Erneut Ärger in der Mazedonien-Problematik

Seite 3: Welche Mehrheit ist notwendig in Athen?

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Für die Ratifizierung des von den Regierungen Athens und Skopjes unterschriebenen Vertrags von Prespes ist eine einfache Mehrheit im Parlament notwendig. Das ergibt für Tsipras zusätzliche Optionen. Theoretisch kann der Vertrag allein mit den Stimmen von Syriza abgesegnet werden, wenn die KKE sich zur Abgrenzung von den nationalistisch argumentierenden Oppositionsparteien und den Unabhängigen Griechen der Stimme enthält.

Ob Theodorakis schlussendlich gegen den Vertrag stimmt, ist nicht klar. Denn mindestens drei seiner Abgeordneten haben zwischenzeitlich öffentlich betont, dass sie trotz aller Bedenken für den Vertrag stimmen würden.

Das, was die Propheten vorgezogener Parlamentswahlen in Griechenland jedoch gern übersehen, ist die Tatsache, dass Tsipras nicht automatisch den Posten verliert, wenn der Vertrag von Prespes keine absolute Mehrheit im Parlament bekommt. Denn dazu müsste gemäß der Verfassung entweder ein Rücktritt Tsipras erfolgen oder aber ein Misstrauensvotum die absolute Mehrheit erhalten.

Kammenos hat bereits betont, dass er zwar den Vertrag als solchen im Parlament vehement ablehnen würde, die Regierung jedoch weiterhin stützen wird. Zudem weiß Mitsotakis, dass er im Fall von Tsipras Scheitern auf Druck der Kreditgeber und der USA als nächster Premier, einer Einigung im Namensstreit zustimmen müsste.

Nichts wäre für sein politisches Überleben fataler, als sich den Namensstreit als politisches Problem aufzuhalsen. Der in Interviews redselige Vassilis Leventis betont bei jeder sich ergebender Gelegenheit, dass auch er vom US-Botschafter in Athen, Geoffrey Pyatt, unter Druck gesetzt wird, doch dem Vertrag von Prespes zuzustimmen.

Nur Tsipras kann Neuwahlen auslösen

Schließlich wird am Freitag, wenn Tsipras seine Ansichten zum Prespes-Vertrag in Thessaloniki öffentlich präsentieren wird, gleichzeitig vor dem Veranstaltungsort eine große Demonstrationsgruppe in Gelben Westen gegen den Vertrag protestieren. Aus dieser Gruppe möchte Mitsotakis in Konkurrenz zu den übrigen national eingestellten Oppositionsparteien Wähler rekrutieren.

Dies führt zu einem Paradoxon. Je größer die Protestdemo wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass Mitsotakis seinem Kontrahenten Tsipras für die Abstimmung über den strittigen Vertrag keine weiteren Steine in den Weg legen wird.

Die Ansicht, dass Tsipras über den Vertrag von Prespes stürzen könnte ist daher eher Wunschdenken der Opposition denn eine reale Gefahr für die Regierung. Das schließt jedoch nicht aus, dass Tsipras selbst in Eigeninitiative den Prespes-Vertrag für die Ausrufung von Neuwahlen nutzt.

Das wäre der Fall, wenn Tsipras durch ein außergewöhnliches Ereignis oder aber durch einen handfesten Skandal der Opposition einen früheren Wahltermin als günstig betrachtet.