versammelten sich mehrere tausend Menschen, mindestens sieben wurden festgenommen. Die Demonstranten befürchten, dass auch in Istanbul eine Absetzung des neu gewählten Bürgermeisters Ekrem Imamoglu (CHP) geplant sein könnte.
Die HDP verurteilt die Aktion als Angriff auf die Demokratie. Anders als in den Vorjahren schloss sich diesmal auch die größte Oppositionspartei CHP an, die normalerweise das Vorgehen der AKP gegen die Kurden entweder stillschweigend akzeptiert oder offen unterstützt hatte - und selbst aus den Reihen der rechtsradikalen Parteien kam Widerspruch. Das mag zum einen darin begründet sein, dass die CHP ihren überwältigenden Wahlerfolg bei den von Erdogan erzwungenen Neuwahlen in Istanbul vor zwei Monaten nicht zuletzt der Unterstützung der HDP verdankt.
Diese hatte auf einen eigenen Kandidaten verzichtet und ihre Wähler dazu aufgefordert, ihr Kreuz bei der CHP zu machen. Andererseits setzt sich inzwischen wohl auch bei den Kemalisten die Erkenntnis durch, dass ihnen dasselbe Schicksal drohen könnte und eine wirkungsvolle Opposition gegen die AKP ohne die HDP nicht möglich ist.
Bei einer Rede in Trabzon am vergangenen Sonntag griff Erdogan die CHP scharf an und sagte, sie marschiere an der Seite von Terroristen. Gemeint war die HDP. Er drohte der Partei offen, dass man "die heilige Stadt [Istanbul] nicht den Unterstützern dieser Organisation [der PKK]" überlassen werde - was die Befürchtungen zu bestätigen scheint.
Davutoglu könnte für Ärger sorgen
Neuer Ärger droht Erdogan derweil aus der Richtung von Ex-Premierminister Ahmet Davutoglu, der gerade zusammen mit weiteren AKP-Aussteigern dabei ist, eine neue Partei zu gründen. Er sagte, dass einige Leute Probleme kriegen würden, wenn die Geschichte dessen, was zwischen dem 7. Juni und dem 1. November 2015 geschah, ans Licht käme. Im Juni 2015 hatte die AKP bei den Wahlen ihre Parlamentsmehrheit verloren und die HDP war erstmals ins Parlament eingezogen.
Daraufhin blockierte Erdogan die Koalitionsverhandlungen und erzwang Neuwahlen, die im November stattfanden. In der Zwischenzeit beendete er die zuvor von ihm selbst initiierten Friedensgespräche mit der PKK, brach einen Krieg im eigenen Land los und verkaufte sich selbst als Garant für Stabilität. Bei mehreren verheerenden Terroranschlägen des IS starben Hunderte Menschen - in Urfa wurden am 20. Juli 33 Menschen von einem Selbstmordattentäter getötet, bei einem Angriff auf eine Friedensdemo in Ankara starben am 10. Oktober 102 Menschen.
Die Opfer waren überwiegend türkische Oppositionelle und Kurden. IS-Kämpfer, die von kurdischen Truppen in Syrien verhört wurden, hatten zuletzt suggeriert, der türkische Geheimdienst sei in die Anschläge involviert gewesen oder habe zumindest von ihnen gewusst - eine Theorie, die schon kurz nach den Anschlägen kursierte.
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