Erregungspotenzial darf nicht zu lange ausgedehnt werden
ran-Sendung scheitert an den psychologischen Bedürfnissen der Fans
Deutschland befindet sich wieder im Bundesliga-Fußballfieber, doch der SAT1-Fußballsendung ran um 20.15 Uhr sind die Zuschauer scharenweise weggelaufen. Die Fernsehfans verpassten damit dem Sender eine schallende Ohrfeige, der inzwischen nicht nur die Werbung billiger verkaufen muss, sondern auch Mehreinnahmen zurückzahlen soll und jetzt die Sendezeit wieder nach vorne schiebt. Das rheingold Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen kommt in einer Medienanalyse zu dem Ergebnis, dass sich dieser Zuschauerschwund psychologisch erklären lässt.
Nur 1.7 Millionen Zuschauer wollten die letzte Fußball-Bundesliga-Sendung "ran" am letzten Wochenende um 20.15 Uhr sehen. Das entspricht der Hälfte der Zuschauer des ZDF-Sportstudios um 22 Uhr und zeugt vom absoluten Tiefpunkt der Fußballberichterstattung bei den bisherigen drei Sendungen. Im Vergleich zur vorherigen Saison musste ran einen Zuschauerverlust von 80 Prozent hinnehmen. Doch nicht nur für den Fernsehsender SAT1 ist damit eine rasante Talfahrt in der Zuschauergunst zu verzeichnen, auch Leo Kirch konnte durch die Verlegung der Bundesliga-Sendung in die Abendstunden nicht die gewünschten Premiere-Decoder-Abonnenten für die Liveübertragung der nachmittäglichen Spiele gewinnen. Im Gegenteil, SAT1 und Leo Kirch haben an Ansehen bei den Fußballfans verloren.
Psychologische Grundfehler macht das Medienforschungsinstitut rheingold Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen für die Misere geltend. Fußballfans brauchen scheinbar eine zeitnahe Berichterstattung. Bis 20.15 Uhr ist die vorhandene Erregungskomprimierung und -verarbeitung abgeklungen.
Psychologische Grundlagen, die gegen den 20.15-Uhr-Sendeplatz sprechen
Der bisherige Erfolg der "ran-Sendung" beruhte nach Ansicht der Forscher auf zwei wesentlichen Faktoren, die den Bedürfnissen der Fans entgegen kamen und vom 20.15-Uhr-Sendeplatz nicht mehr erfüllt werden konnten. Als ersten Faktor diagnostizierten die rheingold-Mitarbeiter die unmittelbare Erregungsverarbeitung. Für den echten Fan ist der Fußballsamstag der Erregungs-Höhepunkt der Woche, aus diesem Grund wollen sie die Berichterstattung möglichst miterleben und besuchen gleich das jeweilige Spiel im Stadion.
Nach den Spielen befinden sie sich immer noch im Zustand einer "hochgradigen emotionalen Aufgewühltheit". Voller Spannung erwarten auch die Fans, die nicht live dabei waren, die abendliche Berichterstattung. Manche halten diese Spannung sogar so weit aufrecht, dass sie sich bis dahin auch nicht in anderen Medien wie Radio oder Videotext über die Ergebnisse informieren. Der Fußball-Bundesliga-Fernsehabend wird regelrecht zum rituellen Objekt.
Der bisherige Sendeplatz um 18.30 Uhr leistete bei der Erregungsverarbeitung gute Dienste. Kurz nach Spielende konnten die Fans noch einmal die Erfolge und Pleiten ihrer Vereine nachvollziehen. Strittige Situationen aus den Spielen wurden noch einmal nacherlebt und aufgearbeitet. Damit bot die "ran-Sendung" den Fans bislang die Möglichkeit, die vorhandene Erregungskurve abzubauen und danach wieder anderen Tätigkeiten nachzugehen. Durch die Zeitverschiebung auf einen späteren Sendeplatz wurden die Fans gezwungen, ihre Erregungspotenziale anderweitig abzubauen.
Langweilige Aufarbeitung
Hier kommt der zweite Faktor zum Tragen. Die Erregungsspanne kann bis zu dem späteren Sendeplatz um 20.15 Uhr nicht aufrecht gehalten werden, sondern die benötigten Informationen werden in anderen Medien zusammengesucht. Damit wird der Erregungszustand aufgelöst. Der neue Sendeplatz um 20.15 Uhr wird als langweilig empfunden, weil es keinerlei dramaturgischen Zusammenhang zwischen Spielende und der zeitnahen Berichterstattung mehr gibt. ran schafft es nicht, die bereits abgebaute Spannung wieder aufzubauen.
Das ZDF-Sportstudio dagegen hat nie den Anspruch gehabt, noch einmal die Erregungskurve der Fans anzusprechen. In einer lockeren Sendung werden die Hintergründe aufgearbeitet und den Fans durch Talkrunden mit Spielern und Trainern das Gefühl vermittelt, dass das Bundesligaleben trotz aller Dramatik auf dem Spielfeld am nächsten Samstag einträchtig weiterläuft.
Die Sendezeit am Samstagabend um 20.15 Uhr ist zudem eine wichtige und traditionsreiche Familiensendezeit, zu der die Zuschauer eine runde Unterhaltung wollen. Die Quoten belegen, dass ein netter Spielfilm, eine Volksmusiksendung oder auch eine Liveübertragung eines Fußballspiels die Zuschauer an den Bildschirm fesseln. Die ran-Sendung zeigt sich aber als zu fragmentarisch und bietet kein Erlebnis aus einem Guss. SAT1 und Leo Kirch suchen nun händeringend nach einem neuen Sendeplatz, um nicht auch noch die letzten 1.7 Millionen Zuschauer – und nicht zuletzt ihre Werbepartner - zu vergraulen.