"Es gehört zum demokratischen Prozess"
Warum ein ZDF-Journalist seinen Film samt Rohmaterial zur Energiewende unter Open Source allen zur Verfügung stellt
Frank Farenski ist Filmemacher unter anderem beim ZDF, für den er neulich den Dokufilm "Leben mit der Energiewende" gedreht hat, das auf YouTube in voller Länge (45 Minuten) zu sehen ist. Danach machte er jedoch eine 90-minütige Version, die sich im Ton stark von der ZDF-Version unterscheidet. Das Brisanteste ist jedoch, dass Farenksi seine Langversion samt Rohmaterial unter einer Open-Source-Lizenz zur Verfügung stellt. Craig Morris, der an einer Fassung mit englischen Untertiteln arbeitet, sprach mit Farenski über seinen Open-Source-Ansatz und seine Meinung zur Energiewende.
Herr Farenksi, Sie haben Ihren Dokufilm samt Rohmaterial online gestellt. Was erhoffen Sie sich davon?
Frank Farenski: Das ist der Schlüssel für eine möglichst weite Verbreitung. Es geht darum, den Film vollkommen barrierefrei allen Nutzern zur Verfügung zu stellen - nicht nur den fertigen Film, sondern auch das Material, mit dem die Leute was anfangen sollen. Es gibt ja nicht nur meine Sichtweise auf die Energiewende, sondern auch andere. Es gibt auch verschiedene Einsatzmöglichkeiten und Anwendungen. Damit das alles möglich wird, stelle ich das Material völlig frei zur Verfügung - inklusive Musik.
Sie laden also auch dazu ein, "Gegenfilme" zu machen?
Frank Farenski: Ich bin Journalist, und die Aufgabe eines Journalisten ist es, Aufklärung zu betreiben. Die Aussagen in meinem Film kann ich beweisen. Aber ein Thema wie die Energiewende kann man aus anderer Perspektive und aus anderen Interessen betrachten. Nehmen wir mal das Interesse der Energieversorger, die mit konventionellen Energieträgern ihr Geschäft machen. Sie sehen das natürlich anders, und es gehört zum demokratischen Prozess dazu, dass alle Seiten ihre Position darstellen können. Wenn wir durch solches Material eine öffentliche Diskussion schaffen, dann hilft das der gesamten Debatte.
Sie verdienen kein Geld dabei, oder?
Frank Farenski: Der Film soll sich durch Lizenzverkäufe finanzieren, nicht durch Sponsoring. Man kann bei mir halt nicht nur das Endprodukt kaufen, sondern auch das Rohmaterial. Dass sich Open Source lohnt, merke ich an den vielen Anfragen, die ich bekomme - oft von Programmkinos. Die bringen Filme, die bei der Miete nicht so teuer sind. Genau das ist Open Source: Man setzt andere Leute in die Lage, das Material zu benutzen und weiter zu transportieren. So stehe ich plötzlich in Programmkinos und habe nun offiziell einen Verleiher.
Sie beziehen sich auf das Beispiel der BBC, die ihre Archive zum Teil den kreativen Briten, die mit ihrem Steuergeld die BBC ja finanzieren, kostenlos zur Verfügung - mit dem Argument, das gehört euch sowieso. Krasser Gegensatz: In Deutschland schrieben 51 Tatort-Autoren dieses Jahr, dass die Sendungen, die wir alle über die GEZ schon mal bezahlt haben, uns nicht gehören, wir dürfen sie aber gerne noch mal auf DVD kaufen. Die Tatort-Autoren sprachen sich vehement gegen eine vermeintliche "Umsonstkultur" aus. Sind Sie eine Ausnahme bei ZDF?
Frank Farenski: Das ist genau der springende Punkt. Den Menschen, die die Rundfunkgebühr bezahlt haben, gehört das Material. Es ist vollkommen unverständlich, warum es dafür eine Beschränkung gibt. Du gehst auch nicht in einen Laden und kaufst ein Ei, und am Ausgang sagt jemand, das gehört Ihnen aber nicht, wenn Sie es mit nach Hause nehmen wollen, müssen Sie noch mal zahlen. Das muss alles freigestellt werden, sonst ist es totes Material. Die BBC macht das richtig. Die Bürger haben ihre Gebühren bezahlt, und sie müssen sie einen vollkommen freien Zugang zu den Medien haben.
Liegt es aber wirklich an den Öffentlichen oder eher an den Privaten, die ja schon wegen einer Tagesschau-App klagen? Wenn ARD & ZDF flächendeckend ihre Archive frei ins Netz stellen, würden sie doch mit Klagen überhäuft, oder?
Frank Farenski: Das Teure ist immer der Content, selten die Form. Für die privaten Anbieter und Verleger hätte ich Verständnis, wenn sie ihre Informationen nicht verkaufen könnten. Aber die inhaltliche Qualität der Verlage im Internet ist sehr dünn. Deshalb ist es richtig, dass die Öffentlich-Rechtlichten alles, was die Bürger bezahlt haben, der Öffentlichkeit möglichst breit zur Verfügung stellen. Weder die Bürger noch die Sender sind dafür da, sich aus der Mediennutzung herauszunehmen, nur damit private Verleger mit ihrem weniger guten Content was verdienen können.
Reden wir doch kurz über die Energiewende. Was ist Ihr Standpunkt im Film?
Frank Farenski: Als Journalist habe ich noch nie darüber gesprochen, dass es eine Kampagne gegen etwas gibt. Bei der Energiewende muss ich feststellen, es gibt eine regelrechte Kampagne, die Argumente hervorbringt, die einer näheren, kritischen Überprüfung nicht standhalten.
Mein Film ist ein Statement für die Energiewende. Ich sage immer, die Leute, die für die Energiewende sind, müssen auf Angriffsmodus schalten und die Sache positiv vertreten. Insofern könnte man meinem Film vorwerfen, er sei Propaganda für die Energiewende - vielleicht stimmt das auch. Aber alle Aussagen im Film kann ich inhaltlich mit Zahlen und Daten beweisen. Das heißt, der Film ist ein starkes Statement für die Energiewende, aber mit beweisbaren Fakten.
Ich danke fürs Gespräch.
Die Fassung von "Leben mit der Energiewende" mit englischen Untertiteln wird 2012 auf der neuen Webseite Energy Transition zu sehen sein, die dem Ausland die Energiewende auf englisch erklärt. Craig Morris schreibt außerdem täglich über die Energiewende bei Renewables International.