Erdogan gewinnt Präsidentschaftswahl
Mit 52,7 Prozent wird Recep Tayyip Erdogan als Präsident bestätigt, die Mehrheit im Parlament verfehlt er knapp
Der Abend des Wahltages war eine Zitterpartie für die türkische Opposition. Im Wahlkampf hatte sie zuletzt mächtig aufgeholt. Als die Parteien am Tag vor der Wahl ihre Abschlusskundgebungen abhielten, zog CHP-Kandidat Ince Millionen Menschen an, Zehntausende verfolgten seinen Livestream. Zugleich sprach Erdogan, ebenfalls in Istanbul, vor deutlich weniger Zuhörern, den Livestream der AKP wollten kaum 800 Personen sehen. In keine Wahl war die Opposition so hoffnungsfroh gegangen wie in diese. Am Ende half alles nicht.
Sämtliche Umfragen hatten darauf hingedeutet, dass Erdogan am 8. Juli in eine Stichwahl gegen seinen Konkurrenten Muharrem Ince würde gehen müssen. Doch nach Auszählung aller Stimmen verkündete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu mit Berufung auf Zahlen des Obersten Wahlkomitees Erdogans Sieg mit 52,3 Prozent der Stimmen. Ince liegt mit 30,6 Prozent weit abgeschlagen dahinter. Auf Platz drei folgt mit 7,9 Prozent der inhaftierte HDP-Kandidat Selahattin Demirtas. Die ehemalige Innenministerin Meral Aksener, die als Hoffnungsträgerin ihrer neu gegründeten Iyi Parti gestartet war, erhält gerade mal 7,4 Prozent der Stimmen.
Zu Beginn der Auszählungen hatte es noch anders ausgesehen. Anadolu hatte Erdogan bei sechzig Prozent verortet, die unabhängigen Wahlbeobachter von Adil Secim bei 43 Prozent. Eine gewaltige Diskrepanz, die wohl dadurch zustande kam, dass Anadolu zuerst die Zahlen aus jenen Regionen verkündete, in denen traditionell die AKP stark ist, während Adil Secim sich auf den Südosten konzentrierte, wo die HDP tatsächlich in zahlreichen Bezirken überwältigende Mehrheiten einfahren konnte.
Im Parlament hingegen hat die AKP ihre Mehrheit, wie es auch die Umfragen prognostizierten, eingebüßt, was in erster Linie daran liegt, dass die HDP mit elf Prozent den Wiedereinzug geschafft hat. Im Bündnis mit der MHP, mit der die AKP gemeinsam angetreten war, liegt die AKP im Parlament dennoch weit vor der Opposition. CHP und Iyi Parti konnten nur 32,8 Prozent der Stimmen holen. Das leichte Ungleichgewicht im Parlament kann Erdogan nun allerdings egal sein. Denn mit Abschluss der Wahl ist seine Verfassungsreform in Kraft. Die Türkei ist nun ein ganz auf ihn zugeschnittenes Präsidialsystem, in dem er walten kann, wie er will.
Stimmen aus der Opposition meldeten im Verlauf des Abends Zweifel an den Zahlen an. Während des Wahltages wurden zahlreiche Manipulationen dokumentiert. Ob sie am Ende den Ausschlag für Erdogans knappen Sieg gaben, dürfte aber im Nachhinein keine Rolle mehr spielen. Es ist zu erwarten, dass die Repressionen gegen Kritiker und Oppositionelle in der nächsten Zeit noch zunehmen werden. Sein Ziel, zum Jahrestag der Republikgründung im Jahr 2023 noch im Amt zu sein, scheint Erdogan mit diesem Wahlsieg jedenfalls erreicht zu haben.