Erwachsenwerden heißt Wegsehen
Kopf der englischen "Hi-Tech Crime Unit" fordert mehr Netzzensur
"Das Netz muss erwachsen werden." sagt der Kopf der englischen Hi-Tech Crime Unit. "Deshalb muss es lernen, mit Dingen wie Kannibalismus und Nekrophilie umzugehen". Wie dieser Umgang aussehen soll, lässt sich in einem Wort ausdrücken: Netzzensur.
Es ist keine neue Idee, Seiten, die sich mit Nekrophilie oder Kannibalismus beschäftigen, einfach aus dem Netz zu entfernen. Ähnliche Ideen kennt man von allen Ländern, die das Netz als Kommunikationsmedium erkannt haben und nutzen. Die Prämissen sind unterschiedlich: was für das eine Land noch unter die "freedom of speech" fällt, ist im anderen Land verwerflich und umgekehrt. Und auch die Begründungen sind eigentlich immer die gleichen: Jugendschutz, Minderheitenschutz, Prävention. "Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein" wird regelmäßig postuliert, wenn es heißt, neue Einschränkungen in Bezug auf Informationsfreiheit oder Meinungsfreiheit im Netz durchzusetzen.
Insofern ist die Forderung des Kopfes der englischen "National Hi-Tech Crime Unit" (NHTCU) weder neu noch originell. Len Hynds' Forderung vorangegangen waren Aufrufe der Familie eines Mordopfers, Seiten mit nekrophilen Inhalten zu blocken oder zu sperren, da der der Tat beschuldigte Mann regelmäßig pornographische Seiten aufgesucht hatte, auf denen sich nekrophile Inhalte befanden. Ob dieses Verhalten nun damit zu tun hatte, dass er einen Sonderschullehrer strangulierte, ist nicht bewiesen, für die Familie scheint dies jedoch festzustehen. Prompt wandte man sich also an Internet Service Provider und forderte die übliche Netzzensur - was ebenso prompt von der Internet Watch Foundation als problematisch bezeichnet wurde.
At the IWF we do sometimes receive complaints about Web sites and material which contains adult content, but unless they are hosted in the UK and may potentially be 'borderline extreme' in terms of content, i.e. it is unclear as to whether the images may be illegal, it is not within our remit to further investigate these sites. Due to the increasing diversity in social attitudes, 'adult' content, the context in which it is viewed and possessed and any 'influence' it may have, is very difficult to govern.
Für Len Hynds dagegen stellen solche Seiten nichts anderes dar als Graffiti oder Müll - und gegen diese Dinge muss mit "Null Toleranz" vorgegangen werden. Alles damit das Netz erwachsen wird. Wie auch diverse andere Politiker oder Kinderschützer sieht Hynds im Erwachsenwerden also nicht die Fähigkeit, sich mit Problemen auseinander zu setzen oder deren Ursachen anzugehen, sondern vielmehr die Fähigkeit wegzuschauen, Probleme auszublenden.
In Zeiten, in den Zivilcourage in ihrer eigentlichen Form oftmals schmerzlich vermisst wird (vgl. Das Schweigen der Lämmer), andererseits aber der Begriff "Zivilcourage" oft genug für Zensur, Beschränkung der Informations- und Meinungsfreiheit , für Denunziantentum oder sogar Rufmord herhalten muss, ist die Aussage Hynds nur ein weiteres Zeichen dafür, wie das Wegschauen in Bezug auf Probleme etabliert werden soll.
"Damit sich das Internet weiterhin zu einem "Mainstreammedium" für Handel, Erziehung und Unterhaltung entwickeln kann", so Len Hynds, "müssen die Randgruppen ausgeschlossen werden, die im Netz Platz mit ihren eigenen perversen Bedürfnissen wegnehmen." Der Mainstream hat eben für die Randgruppen nur einen Platzverweis über, schaut bei Problemen weg... wird eben erwachsen.