Erst Gerste, dann Tomaten, Lachs oder Brokkoli: Monopole auf Nahrungsmittel
Seite 2: Patentschutz als Innovationsbremse
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- Patentschutz als Innovationsbremse
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Laut Sortenschutz haben traditionelle Züchter und Züchterinnen freien Zugang zu allen auf dem Markt befindlichen Sorten. Gelingt es ihnen, daraus bessere Sorten zu züchten, können sie dafür ihren eigenen Sortenschutz erhalten. Dieser verleiht ihnen das exklusive Recht, die Sorte zu vermarkten, während zugleich andere Züchter versuchen, hieraus noch bessere Sorten zu züchten.
Deren Verwendung für die Züchtung einer neuen Sorte bedarf hingegen nicht der Zustimmung des Sortenschutzinhabers. Einmal patentiert, dürfen diese Pflanzensorten ohne die Zustimmung des Patentinhabers nicht für weitere Züchtungen genutzt werden. Im Zweifel ist der Patentschutz dann stärker als der Sortenschutz.
Die Folgen dieser Praxis erlebte Karl Josef Müller, der seit Ende der 1980er Jahre ökologische Getreidesorten züchtet. 1997 erhielt der Züchter und spätere Begründer von Cultivari von einem japanischen Züchter eine Gerstensorte mit einem sehr hohen Amylopektin-Gehalt, also einer veränderten Zusammensetzung der Stärke, die den Effekt der "Verkleisterung" bereits bei niedrigerer Temperatur herbeiführt, so dass im Brauprozess Zeit und Energie gespart wird. Zwei Jahre später begann der Züchter erste Kreuzungen, um eine neue Gerstensorte zu züchten. 2021 war der Verein dann so weit, die neue Sorte zur Registrierung anzumelden. Zudem hatte eine weitere Ökobrauerei Interesse an der Gerste.
Das Problem war, dass die Firma Carlsberg 2019 ein weiteres Patent mit der Nummer WO2019134962 auf Gerste mit ähnlichen Eigenschaften angemeldet hatte, die auf einer zufällig ausgelösten Mutation beruhten. Weil die Sortenzulassung teuer und der erwartete Markt eher klein und regional sein würde, musste noch vor dem Antrag auf Sortenzulassung geklärt werden, ob diese Sorte überhaupt von dem Patent erfasst war. In diesem Fall könnte die Arbeit jahrzehntelanger Züchtungen umsonst gewesen sein.
Auf der Grundlage der Patentanmeldung war diese Frage jedoch nicht so eindeutig zu beantworten. Denn die hier beschriebenen Eigenschaften der Carlsberg-Gerste reichten nicht aus, um zu beurteilen, ob es zu entsprechenden Überschneidungen kommen würde. Ein Patentanwalt wäre unter Umständen teurer gewesen, als die zu erwartenden Einnahmen aus der Züchtung. In einer Laboranalyse sollte untersucht werden, ob die von Carlsberg beschriebenen Mutationen auch in der Sorte von Cultivari zu finden waren, woraus sich wieder neue Fragen ergaben. Doch Cultivari hatte Glück: Carlsberg zog seinen Patentantrag Anfang 2021 aus unbekannten Gründen zurück, weshalb der Verein nun endlich die Zulassung der Sorte beantragen will.
Ist noch mit weiteren Patentierungen zu rechnen?
Wie wird das Patentamt mit zufälligen Mutationen künftig umgehen? Sollen sie genauso gehandhabt werden wie gentechnisch veränderte Organismen, werden wohl weitere Patente erteilt - und umso mehr geraten Züchter unter Druck. Ungeklärt ist auch, wer den Nachweis erbringen muss, damit die gezüchtete Sorte das Patent nicht verletzt - der Züchter oder der Patentinhaber?
Heute die Gerste, morgen Lachs, Tomaten, Brokkoli - nach dem aktuellen Urteil ist davon auszugehen, dass es in Zukunft noch mehr Patente auf Kulturpflanzen oder Tiere geben wird. Davon profitieren werden nicht nur die Firmen, die an den Patenten verdienen, sondern auch die Patentanwälte, die für sie arbeiten. Mit Patentierungen können große Konzerne die Grundlagen unserer Ernährung umfassend kontrollieren beziehungsweise nur bestimmten Firmen Züchtungen erlauben. Sie beeinträchtigen die Vielfalt auf dem Acker, den Fortschritt in der Züchtung und die Interessen der Verbraucher. Verhindert werden auch mögliche Innovationen, die tatsächlich dabei helfen könnten, die Welternährung in Zeiten des Klimawandels zu sichern. Bis heute sichert die konventionelle Züchtung den Zuchtfortschritt. Der Beitrag der Gentechnik hingegen ist marginal.
Ausblick: Was muss sich ändern?
Drei zentrale Punkte müssen geändert werden, um die bestehenden Verbote der Patentierung von "Pflanzensorten und Tierarten" sowie von "im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung" umzusetzen, fordert "Keine Patente auf Saatgut!":
Erstens muss klargestellt werden, dass die Definition von "im Wesentlichen biologischen Verfahren " alle Verfahren umfasst, die in der konventionellen Züchtung üblich sind - einschließlich Zufallsmutagenese sowie Selektion und/oder Vermehrung.
Zweitens müssen alle "Produkte", die bei denen im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren verwendet werden, vom Verbot der Patentierung erfasst werden, einschließlich aller Bestandteile von Pflanzen, Tieren, ihrer Zellen und genetischen Grundlagen.
Drittens muss die Reichweite von Patenten begrenzt sein: Das EPA darf im Bereich der Tier- und Pflanzenzucht keine Patente mit "absolutem Stoffschutz" erteilen. Andernfalls können Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen oder Tiere auch auf Pflanzen und Tiere mit den entsprechenden Merkmalen ausgeweitet werden, die aus konventioneller Zucht stammen.
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