"Ergebnis einer mittlerweile langjährigen Hass-Kampagne gegen die PiS"
Nach dem Mordanschlag gegen das PiS-Büro in Lodz versucht die Partei daraus politisches Kapital zu schlagen
Vor der Geschäftsstelle der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Lodz brennen Grablichter. Und auch in den Räumen sind die Spuren der Tragödie vom Dienstag vergangener Woche sichtbar. In den Wänden sind Einschusslöcher und auf dem Boden klebte bis vor wenigen Tagen auch noch das getrocknete Blut der Opfer. Gegen 11.30 Uhr kam der 62-jährige Ryszard C. mit einer aus der Nazizeit stammenden Walther-Pistole, einem Messer und einem Elektroschocker bewaffnet in die Geschäftsräume der Partei und erschoss Marek Rosiak, Mitarbeiter des Europaabgeordneten Janusz Wojciechowski. Den Mitarbeiter des Sejmabgeordneten Jaroslaw Jagiello, Pawel Kowalski, verletzte der Täter mit dem Messer schwer.
"Ich hasse die PiS", hat der Täter laut Augenzeugenberichten bei der Tat gerufen und damit vor allem Polens Politiker schockiert. Die Tat von Lodz ist der erste politisch motivierte Mord in Polen seit der Wende von 1989 und löste an der Weichsel nicht nur Betroffenheit, sondern auch eine Debatte über die politische Kultur des Landes aus. "Es ist etwas Schreckliches passiert. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie so etwas zukünftig verhindert werden kann", erklärte Sejmmarschall Grzegorz Schetyna. "Das ist die letzte Gelegenheit, um die Temperatur der politischen Kämpfe wieder auf einen Normalzustand runterzudrehen", sagte wiederum Premierminister Donald Tusk vergangene Woche bei einer Pressekonferenz.
Doch in Polen, wo nun schon seit fünf Jahren ein rauer Ton den politischen Alltag bestimmt und wo zudem im November Kommunalwahlen stattfinden, die auch als Barometer für die im nächsten Jahr anstehenden Parlamentswahlen gelten, stoßen solche Appelle auf taube Ohren. Und einer, der sich besonders immun gegen solche Aufrufe zeigt, ist Jaroslaw Kaczynski. "Die Ereignisse von Lodz sind das Ergebnis einer mittlerweile langjährigen Hass-Kampagne gegen die PiS", erklärte der Vorsitzende der nationalkonservativen Partei am Tag der Tragödie und erntete von seinen Parteifreunden und einflussreichen Anhängern nur Zustimmung.
"Wer juristisch für die schreckliche Tat von Lodz verantwortlich ist, kann ich nicht sagen", schrieb beispielsweise der nationalkonservative Europaabgeordnete Marek Migalski in seinem Blog, der die Tat nicht nur mit dem Anschlag auf den Staatspräsidenten Gabriel Narutowicz von 1922 verglich, sondern auch gleich die Verantwortlichen nannte. "Allein die führenden Politiker der regierenden Bürgerplattform tragen die moralische und politische Verantwortung für diesen Mord. Das muss einmal so deutlich gesagt werden", so Migalski weiter.
Solche Aussagen sorgen nicht nur bei Vertretern der regierenden Bürgerplattform (PO, sondern auch bei den Politikern der zwei anderen im Sejm vertretenen Parteien, der Bauernpartei (PSL) und dem Bündnis der Demokratischen Linken (SLD), bis heute für Unverständnis. Doch das nationalkonservative Lager um Jaroslaw Kaczynski stellt den Mord von Lodz weiterhin als das Ergebnis einer langjährigen Hetzkampagne gegen die PiS und ihre Anhänger dar, für die alle verantwortlich sind, die der polnischen Rechten kritisch gegenüber stehen.
"Ich habe die wachsende Aggressivität und mediale Lynchjustiz gegenüber uns gesehen. Gegen Personen, mit konservativen Ansichten und vor allem gegen jene, die den Mut hatten, die russische Erklärung für das Unglück von Smolensk in Frage zu stellen", schrieb der Chefredakteur der nationalkonservativen Gazeta Polska, Tomasz Sakiewicz, in einem Kommentar und gab der liberalen Gazeta Wyborcza und dem Nachrichtensender TVN24 eine Mitschuld für den Anschlag von Lodz. "Die Journalisten der Regimemedien sind für diese Tat ebenso verantwortlich, wie die Propagandisten des Kriegsrechts für die politischen Morde in den 80er Jahren. Dieses Blut klebt an euren Händen."
An Radikalität kaum zu überbietende Äußerungen, die seitens des nationalkonservativen Lagers bis heute an Emotionalität nicht abgenommen haben. Wenn man beispielsweise die Gazeta Polska liest, neben den Medien um Radio Maryja das Zentralorgan der polnischen Nationalkonservativen, könnte man den Eindruck bekommen, dass im heutigen Polen Andersdenkende nicht nur wie im kommunistischen Polen verfolgt werden, sondern dass das Land kurz vor einem Bürgerkrieg steht, in dem sich die wahren, patriotischen Polen gegen das (von außen gelenkte) Regime erheben.
Diese Opfer-, und Widerstandsrolle wird von der PiS gepflegt. Sie forderte nicht nur eine Überwachung des Internet durch den Inlandsgeheimdienst ABW, um PiS-Kritiker in Internetforen zum Schweigen zu bringen, sondern veröffentlichte letzten Freitag auch die so genannte Erklärung von Lodz, in der die Partei zu einem gemäßigten Ton in der Politik und Presse aufrief.
Eine auf den ersten Blick durchaus lobenswerte Erklärung, die jedoch aus den Reihen der PiS kommend nicht an Doppelmoral und Scheinheiligkeit zu überbieten ist. Denn es waren die Kaczynski-Zwillinge, die mit ihrem Machtantritt 2005 in der Politik nur zwischen Gut und Böse unterschieden und nicht nach Partnern suchten (Die Koalition der Transformationsverlierer). Selbst ihre damaligen Koalitionspartner versuchte die PiS durch angebliche Korruptionsfälle zu diskreditieren. Eine Politik, die die Partei bis heute nicht verändert hat. Seine Wahlniederlage bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen gegen Bronislaw Komorowski bezeichnete Jaroslaw Kaczynski wenig demokratisch als ein "Missverständnis" und erschien auch nicht zu dessen Vereidigung.
Im Vorfeld des 10. Oktober, 6 Monate nach dem Absturz der polnischen Präsidentenmaschine in Smolensk (Polen - Land im Ausnahmezustand), behauptete die ehemalige Außenministerin in einem Interview für die Tageszeitung Polska The Times, dass vielleicht ein von der Tusk-Regierung gemeinsam mit Russland geplanter Anschlag für den Tod von Lech Kaczynski und 95 weiteren Personen verantwortlich ist und warnte vor einem zunehmenden Souveränitätsverlust des Landes (dazu s.a.: "Es waren die Russen"). Und als Präsident Bronislaw Komorowski nach dem Anschlag von Lodz die Vertreter alle großen Parteien zu einer Diskussion über die politische Kultur einlud, war es die PiS, die als einzige Partei nicht reagierte.
Dabei wäre es dringend notwendig, dass sich die polnischen Parteien zusammensetzen und über ihren Umgang miteinander diskutieren. Wie die neusten Polizeiermittlungen ergaben, wollte Ryszard C. ursprünglich auch namhafte Politiker der linken SLD töten.