Erdoğan lässt türkischen Elektro-SUV bauen
Projekt wird mit Steuervorteilen und Abnahmegarantien staatlich gefördert
Aktuell ist die Türkei eher nicht als Autoherstellerland bekannt, obwohl dort nicht wenige Fahrzeuge gefertigt und exportiert werden. Bislang geschieht das jedoch vor allem in Werken von Firmen, an denen große Automobilkonzerne aus anderen Ländern maßgeblich beteiligt sind: Ford Otosan produziert Transit, Transit Connect und Cargo, Honda Türkiye die Civic für die EU, Toyota Motor Manufacturing Turkey unter anderem Corolla und Corolla Verso, Hyundai Assan Otomotiv i10 und i20, die Oyak Renault Otomobil Fabrikaları montiert kanadische CKD-Bausätze, Tofaş fertigt in Lizenz Fiat-Modelle (was der Traktorenhersteller Karsan für Citroën und Peugeot macht), und Onuk verbaut für seine Sportwagen Motoren von Chevrolet, Ford und Nissan und Getriebe von Renault.
Die geplante Entwicklung eines unabhängigen türkischen Automobils, des Devrim ("Revolution"), wurde Anfang der 1960er Jahre aufgegeben, als eine feierliche Vorstellungsfahrt des damaligen türkischen Militärmachthabers Cemal Gürsel an einem praktisch leeren Tank scheiterte. Das führte in der Türkei zu weit verbreiteten Mutmaßungen, dass ausländische Akteure die Entwicklung eines türkischen Konkurrenten sabotierten.
"Dieses Mal werden sie uns nicht stoppen!"
Auf solche Mutmaßungen nahm der aktuelle türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan indirekt Bezug, als er bei der Vorstellung der Prototypen für eine türkische Limousine und ein türkisches Elektro-SUV in Gebze meinte, nun werde "ein Traum von 60 Jahren wahr". "Damals", so der AKP-Politiker, "haben sie es geschafft, den Weg von Devrim zu stoppen - aber dieses Mal werden sie uns nicht stoppen!"
Dass Staatspräsident Erdoğan und nicht etwa ein Wirtschaftsführer als "türkischer Elon Musk" das Projekt präsentiert, zeigt den Prestigewert, dem ihm die Staatsführung beimisst. Sie hat nicht nur auf die Bildung einer aus Anadolu, BMC, Kök, der Turkcell, der Zorlu-Holding und dem Wirtschaftsverband Türkiye Odalar ve Borsalar Birliği (TOBB) bestehenden "Türkischen Automobilinitiativgruppe" ("Türkiye'nin Otomobili Girişim Grubu" oder kurz TOGG ) gedrängt, sondern auch massive Steuervorteile und eine garantierte Mindestabnahme durch die öffentliche Hand in Aussicht gestellt.
Ehemaliger Bosch-Geschäftsführer ist Vorstandschef
Damit vor Augen soll das TOGG-Konsortium umgerechnet etwa 3,3 Milliarden Euro investieren unter der Führung des ehemaligen Bosch-Geschäftsführer Gürcan Karakas und des ehemaligen General-Motors-Korea-Geschäftsführers Sergio Rocha mit 4.000 Mitarbeitern ab 2022 in der am Marmarameer gelegenen Provinz Bursa jedes Jahr 175.000 Elektroautos vom Band laufen lassen.
Eine Version mit Heckantrieb und 200 PS soll es in 7,6 Sekunden von Null auf Hundert Stundenkilometer schaffen, eine Allradversion mit 400 PS in 4,8 Sekunden. An Reichweite werden bis zu 500 Kilometer versprochen. Sind sie verfahren, soll sich der mit acht Jahren Garantie versehene Akku binnen einer halben Stunde auf 80 Prozent laden lassen. Softwareupdates sollen ohne Werkstattbesuch automatisch aufgespielt werden.
Auch ein Signal nach Deutschland
Das staatlich geförderte Projekt dürfte auch ein Signal nach Deutschland sein. Nicht nur deshalb, weil der amerikanische Elektroautohersteller Tesla dort den Bau einer neuen Automobilfabrik wagt, sondern auch, weil der deutsche VW-Konzern in den nächsten Monaten entscheiden will, ob er den ehemals im ostfriesischen Emden gefertigten Passat und andere Modelle zukünftig in der Türkei herstellt oder aufgrund politischer Rücksichtnahmen auf den Bau der dort geplanten Fabrik verzichtet.